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In dem Buch „Medienethik – Verantwortung in der Mediengesellschaft“, das 2011 in der zweiten Auflage im W. Kohlhammer Verlag in Stuttgart erschien, befasst sich der Autor Rüdiger Funiok neben der philosophischen Ethik auch mit der Medienwissenschaft. Funiok zitiert bzw. bezieht sich auf viele Denkweisen und Autoren der deutschsprachigen Medienethik in den letzten 25 Jahren. Somit zeigt Funiok dem Leser auf, dass auch diese teils sehr alten Denkansätze heute noch zutreffend sind.
Das Buch soll in erster Linie als Einführung für Studenten der Kommunikationswissenschaft und der Philosophie dienen.
Medienethik – eine Arbeitsdefinition
Einleitend erklärt der Autor den Begriff der Ethik: „Ethik bezeichnet die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Moral ... sie ist eine prinzipiell anwendungsorientierte Theorie.“ Ein spezieller Bereich der Ethik ist die Medienethik.
Unter ethischer Perspektive betrachtet die Medienethik die Erstellung, die Bereitstellung und die Nutzung der Massenmedien.
Heutzutage (im Jahr 2010) liegt die Mediennutzung bei 10 Stunden täglich.
Nach Mock sind Massenmedien ein Mittel der Wahrnehmung, der Verständigung, der Verbreitung und eine Form der Kommunikation. Des weiteren führt Funiok Funktionen von Medien auf: Medien ermöglichen eine soziale Teilhabe und den Aufbau von Wissen. Sie bieten das Material für unser Weltverstehen und sie transportieren Werte und Überzeugungen.
Berufsethik der Medienschaffenden
Den vierten Teil des Buches widmet Funiok dem Professionsethos der Medienschaffenden. Einleitend werden die unterschiedlichen Medienprofessionen wie Journalisten, Regisseure, Medienmanager und weitere wirtschaftliche und technische Experten aufgeführt. Diese Medienschaffenden werden durch ihrer Professionsethik dazu angehalten die ethischen Normen und Richtlinien ihrer Arbeit ernst zu nehmen und anzuwenden. Die spezifische Verantwortung der Medienschaffenden lässt sich neben der eigenen Moral auch von den ausgehenden Pflichten des Berufs ableiten.
Funiok weist drauf hin, dass die Medienberufe in Verbänden organisiert sind und zur Sicherung einer qualitätsvollen beruflichen Praxis Selbstkontrollgremien, wie zum Beispiel den Deutschen Presserat, eingerichtet haben.
Um detaillierter auf die Medienprofessionen einzugehen sind diese in vier einzelne Unterkapitel gegliedert:
1. Ethik des Journalismus
Einleitend wird der Begriff Journalismus als eine Sammelbezeichnung für die professionelle Informationsbearbeitung beschrieben.
Anders als früher, in einer Dorfgemeinschaft, ist es heute nicht mehr möglich in den Austausch mit jedem zu treten. Deshalb brauchen wir die Medien und den Journalisten um in der heutigen komplexen Gesellschaft Themen öffentlich darzustellen.
Als Grundpflicht der Journalisten sieht Funiok das „Veröffentlichen-Wollen“, das bedeutet den Willen Nachrichten zu veröffentlichen. Für gewöhnlich hält uns die allgemeine Moral dazu an die privaten Angelegenheiten von niemandem auszuforschen. Der Journalist hingegen unterliegt einer Sondermoral: Er erforscht auch private Angelegenheiten, sobald es sich um Angelegenheiten von allgemeinen Interesse handelt wie zum Beispiel Gewalttaten oder Unglücken, über welche die Allgemeinheit informiert werden muss. Gegner dieser Veröffentlichungstransparenz sind oft Politiker, die um ihr Image besorgt sind oder auch große Teile des Publikums, die nicht jederzeit mit Problemen belästigt werden wollen.
Für den Informationsjournalismus führt Funiok neun Qualitätsmerkmale auf: (1) Richtigkeit/Objektivität: Der Inhalt der Information muss nachprüfbar sein und aus mindestens zwei unabhängigen Quellen stammen. Zudem muss die Nachricht und eine Meinung des Journalisten klar voneinander getrennt sein. (2) Vollständigkeit/Relevanz: Die Bedeutsamkeit der Information, angelehnt an die üblichen Nachrichtenfaktoren. (3) Wahrhaftigkeit/Transparenz/Reflexivität: Der Inhalt muss vollständig wiedergegeben werden. (4) Verschiedenheit/Universalität/Komplexität: Es muss beachtet werden, dass viele Themen auf unterschiedlichem Vorwissen beruhen. (5) Unabhängigkeit: Das Thema muss politisch unabhängig wiedergegeben werden. (6) Aktualität/Zeitigkeit: Damit ist der Gegenwartsbezug der Mitteilung gemeint. (7) Verständlichkeit: Um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen muss der Inhalt sprachlich und sachlich einfach dargestellt werden. Dies geht nur durch reduzieren der Komplexität, weshalb dieses Merkmal dem Merkmal (4) widerspricht. (8) Unterhaltsamkeit/Stimulanz/Originalität: Die Verbindung von Unterrichten und Unterhalten. (9) Dialogfähigkeit/Interaktivität: Dieses Merkmal bezieht sich auf die neuen Medien, da das Publikum sich inzwischen beteiligen kann und eine Nachricht zum Beispiel kommentieren kann.
Aus einer Studie geht hervor, dass es die wichtigste Absicht des Journalismus ist möglichst neutrale und präzise zu informieren, sowie komplexe Sachverhalte zu erklären und zu vermitteln. Bei der Frage wer die Massenkommunikation kontrollieren soll, favorisieren die Journalisten die Selbstkontrolle. Sie meinen, dass sich ethische Grundsätze auch ohne gesetzliche Hilfe realisieren lassen.
Laut Gardner schließen Journalisten einen Pakt mit der Gesellschaft: Als Gegenleistung für gewisse Privilegien und den Schutz durch die Verfassung wird von ihnen erwartet, wahrheitsgetreu, objektiv und fair gegenüber denen zu sein über die sie berichten.
Des weiteren zitiert Funiok „drei Quellen des vorbildlichen Handels“, sowie die „Grundsätze professionellen Arbeitens“ von Teichert nach denen angehende Journalisten lernen sollten zu arbeiten.
Ein weiterer Abschnitt widmet sich der Ethik des Bildjournalismus. Denn Journalistische Bilder wurden immer stärker Teil des kulturellen Wissens und Gedächtnisses unserer Gesellschaft. Der gesellschaftliche Auftrag an die Bildberichterstattung besteht darin, Referenzpunkte für das öffentliche Wissen und die kollektive Erinnerung zu schaffen.
Funiok merkt an, dass eine Richtlinie des Deutschen Presserats die Unterlassung von Manipulation, im Sinne einer nachträglichen, nicht kenntlich gemachten Bildbearbeitung besagt.
Eine Kategorie der Bildethik ist die Wahrung der Rechte der dargestellten Person. Die Persönlichkeitsrechte sind abzuwägen gegen das öffentliche Interesse.
Eine oft übersehene Verantwortung sieht Funiok speziell beim Fernsehen gegenüber Kindern und ihren Eltern, wenn es zum Beispiel um emotional belastende Schadens- und Kriegsberichte in den Nachrichten geht. Die bewegten Bilder, welche Opfer in Großaufnahmen mit Verletzungen zeigen, ängstigen Kinder. Hier liegt es in der Verantwortung der Eltern den Kindern die Situation zu erklären und ihnen so eine Sicherheit zu geben.
Abschließend gibt Funiok eine Antwort auf die Frage: Wie lässt sich journalistische Qualität heute garantieren? Will man die Qualität sichern gilt es alle potentiellen Sicherungsinstrumente über alle Hierarchien hinweg wahrzunehmen und zu nützen. Dazu zählt eine ausreichende Recherche, Gegenlesen und eine Beitragsabnahme, die Redaktionskonferenz sowie die Qualitätsziele klar zu definieren.
2. Ethik der Produzenten und Unterhalter
In dem zweiten Unterkapitel merkt Funiok einleitend an, dass 80% des Programms der elektronischen Medien unterhaltender Art sind, das bedeutet sie dienen nicht zur Information, zum Wissenserwerb oder zur Orientierung.
Es gibt auch hier eine ethische Problematik: Die Quantität und Qualität von Gewaltszenen, der Einsatz menschenverachtender Pornographie, die Verunglimpfung von Ethnien, Geschlecht sowie Altersangehörigkeit. Anschließend nennt Funiok „10 Thesen zur Mediengewalt“.
Als Beispiel für ein Unterhaltungsformat nennt Funiok die „Daytime-Talks“. Die Attraktivität dieser Nachmittagsprogramme entsteht zum einen mit der Person des Moderators zum anderen mit den zugespitzten Themenformulierungen, wie zum Beispiel Beziehungsprobleme. Daran ist unter anderem medienethisch relevant, dass nicht nur ältere Menschen und Arbeitslose sondern auch Kinder und Jugendliche zum Publikum der Nachmittagssendungen zählen. Somit sollte die Themen- und Kandidatenauswahl nicht sozial desorientiert sein. Ausgehend von einem Protest wurden 1998 „Freiwillige Verhaltensgrundsätze zu Talkshows im Tagesprogramm“ formuliert, in denen der Moderator in der Verantwortung steht für eine angemessene Gesprächsatmosphäre zu sorgen.
3. Ethik der Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit)
In einem weiteren Abschnitt geht der Autor auf die Ethik der Öffentlichkeitsarbeit ein. Denn ebenso wie Journalisten und Regisseure haben auch PR-Manager moralische Grundsätze, Selbstverpflichtungen und Selbstkontrolle nötig.
Was sind die wichtigsten Elemente der PR-Ethik? Sie unterliegt der Wahrheitspflicht, da sie an den gesellschaftlichen Informations- und Wissensprozessen mitwirkt. Die PR-Arbeitenden haben die Freiheit und Unabhängigkeit der Journalisten zu achten, sowie die Grenzen für Product Placement und Schleichwerbung zu wahren. Anschließend führt Funiok „sieben ethische Grundsätze“ von Avenarius auf die als eine Art Eid in der Ichform formuliert sind. Diese Grundsatze lauten zum Beispiel: (1) Mit meiner Arbeit diene ich der Öffentlichkeit. ... (5) Ich informiere nach besten Wissen und Gewissen. ...
4. Ethik der Werbung und Propaganda
Im letzten Unterkapitel beschreibt Funiok die Ethik der Werbung und Propaganda. Zuerst weist er drauf hin, dass Werbung diejenigen täuscht und manipuliert die beeinflusst werden sollen. So besteht gegenüber Werbung ein massiver Manipulationsvorwurf. Auch wenn Erwachsene als aufgeklärte Konsumenten zu betrachten sind, benötigt es besondere Rücksicht auf Kinder und Jugendliche. Denn Werbung will von einer Idee überzeugen oder zu einer Kaufhandlung überreden.
Bei politischer Werbung und der Propaganda spricht der Autor von einer rigorosen Form, Menschen von etwas zu überzeugen.
Als Beispiel für eine aus ethischer Perspektive beachtenswerte Werbung führt Funiok die Werbung des Fotografen Oliviero Toscani für Benetton auf. Der Bundesgerichtshof sah in dieser Werbung unlauteren Wettbewerb. Das Bundesverfassungsgericht hob dies auf und billigte Wirtschaftsunternehmen das Recht zu, sich mit Werbung am gesellschaftlichen Wertediskurs zu beteiligen.
Recherche: Werbekampagne Benetton
Mitte der 1990er schaffte es das Unternehmen Benetton durch Provokation, Tabu-Themen und Aufklärungsarbeit in den Werbekampagnen zu einer der fünf bekanntesten Marken der Welt zu werden. In den Werbeanzeigen wurde auf die Darstellung des tatsächlich beworbenen Produktes verzichtet. Stattdessen wurden Bilder des Fotografen Oliviero Toscani abgedruckt, die unter anderem sterbende AIDS-Kranke, blutverschmierte Uniformen, ein mit Blut und Schleim verschmiertes Neugeborenes und schwarz-weiß Kontraste darstellen. Lediglich das grüne Konzern-Logo wurde klein auf den Werbeanzeigen platziert. Ursprünglich sollte die Neugier des Betrachters den Bekanntheitsgrad der Marke fordern. Oliviero Toscani wurde vorgeworfen, er würde mit Not, Elend, Tod und Sünde anderer Pullover verkaufen.
1972 wurde der Deutsche Werberat als ein Organ zur freiwilligen Selbstkontrolle gegründet. Direkte staatliche Werbeverbote werden zunehmend durch die EU-Rechte initiiert, so gibt es zum Schutz der Volksgesundheit zum Beispiel für Zigaretten- oder Alkoholwerbung besondere Richtlinien.
zusammengefasst von Jasmin H.