We protect our world

Ein AdBuster von rodriguez als ironischer Denkanstoss gegen das Vergessen

Mexiko/Dornbirn – Am 20. April 2010 kam es im Golf von Mexiko durch ausströmendes Erdgas zur Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon, bei der elf Menschen starben und innerhalb der darauffolgenden drei Monate zwischen 0,5 und 1 Million Tonnen Öl ins Meer strömten. Das Unglück wird zu einer der schwersten Umweltkatastrophen innerhalb der letzten 100 Jahre. Aus internen Dokumenten des Konzerns ging Mitte Juni hervor, dass BP trotz Warnungen von Experten aus Kostengründen eine billigere und damit eine mit größerem Risiko auf Gasaustritt verbundene Methode zur Abdichtung des Bohrloches angewandt hat. Rodriguez hat die Katastrophe zum Anlass genommen, um eine kritische Antiwerbung gegen den Konzern BP zu entwerfen.

Beweggründe und Intentionen des Autors   |   Nachdem der Autor dieses AdBusters sein Auslandssemester im Zeitraum von Februar bis August 2010 in Mexiko verbracht hat, kam er auf sehr intensive Weise mit der fatalen Entwicklung des Unglücks und der Berichterstattung über die Ölkatastrophe in Berührung. Dies sei neben der Aktualität des Themas und dem nicht tolerierbaren, verantwortungslosen Handeln und der Arroganz des Konzernes BP einer der Hauptgründe für ihn gewesen um dieses Sujet in seinem AdBuster aufzugreifen. Dabei will der vorliegende AdBuster allerdings nicht laut schreiend die Aufmerksamkeit des Betrachters an sich reißen. Vielmehr wird durch die geschickte Verknüpfung von Fotografie und dem konstruierten Unternehmensimage von BP ein klarer Widerspruch sichtbar gemacht. Auf der einen Seite steht dabei die Realität – repräsentiert von einer Fotografie – die ein Bohrunglück zeigt, welches allerdings vom Betrachter sofort und unweigerlich mit dem Unglück im Golf von Mexiko assoziiert wird. Auf der konträren Seite dazu steht das Unternehmen BP mit ihrem verantwortungs- und umweltbewusst wirkenden visuellen Kommunikationselementen. Dieser Widerspruch zwischen Unternehmensbotschaft – also Signet samt Claim – und Fotografie repräsentiert die kaum vorhandene Konsistenz zwischen Handeln und Kommunikation, und somit die fehlende Glaubwürdigkeit, des Konzerns BP.

Claim   |   Dem Signet des Unternehmens hat der Autor rodriguez dabei zusätzlich den selbstverständlich wirkenden, aber selbstformulierten Claim, „We protect the World“ zur Seite gestellt. Dies tat er, so der Autor, um den offensichtlichen Widerspruch zwischen „So wollen wir gesehen werden/Das soll unser Corporate Design kommunizieren“ – umweltbewusst, nachhaltigkeitsorientiert und verantwortungsvoll – und „So sind wir“ – profitorientiert, verantwortungslos und gewissenlos – klarer herauszuarbeiten. Dabei kommt eine wichtige und höchst interessante Facette des Claims zum Tragen: Die Ambiguität des Teiles „our World“. Diese Fomulierung suggeriert einerseits, dass BP in seiner Allmachtfantasie die gesamte Welt schützen wolle, andererseits aber auch, dass der Konzern nur daran interessiert sei, ihre gewinnorientierte, selbsterschaffene Welt durch Lobbyismus, Korruption und billigste Materialien aufrecht zu erhalten.

Konsequenzen des Unglücks   |   In Folge der Katastrophe wurde in den USA ein 6-monatiges Moratorium von Tiefseebohrungen beschlossen, welches allerdings schon im Juni auf Grund von einer Klagewelle von 32 Öl-Unternehmen aufgehoben wurde. Des Weiteren zahlt BP bis zum ersten Quartal des Jahres 2011 keine Dividenden mehr aus – die Kosten für die direkten von der Ölpest angerichteten Schäden werden bis dahin knapp 2 Milliarden Euro betragen. Dass die Konsequenzen des Unglücks allerdings noch viel weitreichender sein werden, sieht man alleine schon daran, dass BP für vom Unglück Betroffene einen Treuhandfonds in der Höhe von 20 Milliarden US-Dollar eingerichtet hat. Weiters wurden bis jetzt 36% der Gewässer des Golfs von Mexiko für den kommerziellen und privaten Fischfang gesperrt und die Kosten für die Fischerei-Industrie betragen 2 Milliarden Euro. Der Bestand an Seevögelkolonien, Fisch- und Austern wird erheblich zurückgehen und auch Delfine und Meeresschildkröten sind von der Ölkatastrophe betroffen. Man schätzt, dass als weitere Konsequenz der Katastrophe zwischen 20.000 und 100.000 Menschen ihre Arbeit verlieren könnten. Außerdem hat durch den Ölteppich der Sauerstoffgehalt um bis zu 30% ab- und der Methangehalt der umliegenden Gebiete stark zugenommen, was zu gesundheitlichen Problemen bei Menschen führen kann und die Lebensgrundlage von Meerestieren stark beeinträchtigt (vgl. zeit.de 2010).  

Protestbewegungen   |   Der von rodriguez kreierte AdBuster reiht sich nahezu nahtlos in die Welle von Protestplakaten und -kampagnen ein die nach der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon und dem Bekanntwerden des Ölstromes ins Meer ins Leben gerufen wurden. So startete Greenpeace unter anderem den Wettbewerb „This is what you think should BP look like“ in dem sie zum kritischen Neuentwurf des BP-Logos aufgerufen haben. Eine weitere Kampagne war „Seize BP“, organisiert von der A.N.S.W.E.R. coalition, welche verlangte, das Vermögen von BP zu beschlagnahmen um es für den Schadensausgleich der betroffenen Personen heranziehen zu können (vgl. Wikipedia 2010).

Fazit   |   Wie wir sehen, schafft es der vorgestellte AdBuster von rodriguez durchaus den Betrachter auf unterschiedlichen Ebenen anzusprechen und ihm dabei trotzdem eine klare Botschaft mitzugeben. Die Absicht des Autors, den Widerspruch zwischen Handlungen und Kommunikation des Konzerns BP aufzuzeigen ist meiner Meinung nach sehr reflektiert und verständlich umgesetzt. Aber vor allem ist dieses Sujet eines, nämlich relevant; relevant in Zeiten in denen unsere Kultur immer mehr zum Produkt von Medienbotschaften wird, als ein eigenständig geformtes Gebilde zu sein. Daher sehe ich in diesem AdBuster einen gelungenen Nadelstich in eine von Unternehmen konstruierten Welt, der dazu beitragen kann, den Betrachter die Mechanismen unserer Kultur der Simulation ein klein wenig mehr durchschauen lassen zu können.

 

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