Tugenden

 

Wonach sollen wir uns richten?

Die menschliche Geschichte kennt verschiedene Regelwerke: die Zehn Gebote, den achtfachen Pfad, Gesetze oder die Deklaration der Menschenrechte. Sie sollen unsere Verhaltensweisen und Einstellungen lenken. Bei Nichtbeachtung drohen Konsequenzen, im Diesseits oder im Jenseits.

Diese Regelwerke beschreiben vor allem auch, wie wir das Zusammenleben in Gemeinschaften gestalten und wie wir mit unserer Umwelt umgehen. Gebote sind stark mit einem Glauben verknüpft, davon haben einige eine schwindende Bedeutung. Regeln wurden von internationalen Gremien wie der UNO verabschiedet, aber haben sich längst nicht überall durchgesetzt.

Auf den nachfolgenden Seiten werden Elemente einiger konfessioneller und weltlicher Ethiken vorgestellt. Diese verdichten wir später im Ethify Wertekanon, als Vorschlag für eine tugendhafte Lebens- und Wirtschaftsweise.

Lehren des Buddha

Viele Menschen, die sich für die Umwelt engagieren, finden den Buddhismus sympathisch, gebietet dieser doch hohen Respekt vor allen Lebewesen. Kein Gott steht im Mittelpunkt, sondern praktische und menschliche Fragestellungen. Ein Buddhist respektiert alle Religionen, denn es gibt nicht nur einen richtigen Weg. Christen, Juden oder gar Atheistinnen können somit auch einem Buddhisten folgen.

Buddha bezeichnet einerseits den Menschen Siddhartha Gautama, der lehrte, was ein gutes Leben bedeutet. Er wurde 560 v.Chr. im heutigen Nepal als Sohn des Königs geboren. Mit neunundzwanzig entsagte er seiner königlichen Erbschaft, seinem Reichtum und seiner Familie. Nach einigen Jahren Askese und als Schüler zweier Hindu-Meister fasste er den Entschluss, einen mittleren Weg zu gehen. Nach 49 Tagen Meditation unter einem Pappelfeigenbaum fielen von ihm Begierde und Unwissenheit ab, und er kümmerte sich fortan als „Erwachter“ um die Verbreitung seiner Erkenntnis.

Ein wesentliches Element ist das Karma, wonach jede Handlung – physisch wie geistig – unweigerlich eine Folge hat. Diese muss nicht unbedingt im aktuellen Leben wirksam werden, sondern kann sich möglicherweise erst in einem der nächsten Leben manifestieren. Das Ursache-Wirkungs-Prinzip erstreckt sich somit über mehrere Lebensspannen hinweg – nachhaltiges Handeln hat also Effekte - auch für die nächsten Generationen.

Basis der buddhistischen Praxis sind die Vier Edlen Wahrheiten: erstens die Erkenntnis, dass das Leben von Leid geprägt ist, zweitens die Erkenntnis, dass dieses Leid durch Begierde verursacht wird, drittens, dass die Begierde und somit das Leid durch tugendhaftes Leben und Meditation überwunden werden kann und viertens, dass der Weg dahin über den Achtfachen Pfad führt, der Handlungsanweisungen zum tugendhaften Leben gibt, in deren Mittelpunkt Rücksichtnahme und Erkenntnis stehen.1


Weisheit

  • Rechte Anschauung, Erkenntnis
  • Rechte Gesinnung, Absicht

Sinnlichkeit

  • Rechtes Reden
  • Rechtes Handeln
  • Rechter Lebenserwerb

Vertiefung

  • Rechtes Streben, Üben
  • Rechte Achtsamkeit
  • Rechtes sich-versenken

Der Achtfache Pfad im Buddhismus

Beginnen wir mit der Weisheit: Vollkommene Weisheit ist ein wichtiges Ziel des buddhistischen Erkenntnisvorgangs, der von Unwissenheit zum Erwachen führt. Die rechte Erkenntnis gewährt unter anderem Einsicht in das Daseinsmerkmal Unbeständigkeit, beschreibt die Ursachen des Wiedergeburtskreislaufes und erklärt das Karma-Prinzip. Rechte Gesinnung ist der Entschluss zur Entsagung, zum Nichtschädigen, zur Enthaltung von Groll. Rechtes Denken ist ohne Habgier, hasslos in der Gesinnung und grosszügig.

Die drei Pfade zur Sittlichkeit enthalten Tugendregeln, die nach dem Karma-Prinzip heilsam sind. Untugendhaftes Verhalten ist unheilsam und verursacht Leiden, das auch als Dukkha bezeichnet wird. Rechte Rede meidet Lüge, Verleumdung, Beleidigung und Geschwätz. Rechtes Handeln vermeidet Töten, Stehlen und sinnliche Ausschweifungen. Die Enthaltung von der Zerstörung des Lebens bedeutet für viele Buddhisten, dass sie kein Fleisch essen und nicht einmal Insekten töten. Die Regel der Enthaltung von widerrechtlichem Sex verurteilt Ehebruch und Sex mit Minderjährigen. Bei der Regel der Enthaltung von Drogen sollen keine Substanzen konsumiert werden, die den Geist verwirren und das Bewusstsein trüben. Dies wird unterschiedlich streng interpretiert, da in einigen buddhistischen Ländern wie in Thailand sehr wohl Alkohol in Massen gesellschaftlich akzeptiert ist.

Generell gilt: Eine Tat, die mich oder andere beschwert, ist zu meiden; eine Tat, die Wohl erzeugt, ist für mich oder andere zu tun.

Rechter Lebenswandel bedeutet, auf unrechten Lebenswandel zu verzichten. Fünf Arten von Tätigkeiten werden genannt, die ein buddhistischer Laienanhänger nicht ausüben und zu denen er Andere nicht veranlassen sollte: Handel mit Waffen, Handel mit Lebewesen, Tierzucht und Handel mit Fleisch, Handel mit Rauschmitteln, Handel mit Giften. Im weiteren Sinn bedeutet rechter Lebenserwerb, einen Beruf auszuüben, der anderen Lebewesen nicht schadet und der mit dem Edlen Achtfachen Pfad vereinbar ist.

Bei den Vertiefungen geht es um eine Schulung des Geistes und um Übungen zur Meditation. Rechtes Streben bezeichnet hierbei den Willen, Affekte wie Begierde, Hass, Zorn oder Ablehnung zu kontrollieren und zu zügeln.

Rechte Achtsamkeit ist zunächst eine Übung für den Körper: Alle körperlichen Funktionen wie Atmen, Gehen oder Stehen sollen wir bewusst wahrnehmen. Sie sollen umfassend bewusst gemacht sein, um sie kontrollieren zu können. Wir sollen ganz im Hier-und-Jetzt sein, nicht in der Vergangenheit nachgrübeln und nicht in der Zukunft schwelgen. Das heisst auch ganz bei einer Sache oder Person zu sein, mit der man in diesem Augenblick konfrontiert ist, oder bei einem Gespräch, das man führt.

Rechte Sammlung bezeichnet die Fertigkeit, den unruhigen und abschweifenden Geist zu kontrollieren. Dazu haben die buddhistischen Schulen viele Methoden und Techniken entwickelt. Bei der buddhistischen Meditation geht es vor allem um die Konzentration auf ein einziges Phänomen, häufig der Atem, wodurch der Geist von Gedanken befreit wird und zur Ruhe kommt. Heute nutzen wir die Meditation und verwandte Techniken wie Qigong zur Entschleunigung unseres Lebens.

Zum Buddhismus gibt es keine Weihe oder Taufe. Wer glaubt, dass der Buddhismus eine gute Basis für ethisches Handeln ist und versucht, danach zu leben, darf sich Buddhist nennen. Die buddhistische Lehre kennt weder einen allmächtigen Gott noch eine ewige Seele oder die Sünde. Die Regeln des Buddhismus sind Empfehlungen für tägliche Übungen. Die Ablehnung des Kastensystems, unterscheidet den Buddhismus übrigens von Hinduismus und Brahmanismus, mit denen dieser andererseits die Karma-Lehre teilt.

Der Sinn für Gleichheit führt im Buddhismus zu einer Ablehnung von Hierarchie, besonders wenn diese Hierarchie nicht auf persönlichem Verdienst, sondern auf gesellschaftlichem Brauch oder Status beruht. Kritik am Buddhismus ruft vor allem die starke Ichbezogenhei hervort. Eine Erleuchtung löst keine gesellschaftlichen Probleme. Mönche, die ihre Familie verlassen, um den Zustand des Nirwanas zu erreichen, erinnern auch an Seefahrer oder Extrembergsteiger, die auf Abenteuer aus sind, ihre Familien zu Hause lassen und zum Gemeinwohl wenig beitragen. Die zentrale Forderung nach Bedürfnislosigkeit bietet ein Gegengewicht zu Habgier und Ausbeutung anderer. Allerdings bringt eine nur persönlich erlebte Erleuchtung die Gesellschaft nicht wirklich weiter.2

Gebote der Bibel

Die Bibel ist das am weitesten verbreitete und am häufigsten publizierte schriftliche Werk der Welt. Für das Christentum und das Judentum wurden jeweils verschiedene Bücher zusammengestellt und später kanonisiert. Auch der Islam anerkennt die Bibel als ein gültiges Offenbarungszeugnis Allahs an.

Die zehn Gebote gelten in der hebräischen Bibel als die wichtigste Zusammenfassung des Willen Gottes. Juden und die christlichen Konfessionen teilen den Eingangssatz und die Einzelforderungen teilweise verschieden auf zehn Gebote auf:3


Gebot

Juden

Anglikaner, Reformierte
u.a.

Orthodoxe

Katholiken, Lutheraner

Ich bin der Herr, dein Gott.

1

Präambel

1

1

Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.

2

1

Du sollst dir kein Bildnis machen.

2

2

Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen.

3

3

3

2

Gedenke, dass du den Sabbat heiligst.

4

4

4

3

Du sollst Vater und Mutter ehren.

5

5

5

4

Du sollst nicht töten.

6

6

6

5

Du sollst nicht ehebrechen.

7

7

7

6

Du sollst nicht stehlen.

8

8

8

7

Du sollst kein falsches Zeugnis geben.

9

9

9

8

Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau.

10

10

10

9

Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

10

Am Beginn der Zehn Gebote stellt sich Gott vor und werden Grundpfeiler für den Glauben gelegt. Katholiken und Lutheraner sehen das Bilderverbot als Teil des Fremdgötterverbots, so dass für sie nur Gottesbilder, aber nicht alle Bilder im Gottesdienstraum verboten sind. Die einzelnen Sozialgebote stammen aus nomadischer Zeit und reflektieren deren Verhältnisse: etwa das Verbot, Vieh, Sklaven und Frau des Nächsten zu begehren. Die Probleme einer Gesellschaft vor 3000 Jahren lassen sich nur mehr schwer auf die heutige Zeit übertragen. Manche Stellen im Alten Testament kommen einem abartig und hart vor: Rache zu üben bis ins dritte Glied4, also Sippenhaftung ist mit dem Prinzip der Verantwortung des Individuums nicht vereinbar. Bei einem Fehlverhalten Reue zu zeigen, um Vergebung zu bitten und Busse zu tun, entspricht hingegen durchaus einer modernen Auffassung von Justiz.

Interpretiert werden die Gebote später im Katechismus, welcher Grundfragen des christlichen Glaubens und deren Sakramente behandelt. Jahrhundertelang lautete das sechste Gebot „Du sollst nicht Unkeuschheit treiben!“, was im Katechismus als unehelicher Genuss und Masturbation konkretisiert wurde. Heute wird hingegen nur der Ehebruch verboten, dafür bei den Katholiken und Lutheranern gleich doppelt.

Darüber hinaus schreiben Päpste Enzykliken mit aktuellen Bezügen. Papst Benedikt XVI veröffentlichte im Juli 2009 eine Sozialenzyklika, in der er auf die Wirtschafts- und Finanzkrise eingeht, die eine Chance für ein radikales Umdenken sei. Um die positiven Entwicklungsmöglichkeiten der Globalisierung richtig zu nützen, solle sie mit der »Kultur der Liebe« beseelt werden. Mit den diakonischen Werken engagieren sich die evangelischen Kirchen und mit der Caritas die Katholische Kirche mit langer Tradition und viel Erfahrung für soziale Projekte oder in der Flüchtlingshilfe. Mit rund 490.000 Mitarbeitern ist die Caritas der grösste private Arbeitgeber in Deutschland. Bei Caritas International lautet das Leitmotiv: „Hilfe zur Selbsthilfe“. Bei Kriegen oder Naturkatastrophen bedeutet das, nicht nur akute Nothilfe zu leisten, sondern beim Wiederaufbau zu helfen und Betroffene aktiv mit einzubeziehen

 

Missionar in der Südsee, 1916-17 (Quelle: Wikicommons)

Die katholische Kirche wird andererseits für ihre Mission mit allen Mitteln (Kreuzzüge, Zwangstaufen) oder für ihre konservative Haltung zur Empfängnisverhütung kritisiert. In der Enzyklika Humanae Vitae 1968 wurde präzisiert, dass jede Handlung als widernatürlich und verwerflich gilt, „die entweder in Voraussicht oder während des Vollzuges des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel.“5 Dies umfasst auch die Benutzung des Kondoms, welches ein wichtiges Instrument gegen die Verbreitung von AIDS darstellt. Die protestantischen Kirchen haben in den 1950er Jahren die Empfängnisverhütung erlaubt. Ein anderer Problembereich der katholischen Kirche ist deren Festhalten am Zölibat, welcher zu Priestermangel führt oder auch Fälle sexuellen Missbrauchs proviziert, die innerkirchlich oft gedeckt werden. Erst nach Jahrzehnten erwägen Opfer eine Anzeige, etwa gegen Mitglieder des deutschen Jesuitenordens6. Trotz des Schwundes an Mitgliedern in Europa erfreut sich die katholische Kirche insgesamt eines Zuwachses insbesondere in Asien und Lateinamerika. Nur mehr ein Viertel der Österreicher glauben noch an einen leibhaftigen Gott, wie ihn die Bibel beschreibt5a.

Die Evangelische Volkspartei Schweiz postulierte 2007 neun Werte auf Basis des Dreiklangs Glaube – Liebe – Hoffnung, welche auf einer eigenen Webseite klar und leicht fassbar formuliert sind:

  1. Glaubwürdigkeit: Ich sage, was ich tue und ich tue, was ich sage.
  2. Verantwortung: Ich nehme mein Leben in die Hand. Ich schaue zu meinen Mitmenschen.
  3. Selbstbeschränkung: Ich weiss um meine Grenzen und nehme Rücksicht auf andere.
  4. Wertschätzung: Ich schätze jeden Menschen mit seinen Stärken und Schwächen.
  5. Gerechtigkeit: Ich setze mich für das Recht meiner Mitmenschen ein.
  6. Solidarität: Ich mache das Anliegen anderer zu meinem Anliegen.
  7. Nachhaltigkeit: Ich erhalte die Umwelt für die Generationen nach mir.
  8. Zielorientierung: Ich weiss, was ich will.
  9. Frieden: Ich suche die Versöhnung mit Gott, mit mir, mit meinen Mitmenschen.

Die Lebenswerte wurden in er Schweiz bei Wahlkämpfen und in den evangelischen Gemeinden gepredigt, nach drei Jahren gibt es allerdings erst etwa 2000 Unterstützer. Vermutlich sollten sich Politik und vielleicht auch die Kirche aus einer aktuellen Wertedebatte raushalten.

Pflichten im Islam

Der Islam ist mit mehr als einer Milliarde Anhängerinnen nach dem Christentum (mit mehr als 2 Milliarden Anhängern) die zweitgrösste Religion der Welt.

Der Islam ist nicht allein eine Religion, sondern zugleich ein in sich geschlossenes rechtlich-politisches Wertesystem; eine Trennung von Religion und Staat ist deshalb nach islamischem Verständnis nicht vorgesehen. Der Islam gründet auf dem Koran, der für die Gläubigen das unverfälschte Wort Gottes ist und als Primärquelle dieser Religion gilt. Die Gültigkeit der Postulate ist jedoch in der Forschung umstritten. Die zweite Erkenntnisquelle neben dem Koran sind die Worte und Handlungen (Sunna) des Propheten Mohammed.7

Im Koran sind zehn Gebote unter dem Titel Die Kinder Israels aufgelistet und kommentiert.8

  1. Setze Allah keinen anderen Gott zur Seite …
  2. Und dein Herr hat bestimmt, … dass man die Eltern gut behandeln soll.
  3. Lass deinem Verwandten sein Recht zukommen, ebenso dem Bedürftigen und dem Reisenden; aber handle nicht verschwenderisch.
  4. Tötet nicht eure Kinder aus Furcht vor Verarmung …
  5. Nähert euch nicht der Unzucht. (andere Übersetzung: dem Ehebruch)
  6. Tötet nicht den Menschen, den Gott für unantastbar erklärt hat, es sei denn bei vorliegender Berechtigung.
  7. Nähert euch nicht dem Besitz des Waisenkindes, es sei denn zu seinem Besten, bis es seine Vollkraft erreicht hat.
  8. Erfüllt eingegangene Verträge … und gebt volles Mass, wenn ihr messt.
  9. Verfolge nicht das, wovon du kein Wissen hast …
  10. Wandle nicht hochmütig (andere Übersetzung: unbekümmert) auf Erden umher.

Jeder Moslem hat fünf Grundpflichten zu erfüllen. Das Glaubensbekenntnis zu beten, das fünfmal am Tag vom Muezzin ausgerufen wird. Die verpflichtende Almosensteuer ist von jedem psychisch gesunden, freien, erwachsenen und finanziell dazu fähigen Muslim zu leisten und kommt Armen, Sklaven, Schuldnern und Reisenden sowie der Anstrengung auf dem Wege Gottes zu Gute. Beim Fasten im Monat Ramadan wird von Beginn der Morgendämmerung bis zum vollendeten Sonnenuntergang nichts gegessen, nichts getrunken, nicht geraucht, kein ehelicher Verkehr und Enthaltsamkeit im Verhalten geübt. Jeder Muslim, sofern möglich, muss mindestens einmal in seinem Leben eine Pilgerfahrt nach Mekka antreten, um dort unter anderem die Kaaba siebenmal zu umschreiten. Entscheidend dafür, ob die Pilgerfahrt zur Pflicht wird, sind unter anderem seine finanziellen und gesundheitlichen Lebensumstände.

Muslime glauben ebenfalls wie Christen an den Tag des jüngsten Gerichts und das Leben nach dem Tod: Der Mensch werde eines Tages für seine Taten zur Verantwortung gezogen und mit dem Höllenfeuer bestraft oder mit dem Paradies belohnt.

Eine islamische Bank arbeitet nicht primär gewinnorientiert. Ethische und soziale Ziele stehen im Vordergrund, abgeleitet vom 278. Vers der Al-Baqa-Sure im Koran: „Allah wird den Zins dahinschwinden lassen und die Mildtätigkeit vermehren“. Investitionen in Glücksspiele, Alkohol oder Pornografie sind tabu. Zur Finanzierung einer islamischen Bank werden statt Zinsen Gebühren verrechnet oder Beteiligungen und Partnerschaften ausgehandelt.9

Weltsicht der Bahai

Die Bahai sind eine monotheistische Religion, welche der Vernunft und Erkenntnisse der Wissenschaft nicht widersprechen darf. Der Bahai-Kalender teilt das Jahr in 19 mal 19 Tage ein. Das Neunzehntagefest markiert den Monatsbeginn. Das Fest besteht aus drei Teilen: einem besinnlichen Andachtsteil, bei welchem aus den heiligen Schriften gelesen wird, einem Beratungsteil, bei welchem die Gemeinde über ihre Tätigkeiten berät und einem geselligen Teil, welcher mit einem Festmahl einhergeht. Einen Klerus gibt es bei den Bahai nicht, Entscheidungsträger sind die gewählten Gremien mit neun Mitgliedern, welche die Aktivitäten der Gemeinde leiten und koordinieren.

Im Jahr 1912 stellte Abdu’l Baha in seinen Ansprachen in Paris zwölf ethische Grundsätze aus den Lehren der Bahai Religion besonders heraus. Wie viele andere Religionen betreibt die Bahai Community Schulen, engagiert sich in Entwicklungsprojekten und arbeitet mit der Weltgesundheitsorganisation, dem Entwicklungsprogramm, Umweltprogramm, Bevölkerungsfonds und dem Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen zusammen. Ausserdem hat die Bahá’í International Community 1992 in New York das weltweit tätige „Büro für Frauenförderung“ eingerichtet.10

  1. Die ganze Menschheit ist als Einheit zu betrachten. Kulturelle Vielfalt wird begrüsst und gefördert.

  2. Alle Menschen müssen die Wahrheit selbständig erforschen. Bildung führt zu Mündigkeit und Selbstbestimmtheit.

  3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage. Soziale Gebote sind an jeweilige Kulturkreise angepasst, doch der mystische Kern ist derselbe.

  4. Religion soll die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein und darf nicht zu Zwist und Uneinigkeit führen.

  5. Wissenschaften und Religionen sollten sich ergänzen und nicht widersprechen. Religion ohne Wissenschaft führt zu Aberglaube. Wissenschaft ohne Religion zu Materialismus.

  6. Mann und Frau haben gleiche Rechte. Fähigkeit der Intuition und Fürsorge muss auch von Männern übernommen werden, Leitung und Koordinationsaufgaben auch von Frauen. 

  7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden, insbesondere rassistische wie religiöse Vorurteile. Es gibt keinen Erlösungsglauben, der die Menschen in „Gläubige“ und „Ungläubige“ einteilt.

  8. Der Weltfrieden muss verwirklicht werden. Dies bedarf ständigen menschlichen Bemühens. Abrüstung und die Stärkung eines globaen Völkerbundes sind zentrale Eckpfeiler.

  9. Beide Geschlechter müssen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung erfahren. Eine allgemeine Schulpflicht und ein freier Zugang zu Bildung sind wichtige Voraussetzungen dazu.

  10. Bahai engagieren sich in wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Hinsicht für Ausgleich und Gerechtigkeit im Globalisierungsprozess. Organisationen wie das European Bahá'í Business Forum befassen sich damit inhaltlich.

  11. Die Forderung nach einer Welthilfssprache und einer Einheitsschrift wird heute mit der Verwendung von Englisch etwa im Bahai-Weltzentrum oder bei internationalen Tagungen gelöst.

  12. Zur Lösung von lokalen und globalen Konflikte soll ein internationaler Gerichtshofes sowie eine international akzeptierte Polizei eingesetzt werden, welche in gewaltsame Konflikte friedensbewahrend einschreiten darf.

Die 12 ethischen Grundsätze der Bahaí

Ewige Tugenden und Sünden

Platon und Aristoteles entwickelten einen Katalog guter und schlechter Eigenschaften, welche auch in die kirchliche Lehre des Mittelalters Eingang fanden. Wer die Tugenden verinnerlicht hatte, galt als fromm und als Vorbild. Als die vier Kardinaltugenden und die drei theologischen Tugenden gelten demnach:

  • Sapientia - Weisheit

  • Temperantia - Mässigung

  • Fortitudo - Tapferkeit

  • Iustitia – Gerechtigkeit

  • Fides – Glaube

  • Spes – Hoffnung

  • Caritas - Liebe

Frieder Lauxmann unternahm den Versuch, die ersten vier, welche auch als Kardinaltugenden bezeichnet werden, neu zu interpretieren11 Bei der Weisheit geht es um jenes Wissen, das man nicht „schwarz auf weiss nach Hause tragen kann“. Es geht um das Erspüren und Verstehen von Zusammenhängen, also was man als Klugheit versteht, aber auch was Einsicht oder Vernünftigkeit bedeutet. Mässigung können wir als Besonnenheit, Selbstbeherrschung und Enthaltsamkeit verstehen, also die Bereitschaft zum Verzicht, die Beherrschung der Sinne durch die Vernunft, wenn diese vor den Folgen warnt. Die Tugend zur Tapferkeit meint heute Zivilcourage, also eine Überzeugung zu vertreten, auch wenn sie nicht opportun ist. Manchmal ist es auch notwendig, für diese Überzeugung zu kämpfen, auch unter Einsatz des Lebens. Bei der Gerechtigkeit geht es um den Ausgleich von Interessen unter Berücksichtigung aller Fakten.

Der Apostel Paulus führte drei theologische Tugenden ein: Beim Glaube geht es im Wesentlichen um den Beweis, dass es einen Gott geben soll12. Atheisten kritisieren den Glauben allerdings als irrational und unplausibel. Die Hoffnung ist eine zuversichtliche innerliche Ausrichtung gepaart mit einer positiven Erwartungshaltung, dass etwas Wünschenswertes in der Zukunft eintritt, ohne dass Gewissheit darüber besteht. Das kann ein bestimmtes Ereignis sein, aber auch ein grundlegender Zustand; viele Menschen hoffen auf lange Gesundheit oder finanzielle Absicherung.13 Das Prinzip Hoffnung, wie es die katholische Kirche zentral vertritt, kann aber auch unmittelbares Handeln oder Aufbegehren gegen Unrecht zurückhalten und ein Aufbegehren gegen unmenschliche Regime und Herrscher verhindern. Liebe bezeichnet eine Grundhaltung der Nächstenliebe, umfasst aber auch die Liebe zu allem, was exisitert, einschliesslich seiner selbst14.

Der Siebenzahl an Tugenden stehen sieben Hauptsünden gegenüber. Da sie Ursache und somit Wurzel von Sünden sind, werden sie gelegentlich auch als „Wurzelsünden“ bezeichnet.15

  • Superbia - Hochmut

  • Avaritia - Geiz

  • Luxuria - Genusssucht

  • Invidia - Neid

  • Gula - Völlerei

  • Ira - Zorn

  • Acedia – Trägheit

Zahlreiche Lieder wurden dazu komponiert: von Kurt Weill und Bertolt Brecht „Die sieben Todsünden der Kleinbürger“ über Simple Minds mit „7 Deadly Sins“ bis DJ Ötzi mit „Sieben Sünden“, welche mit den Wurzelsünden allerdings kaum noch Gemeinsamkeiten haben.

Gula von Hieronymus Bosch

Die Völlerei auf Hieronymus Boschs Tafel der sieben Todsünden (Quelle: Wikicommons)

Hochmut bezeichnet heute Arroganz und Einbildung. Dies ist nicht nur eine in westlichen Kulturen oft anzutreffende Haltung von Menschen, die glauben, etwas erreicht zu haben. Hochmut zeigt sich auch im Traum von der Weltbeherrschung, etwa wenn wir rund um den Globus fliegen oder Roboter bauen, die dem Menschen schon sehr ähnlich sind16. Beim Geiz geht es nicht nur um übertriebene Sparsamkeit, sondern in erster Linie um die Gier nach Geld und Besitz. Geiz ist die Ausnutzung jedes noch so geringen materiellen Vorteils und macht blind für Ungerechtigkeit. Die Genussucht verurteilt nicht den Genuss an sich, sondern eine Lebensweise, die ausser der Sinnesfreude nichts anderes gelten lässt. Die katholischen Lehre verurteilt jedoch auch den sexuellen Genuss, insbesondere die Onanie, denn die Geschlechtsorgane werden lediglich als Instrumente der Fortpflanzung anerkannt. Mit einer lernbaren Fähigkeit zum Genuss gehen wir jedoch bewusster mit Essen und Trinken um, lernen unseren Körper besser kennen und können Entspannung, Zufriedenheit und Musse erlangen. Das Wort Neid hatte früher eine weitere Bedeutung und umfasste auch Hass, Groll oder Feindseligkeit. Neid verursacht Erbstreitigkeiten und Fremdenfeindlichkeit und ist letztlich die Ursache von Kriegen. Neid ist ein wichtiger Konsummotor, der den Kauftrieb anheizt. Die Völlerei ist eine unbeherrschte Genussucht in Bezug auf Essen und Trinken. Dazu gehören nicht nur der gierige Konsum von Lebensmitteln, sondern auch die Abhängigkeit von Drogen, Alkohol und Nikotin. Auch das masslose Streben nach Luxus oder eine Fernseh- oder Spielesucht zählt in weiterem Sinne zur sündhaften Völlerei. Zorn ist nicht nur der Jähzorn, die plötzlich aufwallende Wut, sondern auch das langfristige Zürnen, das in Gewalt ausbricht. Trägheit ist zunächst ganz einfach Faulheit und Bequemlichkeit, aber auch Gefühlskälte, Desinteresse an Mitmenschen oder mangelnde Hilfsbereitschaft. Trägheit kann gefährlich werden, wenn sie zur Kritiklosigkeit gegenüber Manipulation und zu Mitläufertum führt.

Der klassische Tugend- und Sündenkatalog ist trotz des Sinneswandels mancher Begriffe nach wie vor aktuell. Der Mensch wird aufgerufen, sich seiner Grenzen und Verantwortung bewusst zu bleiben. Ein tugendhaftes Eremitendasein löst jedoch weder die Probleme der Welt noch jene der nächsten Umgebung. Verantwortung bedeutet daher auch zu handeln und ins Weltgeschehen einzugreifen, soweit dies möglich ist. Die Aufklärung und das Projekt der Moderne haben dazu viel beigetragen, dass wir tugendhafte Menschen werden können, ständig lauern aber auch neue Gefahren, die uns in den „Sündenpfuhl“ hinabziehen.

Das Projekt der Moderne

Theologie und Bibelkritik

Wer es sich mit ethischen Problemen leicht machen will, der beruft sich einfach darauf, wie es (angeblich) schon immer war. Er beruft sich also auf die Tradition und damit zumeist auf die jeweils vorherrschende Religion. Wer nichts anderes kennt, glaubt gern an die eigene Überlegenheit. Andere Menschen sind dann heidnische Wilde, Ungläubige, Ketzer oder vom Teufel besessene „Satansmenschen“, die es zu bekehren, wenn nicht zu massakrieren gilt. Heute jedoch haben die meisten westlichen Menschen freien Zugang zu Wissen über andere Kulturen, über die Geschichte ihrer eigenen Religion und über die Erkenntnisse, Methoden und Wahrheitsmassstäbe der Wissenschaft. Dogmatische oder fundamentalistische Deutungen heiliger Schriften, die alten Texten ihr komplettes Weltbild entnehmen wollen, erscheinen vor diesem Hintergrund absurd. Dennoch finden sie viele Anhänger –christliche wie muslimische oder andere. Wie kann das sein?

Wieso schrecken immer noch so viele vor dem Ruf der Aufklärung zurück: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ (Immanuel Kant)? Zum einen ist es unbequem, selber nachdenken zu müssen. Dazu kommt, dass man für das Ergebnis auch selbst die Verantwortung tragen muss. Dies betrifft nicht nur das eigene Verhalten, sondern auch das eigene Weltbild, also die eigene Art die Welt und sich selbst zu sehen und zu verstehen. Die sich daraus ergebende Freiheit kann Angst machen. Und dann wimmelt die Welt natürlich weiterhin von religiösen Rattenfängern, denen Bibel oder Koran gerade recht kommen, um Menschen für ihre finsteren Ziele einzuspannen. Dies ist freilich keine neue Erscheinung.

Im christlichen Abendland galt seit dem Mittelalter die Bibel als Gottes Wort und der Papst in Rom als Gottes Stellvertreter. Der Papst hatte somit die alleinige Deutungsmacht über biblische Wahrheiten. Der einfache Christenmensch sollte der päpstlichen Interpretation der heiligen Schrift als Wahrheit und Weisheit letzter Schluss gehorchen. Daraus abgeleitete Weisungen kamen von Papst, Kardinälen, Bischöfen usw. bis hinunter zum Pfarrer in seiner Dorfkirche. Der Klerus erlangte durch sein Monopol über die Verwaltung göttlicher Wahrheiten grosse Macht neben und oft sogar über Adel, Könige und Kaiser. Missbrauch kirchlicher Macht zwecks Bereicherung des Klerus und Ausbeutung der Gläubigen führten jedoch immer wieder zu Zweifeln. Aus diesen Zweifeln erwuchs der Wunsch, selbst nachzulesen was in der heiligen Schrift wirklich steht.

Gebildete Theologen wussten allerdings schon immer, dass Bibel und Papstamt Ergebnis einer historischen Entwicklung und auch keineswegs einzige Quellen der Weisheit waren. Spätestens seit der Eroberung Spaniens durch den Islam gelangten antike Klassiker, allen voran Aristoteles, als vereinzelte Übersetzungen vom Arabischen ins Latein in die Hände christlicher Gelehrter. Die Beschäftigung mit den alten Heiden, deren Erkenntnisse von der Bibel abwichen, war jedoch gefährlich: Vorwürfe von Ketzerei und Hexerei und damit der Geruch des Scheiterhaufens lagen dabei oft in der Luft. Das galt jedoch auch für das Studium der Bibel. Eine einheitlich gültige Bibelübersetzung ins Lateinische vom Ende des 4. Jahrhunderts, die „Vulgata“, setzte sich erst langsam im 8. Jahrhundert durch. In einer Zeit, in der ohnehin nur wenige Lesen konnten, war der lateinischer Text nur Theologen zugänglich. Wer der päpstlichen Macht unliebsame Bibeldeutungen versuchte, galt schnell als Ketzer und wurde mit dem Feuertod bedroht.

Im 12. Jahrhundert hatten die kirchenkritischen Massenbewegungen der Katharer und der Waldenser eigene Übersetzungen auf Grundlage der Vulgata verbreitet –allerdings nur langsam, denn der Buchdruck liess noch 300 Jahre auf sich warten. 1199 schritt Papst Innozenz III. zu einer verstärkten Kontrolle der Bibelrezeption und verbot die Lektüre der Bibel ohne klerikale Kontrolle. Laien wurde der Besitz von Bibelübersetzungen in „die Volkssprache“, also die jeweilige Umgangssprache, untersagt. 1383 fertigte dessen ungeachtet John Wyclif eine Bibelübersetzung der Vulgata ins Englische an und seine Anhänger, die Lollarden, übernahmen Zweifel an vielen katholischen Praktiken. Sie wurden zu Ketzern erklärt und ausgerottet, einige flohen jedoch nach Böhmen. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts übersetzte der böhmische Theologe Jan Hus, Rektor der Prager Universität, die Bibel. Aus ihr entwickelte sich bald die so genannte Hussitenbibel, eine ungarische Übersetzung, die im Fürstentum Moldau weit verbreitet war. Katharer, Waldenser, Lollarden, Hussiten und andere Gruppen wurden von der Kirche mit Heeren des Adels bekriegt, verfolgt und verbrannt, so sie nicht ihrem neuen Glauben abschwören wollten.

Vom Humanismus zur Aufklärung

Erst mit den Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin gelang im 16. Jahrhundert die dauerhafte Durchsetzung eines erneuerten und von Rom abgelösten Christentums. Dafür bedurfte es einer Reihe günstiger historischer Umstände, welche die Kirche schwächten. Im Jahr 1453 hatte Mehmet, der Eroberer, Konstantinopel eingenommen. Die grösste Festungsstadt der bekannten Welt hatte dem Vormarsch des Islam fast ein Jahrtausend getrotzt. Europa war nun endgültig vom zivilisatorischen Zentrum der damaligen Welt, Indien, abgeschnitten. So erklärt sich die verzweifelte Suche nach einem Seeweg nach Indien, die zur Entdeckung Amerikas (und später zur Seeherrschaft der Europäer) führte. Dies brachte das kirchliche Weltbild ins Wanken. Zudem waren aus Konstantinopel zahlreiche griechische Gelehrte geflohen, die antike Klassiker nach Norditalien brachten und dort die Renaissance beflügelten. Als Luther Anfang des 16. Jahrhunderts Rom besuchte, hatten die Medici-Päpste eine recht weltliche Herrschaft eingerichtet, gar den Petersdom abgerissen und waren dabei, ihn durch einen zeitgemässen Prachtbau zu ersetzen. Michelangelo und Leonardo entfalteten Kunst und Wissenschaft, in Rotterdam legte Erasmus eine humanistische Bibeldeutung vor, die sich zunächst nur gemässigte Kritik an der Kirche erlaubte. Luther ging dies nicht weit genug.

Um Ablasshandel und päpstliche Dekadenz zu bekämpfen, griff Luther zur Buchdruckkunst und konnte Landesfürsten gegen den Kaiser ausspielen, um politischer Verfolgung zu entgehen. Das Kaisertum war zudem durch französisch-habsburgische Rivalitäten sowie den Vormarsch der Osmanen auf dem Balkan geschwächt. Im noch randständigen England löste Heinrich VIII. seine Anglikanische Kirche von Rom, in Dänemark bekehrte sich Christian II. zum Protestanten. In deutschen Landen probten Bauern und der niedere Adel den Aufstand. Diese schwierige politische Gemengelage liess Rom die Kontrolle verlieren und bereitete der Reformation den Weg. Zur vorläufigen Befriedung der Konfessionen bedurfte es freilich noch des bis dahin schlimmsten europäischen, des Dreissigjährigen Krieges (1608-38).

Ab dem 17. Jahrhundert begann die Frühaufklärung, namentlich mit Thomas Hobbes‘ Leviathan (1651), dessen Entstehung in die Zeit der Englischen Revolution fällt. Schon im Humanismus bereitete sich also der Reformation der Boden, auf dem später der Kampf zwischen Kirche, Reformation und Aufklärung ausgefochten werden sollte, und der später im staatsphilosophischen Denken Hobbes‘ zur Wurzel unserer westlichen demokratischen Staatswesen werden sollte. Thomas Hobbes‘ (1588-1679) Ideen über Macht, Gewalt und Gesetz waren für die Rechts- und Staatsphilosophie der Neuzeit von fundamentaler Bedeutung. Die Entwicklung der westlichen Demokratien wäre ohne seine Überlegungen zur Freiheit und Unfreiheit des Individuums, zu seinem Verhältnis zur Macht und zum Staat, kaum denkbar gewesen.

Thomas Hobbes als Wegbereiter der Moderne

Hobbes‘ monumentales Werk Leviathan gilt auch als eine der ersten Schriften der modernen Philosophie überhaupt, die das Denken des Philosophen bis heute zu einem Meilenstein der Geistesgeschichte macht. Hintergrund war die Herrschaft Cromwells. Die in unseren Geschichtsbüchern allzu schnell als Bürgerkrieg und Militärdiktatur abgehandelte Periode der englischen Geschichte stellt ein erstes demokratisches Experiment im Vorfeld der Frühmoderne dar. Eine bedeutsame Rolle spielte dabei auch die Religion, da aus dem presbyritanischen System demokratischer Gemeindeverwaltung bei den radikalen Puritanern die Londoner Frühdemokratie ihre Ideen bezogen haben mag. Die Anglikanische Kirche, die konservativ zum König hielt, sich aber durch dessen Neigungen zu Rom in ihrer Eigenständigkeit bedroht sah, spielt eine wichtige Vermittlerrolle –nicht zuletzt durch ihren Einsatz für protestantische Flüchtlinge der Glaubenskriege Kontinentaleuropas. Deren aufrührerischer Geist könnte auch die Revolution Cromwells beflügelt haben, die Karl I. den Kopf kostete. Gerade der französische Protestantismus brachte Monarchomachen (Königsmörder) hervor, die Ende des 16. Jahrhunderts unter Berufung auf Volksrechte und Bibel erbittert gegen den aufkommenden Absolutismus kämpften. Sie waren für ein Widerstandsrecht der Stände, wie es auch die Magna Charta von 1215 in England festschrieb und für die Absetzbarkeit des Königs. Sie setzten gegen die herrschende Doktrin vom Gottesgnadentum des Fürsten auf die Lehre vom gerechten Tyrannenmord.17

Auch wenn die Reformation die Aufklärung geistig vorbereitete, heisst dies jedoch nicht, dass aufklärerische Philosophen unter reformierten Kirchenregimen freie Hand hatten. Sie waren stets vom Vorwurf der Ketzerei und damit vom Feuertod bedroht. Die Tatsache, dass Hobbes dennoch seine Lehren entwickeln und sie sogar noch zu Lebzeiten publizieren konnte, deutet immerhin auf besondere Umstände im Bereich der englischen Staatskirche hin. Hundert Jahre zuvor noch hatte Nikolaus Koppernigk in Preussen auf die Publikation seines 1507 fertiggestellten Werkes „Kreisbewegungen der Himmelskörper“ wohlweislich verzichtet und sie erst nach seinem Tode 1543 gestattet –und damit die Kopernikanische Wende im europäischen Denken ausgelöst.

Derweil also unter Cromwell in London erstmals ein (freilich noch nicht demokratisch gewähltes) Parlament den amtierenden König köpfen liess, forderte Hobbes eigene Rechte für den Staatsbürger ein. In seiner Staatsphilosophie kann sich der Monarch nicht mehr auf Gottesgnadentum berufen. Seine absolute Vormachtstellung sei vielmehr rational begründet. Da der Mensch des Menschen Wolf sei, müsse man seine aus Freiheit resultierende Grausamkeit durch eine noch grausamere Macht kontrollieren. Wenn alle Macht einem Diktator übertragen werde, könne dieser die Bürger voreinander schützen, so Hobbes. Dies klingt zunächst nicht wirklich nach einer Verbesserung der zuvor herrschenden aristokratischen Tyrannei. Der springende Punkt ist dabei jedoch, dass die herrschende Macht sich überhaupt rational rechtfertigen muss. Rationale Argumente können überdacht, kritisiert und weiterentwickelt werden – was im 18. Jahrhundert zur amerikanischen und französischen Revolution führte. Letztere wurde zwar zunächst von den alten Mächten niedergekämpft, doch ihre Ideen setzten sich bis zum 20. Jahrhundert mit der Erklärung der Menschenrechte durch Europa und die UNO endgültig durch. In der politischen Praxis sorgen heute vor allem die ethischen Schulen der Utilitaristen und der Pflichtethiker für die Berücksichtigung moralischer Fragen. Die Pflichtethiker kämpfen in Nachfolge von Kant für Freiheit und Menschenwürde. Die Utilitaristen (auch Nutzen- oder Glücksethiker) befruchten mit ihrem Menschenbild des Homo Ökonomikus vorwiegend Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft.

Ethik, Freiheit und Gesetz

Die Aufklärung und das Projekt der Moderne haben mehr getan als dem Menschen nur zu helfen, ein tugendhafteres Leben zu führen. In gewisser Weise könnte man sagen, sie haben einen neuen, den modernen Menschen, erst entstehen lassen: Einen Menschen, der über für damalige Zeiten ungeheuerliche, für den Erwachsenen von heute aber zumeist völlig selbstverständliche Freiheiten verfügt.

Es geht dabei um Freiheiten sowohl der äusseren wie auch der inneren Lebensführung, Freiheiten des Glaubens, des Fühlens, Denkens und Handelns. Die meisten dieser Freiheiten mussten gegen diverse geistliche und weltliche Obrigkeiten mühsam erkämpft werden. Am Anfang dieses langen, blutigen Kampfes stand die Forderung des Individuums, überhaupt irgendwelche Rechte gegenüber der Obrigkeit zu haben, am Ende stehen unsere heutigen Menschenrechte –als internationale Verträge festgelegt und in den Verfassungen und Rechtssystemen der meisten Länder mehr oder weniger gut verankert.

Unser Begriff der Freiheitsrechte beinhaltet gemäss dem Ideal der Gleichheit, dass jedem Menschen ohne Ansehen der Person die Grundfreiheiten zu gewähren sind. Er beinhaltet jedoch auch die Annahme, dass jeder dafür zunächst in einem Prozess der Entfaltung und Erziehung bestimmte charakterliche Voraussetzungen entwickeln muss. Welche dies genau sind und wie man feststellen kann, ob ein Mensch sie erreicht hat, bleibt jedoch weitgehend unbestimmt.

Gemäss dem Prinzip der Gleichheit werden jedem in einem abgestuften System mit fortschreitendem Alter immer mehr Freiheiten gewährt, wobei der grosse Einschnitt die Volljährigkeit mit 18 ist. Die Freiheiten dürfen jemandem nur dann wieder entzogen werden, wenn er sich ihrer durch Verletzung der Gesetze als unwürdig erweist. Dabei tritt ein differenziertes Bewertungs- und Bestrafungssystem in Aktion, dass eine gerechte Beurteilung sicherstellen soll. Dies geschieht unter dem wachsamen Blick der Öffentlichkeit aller freien Bürger, damit diese die Schutz- und Machtfunktion des Staates über ihre Freiheiten kontrollieren und gegebenenfalls politisch eingreifen können. In seltenen Fällen können Freiheitsrechte ferner eingeschränkt werden, wenn jemandes Geisteszustand nach ärztlichem Urteil ihn zur Gefahr für sich oder andere werden lässt.

Ob jeder mit 18 wirklich schon die nötige moralische Reife für alle damit verbundenen Freiheiten hat, darf natürlich bezweifelt werden. Unfallstatistiken weisen beispielsweise daraufhin, dass jüngere Fahrer eher dazu neigen, am Lenkrad Geschwindigkeitsrausch, Aggression und Geltungsdrang freien Lauf zu lassen. Letztlich spielt neben der rein altersmässigen Reife auch die genossene Erziehung und damit das soziale und kulturelle Umfeld eine grosse Rolle. Generationen von Pädagogen und Psychologen haben sich mit dem Problem befasst und man geht heute von drei Hauptphasen der individuellen Moralentwicklung aus.

Die erste ist die präkonventionelle Ebene, das Niveau des Kleinkindes. Auf diesem Niveau der moralischen Entwicklung steht allein die physische Behaglichkeit im Vordergrund. Dabei entsteht eine wachsende Einsicht in gegenseitig nützlichen Austausch, sobald das Vorhandensein von Bedürfnissen anderer Personen ins kindliche Bewusstsein dringt. Gerechtigkeit wird bereits ein relevanter Begriff, aber nur im Rahmen eines direkten Austausches von Hilfsleistungen und Dingen. Moralisches Denken in „Gut“ und „Böse“ erschöpft sich dabei noch im Ergattern von Belohnungen und im Vermeiden von Strafen. In der Religion steht auf diesem Niveau etwa die schlichte Drohung mit der Hölle und das Versprechen eines Paradieses im Jenseits oder Karma-Provisionen für das nächste Leben. Eine typische moralische Aussage wäre hier: „Das ist verboten!“

Die zweite ist die konventionelle Ebene, das Niveau des gut sozialisierten Kindes und Jugendlichen. Die Anerkennung von Werten dient nicht mehr allein egoistischen Zwecken, die Werte werden vielmehr verinnerlicht. Die Regeln der sozialen Ordnung werden nun befolgt, um soziale Anerkennung zu erhalten, also um Loyalität zu zeigen. Zunächst gilt diese Loyalität vor allem Eltern, Lehrern oder anderen Autoritäten, später vor allem der „peer group“ der Klasse oder Clique. Das Kind versucht, den Erwartungen anderer, dem zugewiesenen Rollenverhalten zu entsprechen. Was Gut und Recht ist, bestimmt die Autorität von Mama, Papa oder Lehrer oder die Mehrheit der peer group, die sich im späteren Leben auf Dorf, Volk, Christenheit oder sonstige Grossgruppe ausweiten kann. Menschen dieser Entwicklungsstufe tun ihr Leben lang, was „man“ eben tut, ohne gross selbst darüber nachzudenken. Abgesehen von gelegentlichen Rückfällen in den Egoismus der ersten Ebene folgen sie Autoritäten, weshalb man auch vom „autoritären Charakter“ spricht. Die Konventionellen sind also sehr leicht manipulierbar und entsprechend beliebt bei der Obrigkeit, vor allem, wenn diese Übles vor hat, etwa im Faschismus. In der Religion steht auf dieser Stufe das brave Einfügen in die Gemeinde, die Rituale und Sitten, auch die Orientierung an idealisierten Vorbildern wie Heiligen, Märtyrern oder Propheten. Eine typische moralische Aussage wäre hier: „Das tut man nicht!“

Zuletzt kann man die dritte, die postkonventionelle Ebene erreichen, das Niveau des voll entfalteten Erwachsenen. Moralische Werte und Prinzipien werden hier aufgrund eigener Einsicht und losgelöst von der Meinung der Autoritäten bzw. der Gruppe entfaltet. Man spricht daher auch von moralischer Autonomie aufgrund moralischer Prinzipien. Man wählt selbst ethische Prinzipien nach denen man dann aufgrund einer persönlichen Verpflichtung handelt, gegebenenfalls auch gegen die Obrigkeit, gegen die herrschende Meinung und gegen die eigene Nahgruppe. Im Grunde sind es allgemein gültige Prinzipien der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Achtung vor der Würde des Menschen, die hier handlungsleitend werden. Die Begründung kann über die Menschenrechte oder andere, etwa religiöse Einsichten erfolgen, sofern sie eigener Reflexion und nicht der Gefolgschaft zur Autorität einer Kirche oder eines Dogmas entspringt. Man spricht auch vom Vernunftstandpunkt der Moral, wobei nicht nur der Kopf sondern auch das Herz die nötige Bildung aufweisen muss. Nur bei wohlwollender Umgebung, sorgender, kluger Erziehung und schliesslich ausreichendem eigenem Willen zur Bildung kann dieses Ziel erreicht werden. In der Religion bedeutet dieses Niveau die ernsthafte Reflexion eigener Glaubens- und Wertvorstellungen, spirituelle Erfahrungen der Transzendenz blosser individueller Glücksgefühle und Gefühle der Nächstenliebe. Eine typische moralische Aussage wäre hier: „Das ist unmenschlich und unmoralisch, weil...“

Das Rebellieren gegen vorgegebene Konventionen ist Teil unserer Kultur spätestens seit der Aufklärung. Die meisten Jugendlichen vollziehen dies in ihrer Entwicklung nach, wobei die Versuchung gross ist, zunächst einmal eigene Bedürfnisse an die erste Stelle zu setzen, wie das Kleinkind vor der Internalisierung der elterlichen Normen. Die Entwicklung der Erkenntnis, dass Freiheit nicht nur Freiheit von äusseren Regeln, sondern auch von ungezügelten inneren Leidenschaften ist, kostet Eltern und Lehrer meist eine Menge Geduld und Nerven. Die Regeln und Denkweisen in Familie und Gesellschaft geraten so unter ständigen Druck nachwachsender Generationen, müssen sich rechtfertigen und weiterentwickeln. Vielleicht liegt hier ein Grund für die grössere Dynamik im geistigen, sozialen und wissenschaftlich-technischen Bereich, die der Westen seit der Aufklärung entfaltete.

Die Freiheit des Einzelnen als grossen Wert in den Mittelpunkt zu rücken, bedeutet, ihn von äusseren Zwängen zu befreien. „Freiheitsberaubung“ ist heute im Strafgesetzbuch (neben Entführung, Geiselnahme etc.) eine „Straftat gegen die persönliche Freiheit“, die durch freiheitseinschränkende Mittel der List, Drohung oder Gewalt begangen werden kann. Früher galt es als das gute Recht der Obrigkeit, ihren Untertanen die herrschenden Regeln einzuprügeln, aufzuzwingen oder listig aufzuschwatzen. Im weitesten Sinne bedeutet Erziehung heute auch, den Heranwachsenden gegen derartige Manipulationen zu immunisieren.

In einer Umgebung, die den mündigen Erwachsenen im Sinne eines selbstständig moralisch Urteilenden als Idealbild hat, neigen natürlich auch konventionelle Charaktere dazu, sich so zu definieren. Die rollenhafte Übernahme entsprechender Haltungen ist sogar zunächst der erste Schritt zu ihrer Integration in die Persönlichkeit auf postkonventioneller Ebene. Selbst präkonventionelle Charaktere versuchen zuweilen, sich nach aussen so darzustellen als folgten sie einer konventionellen oder sogar mündigen Moral, wenn ihnen dies Vorteile verspricht. Der postkonventionelle Charakter wird aber moralisches Verhalten auch zeigen, wenn er keinen Vorteil davon erwarten oder sogar Nachteile dafür befürchten muss. Und er wird seinen selbst gewonnenen Moralurteilen auch dann folgen, wenn sie nicht mit dem übereinstimmen, was „man tun sollte“. Menschen in Umbruchsituationen sortieren mitunter ihre Werte gerne neu und reifen mit ihren kleinen und grossen Krisen.

Ein Rückfall auf niedrigere Ebenen ist natürlich sehr leicht möglich und kommt bei den meisten Menschen gelegentlich vor, sofern sie keine Heiligen sind. Der konventionelle Typ empfindet dabei Schuldgefühle, wenn er mit Gesetzen und Normen seiner Umgebung in Konflikt gerät, der Postkonventionelle, wenn er seinen selbst gewonnenen Moralurteilen nicht genügt. Für Präkonventionelle besteht das Problem nur darin, einer Bestrafung zu entgehen. Sie bleiben in moralischer Hinsicht Kinder, die jedoch mit den physischen und oft auch geistigen Fähigkeiten von Erwachsenen gefährliche, sozialschädliche Aktivitäten entfalten. Extrem präkonventionelle Erwachsene, denen jede Einsicht in soziale Verantwortung und selbst jedes Mitgefühl für andere fehlt, bezeichnet man als Psychopathen. In wettbewerbs- und konkurrenzorientierten Umgebungen gelangen sie oft an die Spitze der Machtpyramide. Teils gelingt ihnen dies, weil sie unlautere bis kriminelle Mittel einsetzen, teils weil sie anderen Hilfe verweigern, überhaupt Liebes- und Freundschaftsbeziehungen vermeiden –es sei denn, diese sind karriereförderlich. Die moderne Wirtschaftspsychologie fand beispielsweise unter Top-Managern weit überdurchschnittlich starke Tendenzen zur Psychopathie.

Präkonventionelle Charaktere, denen es gelungen ist mit einigen Untaten davonzukommen, neigen gelegentlich dazu, auf alle anderen herabzublicken. Sie können sich nicht vorstellen, dass viele der von ihnen gern als „Gutmenschen“ verhöhnten anderen nicht moralisch handeln, um als „gute Menschen“ dazustehen, sondern aus Einsicht und Mitgefühl. Für Präkonventionelle zählt nur, „dass man sich nicht erwischen lässt“. Um sie von schlimmeren sozialschädlichen Untaten abzuhalten brauchen wir Gesetze und eine Justiz, die sie wirksam durchsetzt. Gesetze markieren also das „ethische Existenzminimum“ der Gesellschaft. Wo dieses liegt, wie und wer seine Einhaltung überwachen und wessen Freiheiten man dafür einschränken darf, ist politisch höchst umstritten.

Menschen haben Rechte

Als Menschenrechte18 werden subjektive Rechte bezeichnet, die jedem Menschen gleichermassen zustehen. Das Konzept der Menschenrechte geht davon aus, dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet und dass diese egalitär begründeten Rechte universell, unveräusserlich und unteilbar sind. Die Idee der Menschenrechte ist eng verbunden mit dem Humanismus und der im Zeitalter der Aufklärung entwickelten Idee des Naturrechts.

Das Bestehen von Menschenrechten wird heute von fast allen Staaten prinzipiell anerkannt. Durch die Formulierung von Grundrechten in Verfassungen und internationalen Abkommen werden die Menschenrechte als einklagbare Rechte ausgestaltet. Allen einzeln genannten Menschenrechten übergeordnet ist das Prinzip der Gleichberechtigung, das durch Massnahmen der Gleichstellung umgesetzt wird. Ergänzend zum Grundsatz der Universalität der Menschenrechte wird auch der Anspruch ihrer Unteilbarkeit erhoben. Menschenrechte müssen demnach stets in ihrer Gesamtheit verwirklicht sein. Eine Umsetzung von Freiheitsrechten ist nicht möglich, wenn nicht gleichzeitig das Recht auf Nahrung verwirklicht ist. Umgekehrt geht die Verletzung wirtschaftlicher oder kultureller Rechte, etwa Zwangsvertreibung, Verbot von Sprachen oder Entzug von Lebensgrundlagen, in der Regel auch mit der Verletzung bürgerlicher und politischer Rechte einher.

Die international massgebliche Quelle für den Bestand und Gehalt der Menschenrechte ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948 der Vereinten Nationen, bei der es sich jedoch nur um eine von der UN-Generalversammlun verabschiedete Erklärung handelt, die nicht unmittelbar für die Mitgliedstaaten bindend ist. Die zentralen Menschenrechtsinstrumente sind festgehalten im Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte, sowie im Internationalen Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte. Beide Pakte wurden 1966 von der UN-Generalversammlung verabschiedet und traten zehn Jahre später in Kraft, nachdem sie von der geforderten Anzahl von Mitgliedstaaten ratifiziert wurden. Sie sind für alle Mitgliedstaaten, die sie ratifiziert haben, bindendes Recht.

Konventionen und regionale Menschenrechtsabkommen regeln verschiedene Lebensbereiche. In Europa ist dies die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Sie enthält einen Katalog von Grundrechten und Menschenrechten. Die Konvention wurde im Rahmen des Europarats ausgehandelt, am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet und trat am 3. Juli 1953 in Kraft. Auch Afrika, der amerikanische Doppelkontinent und Asien verfügen über jeweils eigene regionale Menschenrechtsabkommen.

Konventionen zum Schutz einzelner Menschenrechte

Die sogenannten Limburger Prinzipien, die 1986 von einer Gruppe von Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen erarbeitet wurden, sehen für jedes Menschenrecht drei Arten von Verpflichtungen vor, denen ein Staat nachzukommen hat. Mit der Respektierungspflicht ist der Staat verpflichtet, Verletzungen der Rechte zu unterlassen, in der Schutzpflicht hat der Staat Rechte vor Übergriffen von Seiten Dritter zu schützen und bei der Gewährleistungspflicht hat der Staat für die volle Verwirklichung der Menschenrechte Sorge zu tragen, wo dies noch nicht gegeben ist. Das Verständnis der Menschenrechte als reine Abwehrrechte erfasst lediglich die erste dieser drei Pflichten. Innerhalb des Menschenrechtssystems der Vereinten Nationen kann jedoch das umfassendere Menschenrechtsverständnis, das aus den Limburger Prinzipien hervorgeht, mittlerweile als anerkannt gelten.

Generell ist anzumerken, dass die europäische Tradition die bürgerlichen und politischen Rechte oftmals als einzig „echte“ Rechte begreift, wohingegen in Ländern, in denen Hunger oder Vertreibung oder Zugang zu Wasser brennende Probleme darstellen, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte mehr Aufmerksamkeit erfahren. So blendet etwa die Europäische Menschenrechtskonvention diesen Bereich vollständig aus, während er in der Menschenrechtscharta der Organisation für Afrikanische Einheit eine zentrale Rolle spielt.

Bürgerliche und politische Rechte

Persönlichkeitsrechte (grundlegende Rechte)

Freiheitsrechte

Justizielle Menschenrechte

Soziale Menschenrechte

Zu den im Internationalen Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte festgelegten Rechtsnormen gehören u. a.:

Die verschiedenen Menschenrechte sind die Grundlage für unsere Gesetze und Entscheidungen von Höchstgerichten. Trotz oder gerade wegen der universellen Anerkennung der Menschenrechte gibt es daran auch Kritik: Wer Familien, Wohnungen und Schulen fördere, der bekämpfe Kulturen, die keine Familien, Wohnungen und Schul(gebäude) aufwiesen. Die Einlösung der Menschenrechte begünstigt die Rechtlosigkeit von Tieren, Pflanzen und Natur, das Ideal der Familie, das Eigentum, die Sesshaftigkeit, die Ordnung und Autorität, die Indoktrination der eigenen Ideale, die Schule, die Wahlen, die Allgegenwart von Medien Strafen und Gefängnissen, Wirtschaftswachstum sowie Fortschritt und Wissenschaft.19

Der Ethos aller Religionen

Das Projekt Weltethos ist ein Versuch, die Gemeinsamkeiten der Weltreligionen zu beschreiben und ein knappes Regelwerk aus den Grundforderungen aufzustellen, welche von allen akzeptiert werden. Der Initiator des Projekts ist der katholische Theologe Hans Küng: „Diese eine Welt braucht ein Ethos; diese eine Weltgesellschaft braucht keine Einheitsreligion und Einheitsideologie, wohl aber einige verbindende und verbindliche Normen, Werte, Ideale und Ziele.“

Das Projekt Weltethos fordert Frieden auf Erden sowie den Dialog zwischen den Religionen und den Kulturen. Aus den Grundsätzen aller Religionen "Du sollst nicht töten, stehlen, lügen und Unzucht treiben" wurden 1993 vier Weisungen formuliert.

  • Verpflichtung auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem Leben
  • Verpflichtung auf eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung
  • Verpflichtung auf eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit
  • Verpflichtung auf eine Kultur der Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau

Weisungen für alle Religionen 

Am Projekt Weltethos wird bemängelt, dass die Grundlagen für dieses gemeinsame Ethos zu sehr westlichen Denkweisen entsprängen und somit die Inhalte anderer Religionen nicht genug berücksichtigten. Es wendet sich lediglich an die (grossen) Religionen der Welt und nicht an Menschen, die Religion fernstehen oder nicht religiös oder etwa homosexuell orientiert sind.

Das Projekt Weltethos wird von einer Stiftung mit Sitz in Tübingen betreut. Bereits vor der Weltwirtschaftskrise von 2008 begann die Stiftung mit einer Expertengruppe Grundlinien einer ethischen Wirtschaftsweise zu entwickeln. Das Ergebnis dieser Überlegungen wurde 2009 bei den Vereinten Nationen in New York vorgestellt. Das Manifest »Globales Wirtschaftsethos« orientiert sich an der Weltethos-Erklärung von Chicago und überträgt deren ethische Leitgedanken auf den Wirtschaftsbereich.19a  Darin sind Werte wie Humanität, wechselseitige Verantwortlichkeit, Recht, Gerchtigkeit, Solidarität, Fairness, Toleranz und Achtung von allen Akteuren sowie Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit als Werte, ohne die Wirtschaftsbeziehungen nicht gedeihen können, enthalten.

Gandhis zehn Weisheiten

Mahatma Gandhi spinnt GarnMahatma Gandhi war ein indischer Rechtsanwalt und politischer sowie geistiger Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, die 1947 mit dem von ihm entwickelten Konzept des gewaltfreien Widerstandes das Ende der britischen Kolonialherrschaft über Indien herbeiführte. Sein Konzept des beharrlichen Festhalten an der Wahrheit beinhaltet neben Gewaltlosigkeit noch weitere ethische Forderungen wie individuelle als auch politische Selbstkontrolle und Selbstbestimmung.

Gandhi wurde später heftig kritisiert, als er empfahl, den Greueltaten der Nazis mit gewaltlosem Widerstand zu begegnen. Martin Buber etwa warf ihm  Unwissenheit bezüglich der Bedingungen in deutschen Konzentrationslagern und der Grausamkeit der Nationalsozialisten vor und zeigte sich tief enttäuscht, dass ein „Mann des guten Willens“, den er schätze und verehre, so undifferenziert über jene urteile, die er anspreche.

Anlässlich des 140. Geburtstag von Mahatma Gandhi stellte der Autor des beliebten Blogs „Schall und Rauch“ zehn Sätze Gandhis zusammen und interpretierte diese neu20, was hier verkürzt wiedergegeben wird. Auf dem Bild spinnt Gandhi mit 72 Jahren noch Garn.

Verändere dich selbst

„Du musst die Veränderung sein die du in der Welt sehen willst.“

 “Als Menschen liegt unsere Grösse nicht in dem wie wir die Welt erneuern können, das ist ein Mythos des Atomzeitalters, sondern in dem wir uns selber erneuern.“

Wenn man sich selbst verändert dann verändert man die Welt. Wenn du dein Denken veränderst, dann veränderst du wie du reagierst und wie du handelst. So wird sich auch die Welt um dich herum verändern. Nicht nur weil du die Umwelt mit anderen Augen ansiehst, sondern weil die Veränderung dir ermöglicht, Handlungen zu vollbringen die vorher nicht möglich waren, oder an die du nie gedacht hast, solange du in dem alten Verhaltensmuster steckst.

Ein Ortswechsel um einem Problem zu entgehen wird dir nichts bringen, da die Probleme in dir mit dir gehen. Verändere dich selber zuerst, behebe deine charakterlichen Schwächen. Wenn du nicht willst, dass die Menschen egoistisch sind, dann sei selber kein Egoist, wenn du Grosszügigkeit verlangst, dann sei selber grosszügig, wenn du Toleranz erwartest dann sei selber tolerant.

Du hast die Kontrolle

“Niemand kann dir wehtun ohne deiner Zustimmung.”

 Was du fühlst und wie du reagierst liegt immer an dir. Es gibt wohl die „übliche“ Art zu reagieren, aber du kannst deine eigenen Gedanken, Reaktionen und Emotionen aussuchen. Man muss nicht negativ handeln, auch wenn es manchmal verständlich ist und spontan passiert. Niemand ausserhalb kann kontrollieren wie du fühlst und deshalb kannst du deine Gedanken zum Positiven wenden. Damit wird das Leben viel leichter und besser für dich.

Verzeihe und vergesse

“Die schwachen können nie verzeihen. Die Verzeihung ist ein Attribut der Starken.“

 „Auge um Auge führt nur zur Erblindung der ganzen Welt.“

 In dem man das Übel mit Übel bekämpft wird niemanden geholfen. Realisiere, dass die Vergebung und das Loslassen der Vergangenheit dir und der Welt mehr Gutes tut. Sich mit schlechter Erfahrung zu belasten hilft dir nicht weiter. Dadurch erfährt man nur mehr Leid und man behindert sich selber das richtige im Jetzt zu tun.

 In dem man nicht vergibt, lässt man die Vergangenheit und Personen die dich verletzt haben deine Gefühle kontrollieren. In dem man vergibt befreit man sich von diesen Fesseln und man kann sich völlig auf das Neue und zum Beispiel auf den nächsten Punkt konzentrieren.

Wenn man nicht handelt kommt man nirgends wo hin

“Ein Gramm Handeln ist mehr wert als eine Tonne der Predigt.“

Ohne zu handeln wird sich wenig ändern. Nur handeln bedeutet innere Überwindung und ist schwer. Deshalb gehen die Menschen lieber her und predigen, wie Gandhi sagt, oder sie lesen und studieren nur, meinen damit kommt man vorwärts. Aber dadurch ändert sich nichts in der Realität. Deshalb, wenn man etwas erreichen will, sich selber und die Welt verbessern will, muss man handeln. Wissen alleine genügt nicht, man muss was tun und das Wissen in Aktionen umwandeln.

Lebe in diesen Augenblick

„Ich will die Zukunft nicht voraussehen. Ich bin damit beschäftigt die Gegenwart zu bewältigen. Gott hat mir keine Kontrolle über den nächsten Moment gegeben.“

Der beste Weg den inneren Widerstand zu überwinden welches uns oft von Handlungen abbringt ist in der Gegenwart zu bleiben und sie zu akzeptieren. Es macht keine Sinn sich über die nächsten Momente zu sorgen die man nicht kontrollieren kann. In dem man sich die negativen Konsequenzen der Zukunft vorstellt, die wiederum auf vergangenes Versagen beruhen, verliert man die Kraft zu handeln. Deshalb ist es leichter wenn man sich auf den Augenblick konzentriert und dort sein bestes gibt.

Jeder ist ein Mensch

“Ich behaupte ein einfaches Individuum zu sein und Fehler zu machen wie jeder andere Sterbliche auch. Ich habe genug Bescheidenheit um meine Fehler zuzugeben und meine Schritte zu überdenken.“

„Es ist nicht weise zu sicher über seine eigene Weisheit zu sein. Es ist gesund daran erinnert zu werden, dass die Starken schwach werden und die Weisen sich irren.“

Es ist wichtig, immer daran zu denken, jeder ist nur ein Mensch, egal wer er ist. Man darf aus Menschen keinen Mythos machen, auch wenn sie aussergewöhnliches geschaffen haben. Dadurch fühlt man sich klein und meint nie etwas ähnliches erreichen zu können. Wir sind alle nur Menschen die durchaus Fehler machen. Andere an zu hohen Massstäben bewerten wird nur unnötige Konflikte in einem selber auslösen. Sich selber über eigene begangene Fehler zu bestrafen ist auch nutzlos. Stattdessen soll man in Klarheit sehen was man falsch gemacht hat und von seinen Fehlern lernen und es wieder versuchen.

Sei beharrlich

“Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, dann gewinnst du.”

Sei beharrlich. Mit der Zeit wird die Opposition um dich verschwinden. Aber auch der innere Widerstand und die Tendenz der Selbstbehinderung, die einen zurückhalten und dort bleiben lassen wo man ist, werden schwächer werden. Finde heraus was du wirklich am liebsten machst, dann findet man auch die Motivation immer weiter zu gehen.

Einer der Gründe warum Gandhi mit seiner Methode der Gewaltlosigkeit so erfolgreich war, weil er und seine Anhänger so beharrlich waren. Sie haben nie aufgegeben.

Erfolg oder Sieg wird selten so schnell passieren wie man es sich wünscht. Der Grund warum viele Menschen nicht das erreichen was sie wollen ist einfach deshalb weil sie zu früh aufgeben. Die Zeit die sie meinen notwendig ist um das Ziel zu erreichen ist meistens geringer als in der Wirklichkeit. Dieser falsche Glaube kommt aus der Welt in der wir leben, in der uns erzählt wird es gibt die schnelle Lösung, die Wunderpille für alles, einfach schlucken und sofort ist die gewünschte Wirkung da. Diese Einstellung ist der Grund für viele Probleme. Nur durch Beharrlichkeit und Geduld erreicht man Resultate und mit einer guten Portion Humor wird man auch die grössten Hindernisse überwinden und schwersten Zeiten überstehen.

Sieh das Gute in den Menschen und hilf ihnen

“Ich suche nur die guten Qualitäten in Menschen. Da ich selber nicht fehlerlos bin suche ich nicht die Fehler bei anderen.“

“Der Mensch wird grossartig in dem Masse wie er für das Wohlergehen seiner Mitmenschen agiert.”

Ich meine Führung wurde zu einer Zeit mit Kraft gleichgesetzt; aber heute bedeutet es wie man mit den Menschen auskommt.”

Wenn man das Gute in den Menschen sieht dann ist es leichter sich zu motivieren für sie da zu sein und ihnen zu dienen. In dem man mehr gibt als man nimmt bekommt man auch vieles zurück. Den Menschen denen man hilft werden wiederum eher anderen helfen und so werden alle zusammen eine Spirale nach oben an positiven Veränderungen bewirken, die wächst und stärker wird. In dem man seine soziale Kompetenz stärk, hat man mehr Einfluss auf seine Mitmenschen und kann noch mehr bewirken.

Sei einheitlich, authentisch, sei du selber

“Glücklich sein ist wenn was du denkst, sagst und was du tust in Harmonie ist.”

“Ziele immer auf eine völlige Harmonie deiner Gedanken, Worte und Taten. Versuche deine Gedanken zu reinigen und alles wird gut.”

Der beste Weg seine soziale Kompetenz zu verbessern ist wenn man einheitlich handelt und es authentisch kommuniziert. Die Mitmenschen schätzen eine Person die echt wirkt. Wenn die Gedanken, die Sprache und die Handlungen übereinstimmen dann fühlt man sich sicherer und besser, man kann selbstbewusster auftreten und fühlt sich gut dabei.

Diese Harmonie wird im Ton der Stimme und in der Körpersprache übertragen und bei den Menschen sofort registriert. Deine Botschaft wird dadurch besser ankommen, sie werden zuhören was man sagt. Falschheit, eine aufgesetzte Fassade, Widersprüche zwischen dem was man ausspricht und tut, merkt man sofort und man wird unglaubwürdig und nicht akzeptiert.

Wachse und entwickle dich weiter

„Kontinuierliche Entwicklung ist das Gesetz des Lebens und Menschen die immer versuchen ihre Glaubenssätze zu erhalten um dadurch konstant zu wirken manövrieren sich in eine falsche Position.“

Man kann immer seine Fähigkeiten verbessern und seine Beurteilung neu überdenken. So erreicht man ein besseres Verständnis über sich selber und der Welt. Es macht wenig Sinn, an Meinungen festzuhalten nur um konstant zu wirken, wenn man innerlich weiss, es ist mittlerweile falsch und man steht im Abseits. Sich ständig zu entwickeln und zu wachsen ist der richtige Weg, denn damit wird man glücklicher und auch nützlicher für seine Mitmenschen.

(Auswahl der Zitate und Interpretationen zu Gandhis Weisheiten übernommen aus dem Blog „alles-schallundrauch“ mit Genehmigung des Autors).

Values.com

Die „Foundation for a Better Life“ stellt Medien für 68 Werthaltungen bereit. Der konservative Wertekatalog ist ein Spiegelbild nordamerikanerischer Haltungen, mit Aufrufen zu „Courage, Gratitude, Hard Work, Ingenuity, Listening,, Preparation, Sportsmanship, Optimism, Patience, Reaching Out, Persistence“.21 Ökologische oder spirituelle Werte sind nicht dabei. Die 700 Millionen Dollar schwere Stiftung produziert Videos, Radioclips, Poster und Plakate und stellt diese Fernseh- und Radiostationen sowie Schulen und für Aussenwerbeflächen zur Verfügung. Die Spots wurden seit dem Jahr 2000 auf 800 TV Kanälen in 200 Ländern gesendet und die Kampagnen, die oft Statements bekannter Persönlichkeiten zeigen, sind in jeder grösseren amerikanischen Stadt an Häuserwänden sichtbar. Die Stiftung wird privat vom Milliardär Philip Anschutz finanziert, versteht sich über-konfessionell und akzeptiert keine Spenden, aber auch keine Mitbestimmung von aussen. Anschutz verdiente mehr als 7 Milliarden Dollar mit Spekulationen in Öl, Land, Medien und der Unterhaltungsindustrie22. Wem die Kampagne gefällt, kann über das Internet bewegende Geschichten aufschreiben, Fotos einschicken oder Videodokumentationen senden. Diese können abonniert und auf der eigenen Homepage eingebunden werden. Values.com gilt als eine der erfolgreichsten Outdoor-Kampagnen im öffentlichen Interesse und eignet sich gut zur Anregung des Ethikdiskurses, auch wenn der Wertekanon bei Values.com trotz der Vielzahl an Beispielen tendenziös bleibt.

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Billboard einer konservativen Stiftung in den USA

Nicht erst seitdem grosse Plakatflächen an Flughäfen zu ethischen Praktiken aufrufen, werden Medien zur Vermittlung eingesetzt. In den meisten Religionen bilden Bilder und Gleichnisse eine grosse Geschichte, an die ganze Kulturen Jahrhunderte oder gar Jahrtausende festhalten. Dazu gesellen sich Riten, die uns von der Geburt bis zum Tod begleiten. Vermutlich benötigt auch ein aktueller, überkonfessioneller Wertekanon Medien, Geschichten und Riten, um Gehör zu finden. In den folgenden Kapiteln lernen wir einen solchen Wertekanon und dazu passende Medien näher kennen.

Die Freie Welt Charta

Eine Grundsatzerklärung aus zehn Punkten wurde von einem irischen Musikproduzenten zusammengestellt und wurde von mehr als 50.000 Personen unterzeichnet (Stand Oktober 2015). Die Freie Welt Charta soll uns die Möglichkeit geben, das Leben auf der Erde für all ihre Bewohner so optimal wie möglich zu gestalten, Armut und Gier aus der Welt zu schaffen und unsere Entwicklung anzukurbeln. Die Charta ist weder politisch noch religiös, sondern entwirft einen Umgang mit der Natur ohne Geld. Menschen leben frei, fair und nachhaltig. Die Grundsätze beruhen ausschließlich auf dem Naturrecht, gesundem Menschenverstand und dem Fortbestand des Lebens. Die Freie Welt Charta begreift sich als ist ein natürlicher Schritt in unserer Evolution. Sie negiert allerdings, dass soziales Zusammenleben auch Regeln und Aushandlungsmechanismen erfordert und macht keinen Vorschlag für ein alternatives Tauschmittel, sondern versucht mit dem Warentausch auszukommen.

Das Gesetz von Mutter Erde

Bolivien erklärt mit dem "Ley de Derechos de La Madre Tierra" eine besondere Ehrfurcht vor der Natur. MIt einem 2010 verabschiedeten Gesetz werden Grundrechte nicht Menschen, sondern der Erde zugeteilt. In Übereinstimmung mit der Philosophie der „Erdmutter“-Göttin Pachamama heißt es dort: „Sie ist heilig, fruchtbar und die Quelle des Lebens, die in ihrem Mutterleib alle Lebewesen ernährt und sich um sie kümmert. Sie ist in stetiger Balance, Harmonie und Kommunikation mit dem Kosmos. Sie besteht aus allen Ökosystemen und Lebewesen und ihrer Selbstorganisation.“

Das Gesetz benennt sieben spezifische Rechte, auf die Mutter Erde und die Lebenssysteme, die Bestand von ihr sind, ein Anrecht haben:

  • Ein Recht auf Leben: Damit ist das Recht gemeint auf die Aufrechterhaltung der Integrität von Lebenssystemen und von natürlichen Prozessen, die sie unterstützen. Dazu gehören ebenfalls die Kapazitäten und die Konditionen für ihre Erneuerung.
  • Ein Recht auf die Vielfalt des Lebendigen: Damit ist das Recht gemeint auf die Erhaltung der Unterscheidung und Vielfalt der Lebewesen, aus denen Mutter Erde besteht; und zwar ohne, dass sie genetisch verändert werden oder dergestalt künstlich in ihrer Struktur verändert werden, dass es ihre Existenz, ihre Funktionsweise und ihr zukünftiges Potenzial bedroht.
  • Ein Recht auf Wasser: Damit ist das Recht auf den Erhalt der Qualität und der Komposition des Wassers gemeint, um die Lebenssysteme zu erhalten und sie insbesondere vor Verunreinigung zu beschützen, um das Leben von Mutter Erde und all ihrer Bestandteile zu erneuern.
  • Ein Recht auf saubere Luft: Damit ist das Recht auf den Erhalt der Qualität und der Zusammenstelltung der Luft gemeint, um die Lebenssysteme zu erhalten und sie insbesondere vor Verunreinigung zu beschützen, um das Leben von Mutter Erde und all ihrer Bestandteile zu erneuern.
  • Ein Recht auf Balance: Damit ist das Recht auf den Erhalt oder die Wiederherstellung der Wechselbeziehungen, der wechselseitigen Abhängigkeit, sowie der Fähigkeit zur Ergänzung und Funktionalität der Komponenten des Planeten Erde unter einander; dies soll in einer ausgewogenen Weise erfolgen, so dass sich die Zyklen fortsetzen können und so dass sich ihre überlebenswichtigen Prozesse erneuern können.
  • Ein Recht auf Wiederherstellung: Damit ist das Recht auf die effektive und rechtzeitige Wiederherstellung der Lebenssysteme gemeint, die direkt oder indirekt durch menschliche Aktivitäten beeinflusst werden.
  • Ein Recht auf ein Leben ohne Kontamination: Damit ist das Recht auf die Bewahrung von Mutter Erde und all ihrer Komponenten gemeint, insbesondere in Bezug auf den Schutz vor toxischem oder radioaktivem Abfall, der durch menschliche Aktivitäten generiert wird.

Konsequenterweise muss Bolivien die Regulierung des Abbaus wertvoller Mineralien nun umgestalten, dass weniger Raubbau und eine faire Nutzung gewährleistet wird. Immerhin kassiert der Staat Bolivien 500 Millionen Dollar für Schürfrechte von ausländlischen Unternehmungen. Ethische Richtlinien erzeugen oft Dilemmasituationen - damit beschäftigen wir uns näher in den folgenden Kapiteln.


1:http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhismus

2: Lauxmann, p 38

3:http://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Gebote

4: 4. Buch Mose 14.18

5: KKK Nr. 2370, Humanae Vitae Nr. 14

5a: Die Presse 21.3.2010, p 47, berichtet über eine IMAS Umfrage von 2010

6: Anfang 2010 meldeten sich 40 Missbrauchsopfer, allesamt Abgänger deutscher Jesuitenschulen. Bei innerkirchlichen Anweisungen zur Schweigsamkeit über solche Vorfälle steht das Kirchenrecht im Konflikt mit dem zivilen Recht. Quelle: Der Standard 8.2.2010, p 5.

7:http://de.wikipedia.org/wiki/Islam

8:http://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Gebote#Islam

9: Der Standard UniStandard 8. Oktober 2009, p U6

10:http://de.wikipedia.org/wiki/Bahai

11: Lauxmann p 59ff

12:http://de.wikipedia.org/wiki/Gottesbeweis

13:http://de.wikipedia.org/wiki/Hoffnung

14:http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstliebe

15: Kategorisierung negativer Eigenschaften erfolgte durch zahlreiche Theologen und Päpste, z.B. Gregor I. im 6. Jahrhundert bis Johannes Paul II. 1984.

16: Prof. Hiroshi Ishiguro zeigte auf dem Ars Electronica Festival 2009 Andoide, die ihm zum Verwechslen ähnlich sind.

17: Vgl. Bloch, Ernst, Naturrecht und menschliche Würde, Frankf./M. 1961, S.59f.

18: Dieser Absatz wurde fast vollständig aus der Wikipedia Definition über die Menschenrechte zusammengestellt: http://de.wikipedia.org/wiki/Menschenrechte

19: Weiterführende Literatur zur Kritik siehe die Anmerkungen und im Wikipedia Artikel zu den Menschenrechten und Haimo Schulz Meien 2000.

19a:Weltethos Wirtschaftsmanifest, Teil eines Online Lernspiels

20:http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2009/10/gandhis-10-weisheiten-u... , mit freundlicher Erlaubnis des Autors „freeman“, etwas gekürzte Wiedergabe.

21:http://www.values.com/teaching-values

22:http://en.wikipedia.org/wiki/Foundation_for_a_Better_Life