DAS SYSTEM MILCH

CC-by-sa ethify.org & human
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Tagtäglich wird uns das Bild von glücklichen Kühe auf der Alm und kleinen Bauernhöfen in der Werbung oder auf den Verpackungen von Milchprodukten vor Augen gehalten. Doch wie sieht es in der Milchproduktion wirklich aus? Andreas Pichler wirft in seinem Dokumentarfilm „Das System Milch“ einen Blick hinter die Kulissen der Milchwirtschaft. Dabei unterhält er sich mit Landwirten, Industriellen, Wissenschaftlern und anderen Experten über die aktuelle Situation sowie über die Auswirkungen auf die Tiere und die Umwelt.

Wie alles begann...

Schon vor etwa 8000 Jahren begannen die Menschen Milch zu konsumieren und sie als weißes Lebenselixier zu betrachten. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch das Verhältnis zwischen Mensch und Tier stark verändert. Milch ist heute ein beliebter Rohstoff geworden. Derzeit werden in Europa ca. 200.000 Mio. Tonnen Milch pro Jahr von Großkonzernen verkauft. Seit China auf den Geschmack von Milch gekommen ist, ist der Markt explodiert.

Wie wirkt sich diese Expansion auf die Produzenten aus?

Aus Bauern wurden meist entweder Unternehmer mit mehreren Höfen und Angestellten, deren Aufgaben es nur noch ist, dafür zu sorgen, dass alles läuft und die Qualität gut ist. Oder es sind reine Familienbetriebe, die sich vergrößert haben und sich durch moderne Techniken wie Roboter oder Melkmaschinen unterstützen lassen. Vor 30 Jahren haben etwa 37.000 Landwirte so viel Milch produziert wie heute 3.500.
Die Landwirte fühlen sich unter Druck, denn es wird immer mehr von ihnen erwartet. Sie arbeiten nur noch für die Lebensmittelindustrie und bleiben selbst auf der Strecke. Rein um alle Kosten zu decken bräuchte es einen Umsatz von mindestens 40 Cent pro Liter doch die Realität sieht anders aus.

Die Schnittstelle zwischen Produzent und Konsument sind die Molkereien. Als maßgebende Akteure können sie sich am globalen Markt orientieren. Europäischen Bauern erfahren oft erst nach Abgabe ihrer Milch was sie dafür bekommen. Milch ist heute ein billiger Rohstoff geworden, der nahezu überall beigemengt wird. Zudem produziert die Lebensmittelindustrie gezielt Überschüsse, um die Bauern unter Druck setzen zu können. Die Landwirte protestierten zwar bereits gegen Dumpingpreise waren jedoch erfolglos.
Ziel der EU-Agrarpolitik ist es in andere Länder zu exportieren, daher gilt das Interesse nicht den Bauern, sondern den Molkereien. Jährlich werden in der EU 45 Mrd. Euro für die Landwirtschaft ausgegeben. Die Bauern sind abhängig von diesen Zuschüssen, ohne sie könnten sie nicht überleben. Im Endeffekt liefern also die Steuerzahler den Treibstoff für den Export.

Was sind die Auswirkung der Hochleistungsmilchproduktion auf die Tiere?

Das schwächste Glied in der intensiven Milchproduktion sind die Kühe. Früher waren die Kühe noch auf der Weide aber bei den großen Beständen, die heute üblich sind ist Weidehaltung vielen Bauern zu schwierig oder zu aufwendig. Deshalb bekommen viele der Milchkühe kaum Tageslicht zu Gesicht und werden ständig durch Zucht optimiert, um möglichst viel Milch zu produzieren.

Warum geben Kühe überhaupt Milch?

Milchkühe werden jährlich künstlich befruchtet, denn nur trächtige Kühe produzieren konstant viel Milch. Ein Kalb pro Jahr ist deshalb Standard für eine Milchkuh. Wir trinken also die Milch von Kühen, die ständig schwanger sind. Kühe könnten eigentlich bis zu 20 Jahre alt werden, das Durchschnittsalter der heutigen Hochleistungskühe liegt jedoch bei nicht einmal 5 Jahren. Außerdem dürfen nur die weiblichen Tiere überleben, die männlichen Kälber werden vom Viehhändler an Masthöfe weitervermittelt, um dort geschlachtet zu werden.
Für viele Bauern sind die Tiere lediglich Nummern und ein Teil des Geschäfts. Kälber sind für sie sogar nur ein Abfallprodukt. Übersteigen die Unkosten, die Kälber für 14 Tage am Leben zu halten dem Verkaufswert, werden sie gleich getötet.
Es wird zwar schon daran gearbeitet die Geburt von männlichen Kälbern auszuschließen noch sind die Möglichkeiten aber nicht so weit.

In Italien werden auf Ausstellungen regelmäßig die besten Hochleistungskühe präsentiert. Käufer können je nach Wahl Embryos, ein Neugeborenes oder eine trächtige Kuh vom gewünschten Exemplar erwerben. Es gibt auch Kataloge für die auf dem Markt angebotenen Milchkühe. Kühe sind heute nur noch lebende Kraftwerke.

Welchen Einfluss hat dies auf die Umwelt?

Ein weiteres großes Problem der Milchproduktion ist die dabei entstehend Gülle. Für die Produktion von einem Liter Milch entstehen etwa drei Liter Gülle. So können bei einem großen Bauern schon 70.000 Liter Gülle pro Tag entstehen.
Normalerweise Ernähren sich Rinder von Gras und entwickelnd dadurch Milchproteine. In der modernen Milchproduktion werden die Kühe nur noch zu einem Drittel mit Gras ernährt. Die restlichen zwei Drittel bestehen aus Soja und Getreide, um eine höhere Milchleistung zu erreichen. Meist stammen diese Futtermittel aus Südamerika, wo riesige Flächen Regenwald dafür gerodet werden. Diese sogenannten Schattenfutterflächen sind ein ökologisches Desaster. Zudem können Rinder nur etwa ein Drittel der Energie in Soja oder Getreide verwerten, was global betrachtet eine enorme Verschwendung darstellt.

Durch den Import von Futtermittel bekommen wir auch große Mengen an Stickstoff, der nicht zurück ins Ursprungsland kommt, sondern als Gülle auf unseren Flächen verteilt wird. Was zur Folge hat, dass Nitrat aus den Böden ausgewaschen wird, Ammoniak entgast und es zur Entstehung des klimaschädlichen Lachgases kommt. Nitrat aus dem Grundwasser wird im menschlichen Körper in Nitrit umgewandelt, welches wiederum im Verdacht steht Krebs auszulösen. Es wurde bereist in Deutschland vermehrt ein zu hoher Nitrat Gehalt gemessen. In den Niederlanden ist sogar bereits eine Überlastung vorhanden.

Welche Auswirkungen hat es auf den Konsumenten?

In der Milchbranche ziehen alle am selben Strang. Der Konsument wird mit unterschiedlichen Strategien davon überzeugt wie gesund und natürlich Milchprodukte sind. So 2-3 Portionen am Tag wird empfohlen. Ein gesundheitsfördernder Nutzen ist das zentrale Verkaufsargument. Schon als kleine Kinder wurde uns anerzogen, wie gesund Milch ist und dass sie gegen Knochenbrüche vorbeugt.
Eine Studie zeigt jedoch paradoxerweise eine höhere Rate an Knochenbrüchen in Ländern mit hohem Milchkonsum.
Es gibt auch bereits mehrere Langzeitstudien, die bestätigen, dass Milch wachstumsfördernd ist, was sich im Erwachsenenalter eher ungünstig auswirkt, da es hier vor allem das Wachstum von Krebszellen fördert. Wie sich zeigt, ist Milch nicht so gesund wie die Industrie behauptet.

Gibt es eine Lösung?

Das System setzt die Landwirte unter Druck, die Tiere leiden und die Umwelt wird ruiniert, trotzdem wird jedes Jahr noch mehr Milch produziert.

Der Ausstieg aus der konventionellen Milchprodukten ist nicht ganz einfach, aber es gibt doch Bauern, wie Alexander Agethle aus Südtirol, die den Ausstieg schaffen. Er hat von einer konventionellen Landwirtschaft auf eine ökologische und ökonomische Landwirtschaft gewechselt. Er treibt seine Kühe auf die Weide und ihm sind seine Tiere wichtig. Das Durchschnittsalter seiner Kühe ist gestiegen, weil sie nicht mehr so viel Milch produzieren müssen. Er verarbeitete seine Milch selbst und für ihn steht neben dem Tierwohl die Qualität an oberster Stelle. Gemeinsam mit der Familie produzieren sie eigene Rohmilchprodukte für den regionalen Verkauf. Er sieht die Lösung in kleinen, ökologischen und ökonomischen Produktionseinheiten. Eine beseelte Bio-Landwirtschaft in der das Wohl der Tiere wichtig ist, die Kühe möglichst oft draußen auf der Weide sein können und damit gefüttert werden was vor Ort vorhanden ist. Wenn Kühe nur mit Gras gefüttert werden schaden sie nämlich dem Klima nicht. Zudem ist der Preis von Bio-Milch konstant. Leider befürchten aber viele Bauern ein Wechsel zur biologischen Landwirtschaft ist zu kostspielig und Aufwendig.

Fazit

Andreas Pircher zeigt in dieser Dokumentation wirklich alle negativen Aspekte der Milchproduktion. Menschen, die sich zuvor nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben, erhalten hier wirklich einen guten Einblick. Etwas schade ist, dass er nur wenig auf mögliche Lösungen eingeht und was die Konsumenten zu einer Verbesserung beitragen können. Gerade nach so einer Sensibilisierung sind Menschen offener etwas zu verändern. Mit einem reduzierten Konsum von ausschließlich biologischen Milchprodukten oder einem kompletten Verzicht kann sich jeder beteiligen. Es gibt schon viele pflanzliche Alternativen, die ressourcenschonender sind und ohne die artwidrige Haltung von Kühen, die Hochleistungszucht, den Transport und der Tötung von Kälbern, auskommen.

Autorin: Melanie Rebernig

Quelle: „Das System Milch“ von Andreas Pichler

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