Gespeichert von Günther Willi am
Wie Nahrungssicherheit, bewusster Konsum und fairer Handel zusammenhängen und warum die Thematik uns alle angeht
„Wenn mich später ein Kind fragt: Du, was hast du in deinem Leben gemacht? Und ich müsste antworten: 30 Millionen Teile zu niedrigsten Preisen eingekauft, da könnte ich nur noch weinen.“
Diesen Satz sagt Robin Cornelius, Gewinner des alternativen Nobelpreises und Gründer der Schweizer Textilfirma Switcher. Und er formuliert weiter: „Die Menschen müssen sich bewusst werden, wie ein Produkt hergestellt wird. Wir müssen bewusster leben und bewusster konsumieren.“ Obwohl heute weltweit mehr Nahrungsmittel produziert als konsumiert werden, hungern so viele Menschen wie noch nie. Immer mehr Agrarprodukte werden für die Herstellung von Tierfuttermitteln oder auch Biosprit verwendet, nur noch 47 Prozent des weltweit produzierten Getreides dienen der unmittelbaren Ernährung. Große Konzerne bestimmen den Anbau, sehr oft auf Kosten der örtlichen Kleinbauern. Der breiten Bevölkerung wäre mehr geholfen, wenn sich die dortige Regierung um den Aufbau besserer eigener landwirtschaftlicher Produktionsstrukturen kümmern würde. Lebensmittel nur für den Export zu erzeugen, kann noch zu großen sozialen Konflikten führen, wenn dadurch Kleinbauern der Boden und damit ihre Lebensgrundlage entzogen wird.
Weltladen aktuell, die interne Zeitschrift der ARGE Weltläden Österreich schrieb in ihrer Ausgabe im März 2011, dass bis zum Jahr 2015 nach den Milleniums-Entwicklungszielen der Anteil der Weltbevölkerung, die hungert, halbiert werden sollte. Doch seit der Finanz- und Wirtschaftskrise seien zu den schon über zwei Milliarden Menschen, die als extrem arm einzustufen sind (d.h. weniger als 1,2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung haben) noch zusätzlich 100 Millionen Menschen verarmt. Mehrere – kurzfristige, aber auch langfristige – Gründe stehen dahinter:
- die Energiepreise stiegen seit 2002 weltweit an und trieben die Produktionskosten der Landwirtschaft nach oben – auch als die Energiepreise wieder fielen (z.B. 2008), fielen die Nahrungsmittelpreise bei weitem nicht im selben Ausmaß
- Energiegewinnung aus landwirtschaftlichen Rohstoffen
- Spekulation auf den Weltagrarmärkten (z.B. Getreidebörse)
Eigentlich müssten die steigenden Preise für die ProduzentInnen von Vorteil sein!?!
Doch zwei Faktoren bestimmen die Situation der Kleinbetriebe.
- der größte Teil der Kleinbauern kann sich nicht allein versorgen. Durch ihre Armut können sie sich jedoch den Zukauf der teuren Lebensmittel nicht leisten
- Kleinbauern wurden von der Agrarpolitik nie unterstützt. Ihnen fehlt oft der Zugang zu Land, Wasser und Saatgut, um ihre Produktion ausdehnen zu können.
Doch nicht nur diese Gründe, die durch die Preistrends auftreten, sind Teil der Ernährungskrise. Das Problem ist so hartnäckig, weil die besonders von Hunger und Unterernährung Betroffenen meistens marginalisierte, gesellschaftliche Gruppen sind. Nach wie vor leben 80% der Hungernden auf dem Land und mehr als die Hälfte davon sind kleinbäuerliche Familien mit ganz wenig Landbesitz. Die anderen 20 % der Hungernden sind landlose ArbeiterInnen, die oft nur mit Saisonarbeit ein Einkommen erwirtschaften.
Hunger ist also vor allem ein „Einkommensphänomen“, wie Michael Windfuhr von „Brot für die Welt“ erklärt. Diese Gruppen müssen in das Zentrum der Politik – im Norden wie im Süden - rücken, wenn die Ernährungssituation langfristig verbessert werden soll.
Der Dachverband der Weltläden Deutschland hat eine Studie zu ökologischem Landbau und Fairem Handel in Entwicklungsländern in Auftrag gegeben. Das Fazit lautet, dass ökologischer Landbau einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit der Kleinbauern leistet. Und der Faire Handel hat die Besonderheit, nicht nur ökologische und soziale, sondern auch wirtschaftliche Kriterien zu berücksichtigen. Hier komme ich nochmals auf Robin Cornelius zurück, der sagt, auf dem Weg des Fairen Handels brauche es Firmen, aber auch Organisationen. Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) seien oftmals die Jury: sie bewerten die Produkte, sie machen den Link zwischen den ProduzentInnen und den KonsumentInnen. Die NGOs sind die „anderen“ Polizisten der Wirtschaft. Die Firmen haben eine oft kurzfristige ökonomische Vision, die NGOs dagegen eine langfristige politische. Es braucht beides: NGOs haben die Chance, der Wirtschaft die Augen zu öffnen.
* Titel ist ein Zitat von Max Frisch