Medienethik und Verantwortung

Ethische Verantwortung von Medienschaffenden und Medienkonsumenten

Von Verantwortung und Schuld, Zensur und Medienethik schreibt PD Dr. Marcus Stiglegger in seinem wissenschaftlichen Artikel – „Mitschuld-Mitverantwortung? Problemfelder der Medienethik“. Die darin behandelten Themen waren Inhalt seines Vortrags an der Fachhochschule für Mediengestaltung in Mainz im Juni 2008. In der Datenbank für elektronische Dokumente der Goethe Universität in Frankfurt am Main wurde der Artikel erstmals online am 18. Jänner 2010 veröffentlicht.

Medienethik, als grundsätzliche Idee von richtigem und verantwortungsbewusstem Handeln, muss aufgrund der Medienvielfalt immer wieder neu geprüft und etabliert werden, so Dr. Stiglegger. Dabei betrifft das weite Feld der Medienethik alle Stufen von der Medienproduktion bis hin zum Konsumenten.

Insbesondere Medienproduzenten müssen die Grundlagen der Medienethik über Jugendschutzgesetze und Presserat hinaus kennen. Auch Mediendesigner (Medienkünstler laut Dr. Stiglegger) sollen sich der Verantwortung ihrer Tätigkeit bewusst sein.

Die Fragen nach Wahrheit und Transparenz beginnen schon bei der Beschaffung des benötigten Materials wie bspw. Bildmaterial. Später geht es um Entscheidungen bezüglich Selektion, Verzerrung oder gar Manipulation. Auch Mediendesigner können durch inszeniertes oder designtes Material dem Ausgangselement eine ganz andere, fälschliche Aussage aufsetzen.

Laut Autor trägt aber auch der Medienendverbraucher mit seiner individuellen Moralvorstellung die Verantwortung ethischen Grundsätzen gerecht zu werden. Dem Konsumenten muss eine gewisse Medienkompetenz zugetraut werden, ansonsten könnten Vorzensuren die Folge sein.

Dies wäre nicht mehr im Sinne der Medienkunst, welche die Plicht hat, auch die negativen Seiten des Lebens zu beleuchten. Künstler und Designer können mehr noch als Journalisten Grenzen und Tabus hinterfragen und diese für den Konsumenten aufbereiten.

Eine Ausnahme stellt allerdings der Jugendschutz dar, so Dr. Stiglegger. Hier können sowohl Medienschaffende, als auch Konsumenten ihren Beitrag leisten. Beispielsweise sollte die junge Generation in Sachen Medienkompetenz unterrichtet werden, damit diese im Idealfall ihre verwendeten Medien individuell selektieren.

 

Verantwortung und Schuld

Generell erscheint eine Erkennung der Intention des Medienproduzenten als ein wichtiger Grundgedanke der Medienethik. Dies trifft umso mehr zu, wenn man sich mit früheren Fällen von Schuldzuweisung beschäftigt. Mediale Arbeiten wurden schon des Öfteren mit sozialem Fehlverhalten in Verbindung gebracht.

Dr. Stiglegger bezieht sich dabei auf die Einleitung des Buches „Gewalt und Medien“ von Michael Kunczik. Schon Johann Wolfgang Goethe kam seiner Zeit in Bedrängnis, als man sein Werk „Die Leiden des jungen Werthers“ (1774) für eine Welle von Selbstmorden verantwortlich machte. Dr. Stiglegger wirft dazu einige Fragen auf.

„War es ein Fehler, sich mit dem Thema überhaupt auseinander zu setzen? Hat der Schriftsteller versagt, sich dem Thema hinreichend reflektiert anzunehmen? […] Hätte er das Werk je produzieren dürfen?“

Auch Oliver Stones Film „Natural Born Killers“ (1994) stand unter großer Kritik und führte den Autor schließlich vor Gericht.

„Der Film schaffe eine ambivalente Identifikationsstruktur mit dem Killerpärchen; der hektische Montagestil und radikale Toneinsatz erzeuge eine tiefgehende Verunsicherung im Zuschauer; schließlich stürze der Film den Rezipienten in eine Krise, wie das Geschehen letztlich ethisch zu beurteilen sei.“ 

Diese Bewertung spricht eigentlich für ein starkes filmisches Kunstwerk, so Dr. Stiglegger. Stone wurde letztendlich aufgrund des Rechts der freien Rede freigesprochen.

Sündenbockdiskussionen gibt es immer wieder. Nach negativen medialen Ereignissen taucht schnell die Frage nach Schuldigen auf. Trotzdem ist es ein wichtiger Aspekt der Medienethik Verantwortungsbereiche abzuklären.

 

Medienzensur und Vorzensur

Generell sieht unsere westliche Kultur von Medienzensur eher ab. In Ländern wie bspw. Deutschland wird Medien- und Kunstzensur im Grundgesetz sogar ausgeschlossen. Ausnahme ist wie bereits erwähnt der Jugendschutz.

Das Problem in der Gesetzgebung des Jugendschutzes sieht Dr. Stiglegger in der Auslegbarkeit verschiedener Paragrafen. Bei „grausamen und unmenschlichen“ Inhalten von Medien gelten diese als beschlagnahmungswürdig. Dabei wurden solche undefinierten Maßstäbe schon manchen Klassikern zum Verhängnis, darunter Tobe Hoopers „The Texas Chainsaw Massacre“ (1974), und George A. Romeros „Dawn of the Dead“ (1978).

Solche dehnbare Bestimmungen können auch zu einer Vorzensur durch die Medienproduzenten selbst führen. Wenn eine Nichtfreigabe gefürchtet wird, bleibt meist auch dem erwachsenen Medienkonsumenten die authentische Fassung verwehrt. Auch spricht Dr. Stiglegger die unterschiedliche Handhabung von Zensur, und somit auch die unterschiedliche Auslegung der Grundsätze der Medienethik, in verschiedenen Ländern an.

Unbestritten ist allerdings der Nutzen des Jugendschutzgesetzes als Einschränkung für Medienschaffende, wenn in der Produktion selbst Gesetze überschritten werden. Dies war bei den vorher genannten Beispielen allerdings nicht der Fall.

Für vermehrte Diskussionen wird in Zukunft auch die digitale Simulation und Animation sorgen. Die Schwierigkeit liegt hierbei in der Argumentation, dass solche Werke deutlich als Fantasie-Konstrukte gekennzeichnet sind. Da diese Bereiche aber immer mehr an Qualität gewinnen, ist der Umgang mit solchen Medien hinsichtlich medienethischer Entscheidungen zu überdenken.

 

Fazit

Es wäre wenig passend, verbindliche Vorgaben für Medienschaffende in allen Bereichen zu erstellen. Medienkünstlern soll es weiterhin möglich sein, mit Grenzen und Tabuthemen zu arbeiten. Dabei muss allerdings ein gewisses Niveau beibehalten werden. Auch sollte die eigene Stellungnahme des Erstellers sichtbar werden, damit sein Werk in sich einen Diskurs über das gezeigte Problem darstellt.

Dr. Stiglegger sieht den Medienkünstler nicht als Verantwortlichen für gesellschaftliche Probleme an. Er weist ihnen aber eine verantwortungsvolle, reflektierende Rolle in allen ethischen Grundfragen, insbesondere bei Tabuthemen und nicht jugendfreien Bereichen, zu.

„Von daher ist die Medienethik in allen Bereichen ein organischer und dynamischer Diskurs, und somit ein fester Teil in der Beschäftigung mit den darstellenden Medien.“

 

Claudia Schett - IMB12, Medienethik, Fachhochschule Vorarlberg, 2014

Quelle

PD Dr. Stiglegger, Marcus: Mitschuld-Mitverantwortung? Problemfelder der Medienethik. Vortrag an der Fachhochschule für Gestaltung. Mainz, 2008, Online im Internet: http://publikationen.ub.unifrankfurt.de/opus4/frontdoor/index/index/ docId/13598  (Zugriff am 25.04.2014)

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