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- Zielgruppen verorten
- Bildung, Wissen und Korruption
- Medienmacht, Netze und Demokratie
- Im Internet organisieren, berichten und eingreifen
- We are what we do
- Taten sammeln und zeigen
- Campact organisiert Bürgerwille
- Apps ausprobieren und empfehlen
- Für Regionalblogs schreiben
- Treibhausgase online kompensieren
- Auf Portalen und mit Social Media kommentieren
- Warnvierecke verteilen
- Einen guten Tag anpeilen
- Regierung, Bauer oder Koch spielen
- Fotoserien publizieren
- Kampagnen gegen Marken umsetzen
- Lob austeilen
- Ablass – Bar inszenieren
- Trockenbrot schenken
- Glockengeläute umdeuten
- Kruzifixe frei deuten
- Regelmässig nichts kaufen
- Die Erde feiern
- Bei Ethify mitmachen
- Eine Transition Gruppe gründen
- Medium sein
Für manche Leute wird Ethify Yourself eine Bestärkung sein, den eingeschlagenen Weg für ein ethisches Leben fortzusetzen, andere werden vielleicht mit einigen Übungen beginnen wollen. Doch über die zehn Prozent Marke kommen wir seit Jahrzehnten nicht hinaus, auch wenn sich viele tausend NGOs weltweit Ökologie und Fairness auf ihre Fahnen heften. Schon die Flower-Power-Generation fuhr 2CV und die Öko-Fundis der 1980er Jahre trugen Birkenstock und verwendeten Jute statt Plastik. Heute ist Bio auch im Supermarkt angelangt, doch wer greift tatsächlich konsequent zu? Um neue Zielgruppen zu bedienen, benötigen wir Kanäle, die auch die anderen neunzig Prozent erreichen und überzeugen.
Zielgruppen verorten
Das Einfordern von Klimaschutzzielen und die Loslösung von Konsum- und Wachstumszwängen muss sich von den üblichen Verdächtigen emanzipieren und endlich weitere Kreise ziehen. Welche Trend - Gruppen beachten diesen Themen wenig oder könnten Ziel einer Kampagne sein? Krisengeschüttelte Boomerangs, also Jugendliche, die wegen finanzieller Probleme wieder bei den Eltern einziehen und für diverse Verheissungen sehr empfänglich wären? Oder Dinkies (double income - no kids), die gerne gut essen gehen und biologischen Wein trinken. Oder mit einer persönlichen Rückbesinnung bei den Frumpies (former radical upward moving people), spätestens bei der Midlife Crisis? Vielleicht sind die Hoffnungsträger die Leonardos, die sich durch eine überdurchschnittliche Bildung auszeichnen und an Kultur, Politik, aber auch neuen Medien interessiert sind. Schulkinder mit hohem Kaufkraftpotenzial, auch Skippies genannt (school kids with income purchasing power) könnten schon jung ihr Kaufverhalten anpassen oder einschränken versuchen. Denn das tun die Puppies sowieso (poor urban professionals). Vielleicht liegt das Potenzial aber auch bei Migranten in der zweiten oder dritten Generation.
Schauen wir uns an, wie Soziologen die Bevölkerung einteilen. Sinus-Milieus® gruppieren Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Die grundlegende Wertorientierung geht dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen zu Arbeit, Familie, Freizeit, Geld und Konsum. Zwischen den unterschiedlichen Milieus gibt es Berührungspunkte und Übergänge.1
Sinus® Milieus in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Quelle: Wikipedia)
Die Entwickler dieser Analysemethode fassen die Vorteile folgendermassen zusammen: „Um Menschen bzw. Zielgruppen zu erreichen, muss man ihre Befindlichkeiten und Orientierungen, ihre Werte, Lebensziele, Lebensstile und Einstellungen genau kennen lernen, man muss die Lebenswelten der Menschen „von innen heraus“ verstehen, gleichsam in sie „eintauchen“. Nur dann bekommt man ein wirklichkeitsgetreues Bild davon, was die Menschen bewegt und wie sie bewegt werden können.“2 Solche Analysen sind keineswegs trivial, und die Zielgruppen sind immer stärker verflochten oder es schlagen mehrere Herzen in einer Person: vormittags konservativ, nachmittags alternativ und abends konsumorientiert. Der Raster leistet jedoch eine erste Orientierung für die Bewertung, welche Medien sich für welche Zielgruppen eignen.
Aktuelle Milieus in Deutschland 2010, dargestellt als Wolken (Quelle: Sinus Sociovision)
Post-materiell oder experimentell zu leben und handeln ist seit den 68ern immer wieder mal hipp. Heute sind es die LOHAS, die einen "Lifestyle of Health and Sustainability" pflegen, die in der obigen Darstellung im rechten oberen Bereich angesiedelt sind. Kathrin Hartmann beschreibt diese Leute in ihrem Buch "Ende der Märchenstunde" jedoch als unpolitisch und elitär: Wer es sich leisten kann, kauft überdurchschnittlich viel öko und fair und tut sich damit vor allem selbst etwas Gutes. Doch mit strategischem Konsum wird die Welt kaum besser, solange wir nicht auch lernen, zu verzichten: auf Fleisch, Autofahren, Flugreisen, Komfort und Luxus. Die "Lifestyle-Ökos" werden mittlerweile als kaufkräftige Kunden umworben und gestalten ihre Angebote in eigenen Zeitschriften und Katalogen: LOHAS sind mit der letzten Mode gekleidet (wenn auch aus Öko-Baumwolle), fliegen zum Wellness nach Indonesien, zum Extrembergsteigen in die Anden oder zur Selbsterfahrung nach Indien (selbstverständlich mit Treibgaskompensation) und fahren mit dem Hybrid-Geländewagen den Sohn zum Cello-Unterricht und am Wochenende mal schnell zum Schifahren in die Alpen. Auch mit Bionade, Hess Natur und "Zurück zum Ursprung": Die gefahrenen und geflogenen Kilometer steigen weiter, ebenso der Fleischkonsum oder die Wohnfläche pro Einwohner. Dieser Lebensstil kann kein Vorbild sein. Wenn alle Menschen einen solchen Pseudo-Öko-Lifestlye anstreben, führt dies ebenfalls zur globalen Katastrophe.2b
In den nun folgenden Beschreibungen und Entwürfe von Medien testen wir diese auf ihre dialogische und katharsische Qualität. Welche Medien eignen sich, Argumente glaubhaft zu transportieren, Leute in einen Diskurs einzubinden, Werte zu ordnen oder ein ethisch wertvolles Erlebnis zu vermitteln? Neben Internet-Portalen, Spielen oder Inszenierungen erläutern wir auch die Ziele und Möglichkeiten der Ethify Plattform.
Weiters beschreiben wir hier Ideen und Übungen zu einer kulturellen Betätigung, um die Ziele und Wege für ein ethisches Leben und Handeln einem weiteren Kreis zugänglich zu machen. Manche Medien müssen noch weiter entwickelt werden, andere gibt es noch gar nicht und warten darauf, in dieses Kapitel im Online Buch einzuziehen. Doch zunächst werfen wir einen kritischen Blick auf die heutige Medienwelt und ihre - oftmals vertane - Chance zur Vermittlung ethischer Werte.
Bildung, Wissen und Korruption
Denken wir zurück an die drei Stufen der Moralentwicklung, die auch in der modernen Medienwelt von Bedeutung sind. Besonders gilt dies, wenn Medien unter die Kontrolle von ethisch nicht sehr gut entfalteten Menschen geraten, die auf der präkonventionellen Ebene stecken geblieben sind. Diese werden mittels Korruption versuchen, die Durchsetzung und schon die Gestaltung von Gesetzen zu ihren Gunsten zu manipulieren. Die Moderne setzt dagegen die Demokratie, die über die Gewaltenteilung und das allgemeine Wahlrecht einen fairen Interessenausgleich und ein menschenwürdiges Leben für alle garantieren soll. Die Mächtigen sollen dabei durch eine freie Öffentlichkeit und freie Medien kontrolliert und davon abgehalten werden, für sich, ihre Familien und ihre Konzerne Vorteile auf Kosten der Menschenrechte anderer herauszuholen. Solche komplexen Zusammenhänge zu verstehen setzt bei der Bevölkerung aber angemessene Bildung, aktuelle Berichterstattung über relevante Vorgänge und politisches Interesse voraus.
In unseren heutigen Mediengesellschaften eröffnen sich den Reichen und Mächtigen leider auch immer wirksamere Möglichkeiten, die Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu manipulieren. Dabei liegt es in ihrem Interesse, den Menschen Bildung weitestgehend vorzuenthalten, etwa durch Verkürzung von Schul- und Studienzeiten oder durch Propagierung von Bildungsverweigerung in ihren Medienproduktionen: In der mit professioneller Hochkomik produzierten, von einigen sogar für „subversiv“ gehaltenen Zeichentrickserie „Die Simpsons“ etwa findet Streberin Lisa keine Freunde, bleibt Umweltverbrecher Burns immer siegreicher Millionär.
Wenn die Bildung zur puren Berufsausbildung degradiert und das politische Interesse abgetötet ist, fällt auch kaum noch auf, dass aktuelle Berichterstattung über relevante Vorgänge langsam verschwindet. Medien liefern heute oft stereotype, einschläfernde Hofberichterstattung statt Kritik und Analyse. Vorurteile werden bedient und gepflegt, vorzugsweise, wenn sie den Machthabern schmeicheln und ihre Gegner herabsetzen. Ein Beispiel: Wenn einmal ein korrupter Politiker oder Industrieller erwischt wird, folgt meist eine stereotype Skandalisierung, die alles auf die Person schiebt und nicht nach Hintergründen und echter Abhilfe fragt. Am Ende stehen die üblichen Experten, die stereotyp höhere Strafen und mehr Polizeimittel fordern und vielleicht ein PR-Vertreter des Unternehmens, der Besserung durch Selbstverpflichtung auf einen neuen Ehrenkodex („Corporate Governance“) gelobt. Stereotyp ist dabei auch die Auswahl der Experten: Die als NGO zur objektiven Instanz erklärten Gruppe „Transparency International“ (TI) dominiert nahezu alle Medienberichte.
Selten oder gar nicht wird dabei erwähnt, dass TI von Bankern und Industriellen mit Geld der Industrie gegründet wurde, um Korruptionsbekämpfung industriefreundlich zu organisieren. Verschwiegen wird gern, dass der viel zitierte TI-Korruptionsindex schlicht eine Befragung von Industrievertretern und Geschäftsleuten darstellt, in welchen Ländern sie für ihre Geschäfte wie oft und wie viel Schmiergeld zahlen müssen. Für Industrielle ist dies sicher eine hochinteressante Fragestellung, die unter Leitung eines gewissen Professor Johann Graf Lambsdorff jährlich untersucht wird. Diese Sicht auf Korruption ermöglicht es unseren westlichen Machthabern, bei diesem Thema mit dem Finger zuerst auf Länder im Süden und Osten zu zeigen. Das ist bequem und bedient das Stereotyp von der „Bananen-Republik“. Fragen der korruptiven Wirtschaftskriminalität, die in Norden und Westen mehr Bedeutung haben, fallen dabei unter den Tisch: Schwarzgeldwäsche, Umwelt- und Ausbeutungsverbrechen (z.B. Kinderarbeit), Steueroasen und -hinterziehung, Privatisierungen, Lobbyismus.35
Der von Menschenrechts- und Ökogruppen erkämpfte politische Einfluss von NGOs hat generell dazu geführt, dass die Wirtschaft diesen Sektor für ihre PR-Arbeit entdeckt hat, um ihre Medienmacht weiter auszubauen.36 Inzwischen existiert eine ganze Marketingindustrie, die das Installieren bzw. Vortäuschen von NGOs anbietet, welche die Lobbystrategien grosser Konzerne unterstützen sollen. Bei erstaunlich vielen NGOs kommt inzwischen ans Licht, dass ihre Gründer aus den Marketingabteilungen grosser Konzerne stammen, die just auf dem Feld ihr Geld verdienen, wo die NGO angeblich für Gemeinwohl und Bürgerinteressen arbeitet. Die NGO „Center for Consumer Freedom“ beispielsweise agierte gegen Rauchverbote und erwies sich als finanziert von der Tabakindustrie,37 die 1992 vorgeblich zur Bekämpfung der Wegwerf-Kultur lancierten „Waste Watchers“ wurden von einem Ex-Pressesprecher der Verpackungsmittel-Industrie initiiert, ein Verein zum angeblichen Schutz der Kinder vor Werbung wurde ausgerechnet von einem Manager des Kinder-, Fernseh- (und Werbe-) Kanals Super-RTL gegründet. Diese Liste liesse sich fortsetzen und das Phänomen hat auch schon einen Namen: „Astroturf“, das englische Wort für Kunstrasen, ist eine neue PR-Masche, bei der Firmen über ihre im Garten verbuddelten Leichen „mediales Gras“ wachsen lassen können –mit fingierten NGOs.38 Die Mainstreammedien schlucken die mit Sekt und Lachshäppchen verabreichte PR-Propaganda und jubeln bei Aufdeckung der Zusammenhänge womöglich noch über das vermeintliche karitative Engagement der Unternehmen, die ja schliesslich eine NGO finanziert haben. Deshalb kennt heute fast jeder Transparency International, aber kaum einer hat je von Astroturf-Marketing gehört.
Medien sollten eigentlich einer aufmerksamen Öffentlichkeit die politische Kontrolle der Mächtigen erlauben. Doch die Realität der Massenmedien ist heute meilenweit vom hochgehaltenen Ideal des unabhängigen, mutigen Journalisten entfernt. Die meisten Menschen mit Medienausbildung arbeiten inzwischen für Marketingabteilungen und PR-Agenturen. Die übrigen Journalisten stehen unter wachsendem politischen und ökonomischen Druck, ein „gutes Werbeumfeld“ zu schaffen. Selbst bei den öffentlich-rechtlichen Medien herrscht Anpassungsdruck über die Einschaltquoten der privaten Konkurrenz. Für kritische Recherchen bleibt immer weniger Zeit und so greift man auf Presseerklärungen und Werbematerial von Regierungsstellen, Interessengruppen und Unternehmen zurück.
Vertreter der Medienindustrie bemerken dazu zuweilen zynisch, die Menschen hätten es ja nicht anders gewollt, schliesslich stände es jedem frei, Nachrichten- und Bildungsprogramme statt Heile-Welt- oder Actionfilmen zu bevorzugen. Aber erstens haben auch kulturell anspruchsvolle Minderheiten ihre Rechte, zweitens funktioniert langfristig die Demokratie nicht ohne Informations- und Bildungsmedien und drittens müssen wir an Kinder und Jugendliche denken, denen wir in anderen Bereichen schliesslich auch einen Schonraum für die Entwicklung moralischer Einstellungen schaffen. Ob die derzeitigen Jugendschutzgesetze hier ausreichen, darf bezweifelt werden, da sie nur Sex- und Gewaltdarstellungen regeln und auch dies nicht sehr effektiv.
Ethisches Verhalten heisst in diesem Umfeld zunächst einmal, sich nicht vom Infotainment –vorzugsweise über die Skandälchen der Reichen und Schönen, aber auch über den Rest der Welt– einlullen zu lassen. Solange es noch kritische Medien gibt, brauchen diese auch Abonnenten und es genügt nicht, sich im Internet die Information „selbst“ zu suchen. Auch was kritische Blogger schreiben, basiert letztlich zumeist auf dem wenigen guten Journalismus, der noch nicht von den grossen Konzernen überrollt wurde. Wer sich selbst zum Bloggen berufen fühlt (heute eine verschwindende Minderheit der Netznutzer), kann selbstverständlich eine wichtige Aufgabe in der Medienwelt übernehmen, wird aber bald feststellen, wie hart der Kampf um Aufmerksamkeit ist. Nur sehr wenige können sich ein Publikum schaffen und nur selten kann aus der Blogosphäre etwas in die breiten Massenmedien gelangen. Umgekehrt stehen alle Blogger unter dem Bilderregen der Medienindustrie und sind ihren Einflüssen ausgesetzt. Dabei geht es meist um ökonomische Interessen, die jedoch auch in Angriffe auf die Menschenrechte ausufern können, wenn etwa in Medienkampagnen gezielt gegen Arme, Alte und Kranke gehetzt wird.39
Medienmacht, Netze und Demokratie
Die schon in den 60er-Jahren aufgestellten Forderungen nach einer Beteiligung der Nutzer elektronischer Medien an einer demokratisch organisierten Medienproduktion, ist seit den 80er-Jahren langsam zur Wirklichkeit geworden. Gerade das Internet bot von Anfang an vielen Menschen Gelegenheit, abseits der offiziellen Medien eigene Formen der Öffentlichkeit zu entwickeln. Die Gegenkultur der Hacker pflegte zu dieser Zeit bereits eine mediale Subkultur, die es neben Piratenradios und –videofilmern zu einer Verwirklichung der partizipativen Mediennutzung gebracht hatte: im Internet mit Mailboxen, Chatrooms und dem Usenet, diese wurden von Foren und Mailinglisten abgelöst. Heute hat sich dies zunächst als avantgardistische Mediensubkultur begonnene Medienfeld in Weblogs (Netztagebüchern), Freundschaftsnetzwerken und Wikis (selbstorganisierten Netz-Enzyklopädien) zu einem Massenphänomen, wie manche meinen zu einer „heimlichen Medienrevolution“ ausgeweitet.3
Wir müssen jedoch kritisch resümieren, dass die befreiende, die Gesellschaft von medialer Bevormundung hin zur Demokratie entwickelnde Wirkung partizipativer Mediennutzung nicht so eingetroffen ist, wie damals erhofft. Die Aneignung der Technologie ist hinter ihrer Kommerzialisierung zurück geblieben und das Web2.0 gilt als Wirtschaftssektor, in dem Identitäten und Kommunikationsbeziehungen zu Handelsobjekten degradiert werden. Die Berichterstattung über den Studenten-Onlinedienst „StudiVZ“ brachte es immerhin mit einer simplen Änderung der AGB bis in die Hauptnachrichten: Die Betreiber, die sich von einem ambitionierten Studentenprojekt zu einem viele Millionen kostenden Dotcom-Unternehmen entwickelt hatten, wollten die privaten Daten der Nutzer im grossen Stil kommerziell vermarkten. Man sah sich immerhin gezwungen, die Community zu beschwichtigen, es ginge nur um „Targeting“, zielgruppengenaues Marketing. Doch ein Geschäft mit den persönlichen Daten der Nutzer blieb es gleichwohl. Das löste zwar Proteste aus, die aber letztlich durch die ökonomische Macht der Firma überwältigt wurden. Die Fähigkeit der StudiVZ-Kunden, ihre Interessen zu erkennen, untereinander zu diskutieren und politisch wirksam zu vertreten war gescheitert –trotz der Vielfalt an elektronischen Medien und partizipativer Nutzungsmöglichkeiten. Mangelt es den Studenten an Medienkompetenz? Oder hat sich bei Menschen unter 30 eine politische Einstellung durchgesetzt, die Bequemlichkeit höher wertet als demokratische Grundrechte?
Heute wird in der Medienwissenschaft davor gewarnt, dass Selbstverwaltung und demokratische Netzorganisation bei kommerzieller Auswertung in die Hände der global player der Netzindustrie (Google, Microsoft, Bertelsmann u.a.) führen kann.4 Die Kreativität der Nutzer etwa von P2P-Börsen oder bei MySpace wird vor den ökonomischen Karren grosser Konzerne gespannt, die letztlich sicher kaum an neuen Formen von Netzdemokratie interessiert seien. Vielmehr handle es sich um die 'alten Mächte', vor denen schon Manuel Castells gewarnt habe, und die nur an einer Übertragung ihrer Vormachtstellung in Wirtschaft, Politik und Medien in die Netzwelt arbeiten würden. Die neuen „Beziehungsagenturen“ des Web2.0 sind dabei potenziell besonders übermächtige Kontrolleure der Netzcommunities. Damit sind wir vom Thema kollektiver und partizipativer Netznutzung und Netzökonomie zum Gebiet der Ethik, Politik und der Gefahr für unsere Demokratie vorgedrungen.
Der Informationsmarkt im Sinne der Aufteilung und Verwertung von Medien und Inhalten zwischenmenschlicher Kommunikation macht gegenüber anderen Märkten keine Ausnahme. So warnt Rafael Capurro, der Ethiker der Informationsgesellschaft: Es gehe hier - wie auch im Falle von Rohstoffen oder industrieller Produktion - um Besitz, Kontrolle und Macht. Die digitale Vernetzung, also die Ausbreitung der Netzmedien, verändere jedoch abermals die Rahmenbedingungen der über Jahrhunderte gewachsenen gesetzlichen und moralischen Regeln im Umgang mit Schrift, Bild und Ton. Capurro strebt eine Kritik am Technozentrismus an, die wieder menschliches Mass in eine von der Informatik, ihren Konzepten und Produkten beherrschten Welt bringen will.5 In Datenschutz und Copyright, Zensur und Kontrolle sowie dem Zugang zu und Austausch von elektronischen Sendungen aller Art sieht Capurro Themen, die zur Zeit zu Recht auf allen gesellschaftlichen Ebenen zum Teil engagiert diskutiert werden. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei bestenfalls auf das Mass des Wünschbaren oder schlimmstenfalls auf das Mass des Erträglichen. Den klassischen Ausdruck für die Suche nach einem Mass menschlicher Handlungen sieht er dabei in der Gerechtigkeit: Wie ist Informationsgerechtigkeit im Zeichen der Globalisierung aufzufassen?
Gerecht heisst, gerecht zu verteilen: Dinge, Aufmerksamkeit und vor allem Macht. Doch daran hapert es immer mehr, auch und vielleicht sogar gerade in den Netzmedien. Das Problem des Datenschattens, den wir alle werfen, hat sich mit den Netzen, dem WWW, aber auch den Mobiltelefonen, dem Online-Banking über das Internet usw. vervielfacht. Es droht die Übertragung des zentralistischen Kontrollparadigmas der Massenmedien, die durch das Verbot von Zensur in modernen Staaten gerade erst etwas gelockert wurde, auf ein dezentrales Medium wie das Internet. Die Privatisierung der Macht, die durch gigantisch angewachsene Kapitalmengen droht,6 könnte sich hier ein neues Feld schaffen. Aber auch die Gefahr einer dezentrierten Überwachung durch private Institutionen, Unternehmen, Gruppen ist nicht von der Hand zu weisen.
Ein scharfer Kritiker dieser Entwicklung, Reg Whitaker, Politologe und Spezialist für Nachrichtendienste, warnt, dass es bald keine Privatsphäre mehr für uns geben wird. Neue Überwachungstechnologien schaffen in zunehmendem Masse den ,gläsernen Bürger' und schränken gnadenlos die privaten Freiräume ein. Whitaker ist daran gelegen, auf das Ausmass dieser Gefahren hinzuweisen, das aus den Netzmedien im Zusammenspiel mit Überwachungstechniken und Datenhunger von staatlichen wie privaten Bürokratien entsteht. Er wies schon 1999 auf drohenden Missbrauch von Nutzerdaten hin, wie er heute, etwa im Fall StudiVZ, erst ansatzweise deutlich wird.7 Die allgemeine und insbesondere in den Netzmedien betriebene Überwachung ist seit damals ausgebaut worden, hat jedoch weniger politischen Widerstand erzeugt. Der Grund dafür ist die seit der Abrüstung des Ost-West-Konfliktes in den 90er-Jahren ab dem 11.9.2001 nunmehr wieder legitimierte Remilitarisierung der Welt. Im Krieg gegen den Terror ist alles erlaubt, so scheint es. Wenn man Folterbilder aus Guantanamo und dem Irak sieht, fragt man wohl weniger nach der hiesigen Verletzung der Privatsphäre, da sie vergleichsweise harmlos erscheint. Tut man es doch, wird einem vermutlich die Terrorgefahr entgegen gehalten und auf Erfolge durch Internet-Fahndung nach Islamisten verwiesen. Die Medien sind Teil der Verbreitung der neuen, militarisierten Weltsicht, die letztlich leider jeder Gruppe, die über genug Macht und Geld verfügt, um von irgendwem, der irgendwie dazu aufgehetzt wurde, ein paar hundert Menschen in die Luft sprengen zu lassen, alle Möglichkeiten einräumt unsere Grundrechte fast nach belieben zur Disposition zu stellen. Es ist nahe liegend, dass hinter derartigen politischen Entwicklungen auch ökonomische Interessen verborgen liegen.
Whitaker verweist auf einen möglichen Zusammenhang dieser politischen Entwicklung zur Ökonomie, wo im Zeichen des Neoliberalismus die sozialen Grundrechte eingeschränkt werden. Wenn die Steuern für Wirtschaft und Geldelite gesenkt werden, der Sozialstaat dafür abgebaut wird, verelenden viele Menschen. Diese zunehmend deklassierten, verarmten und verzweifelten Massen können heute mittels elektronischer Überwachung immer besser unter Kontrolle gehalten werden, im äussersten Fall im modernen Gefängniswesen, sollten sie mit dem Strafrecht in Konflikt geraten sein. Die USA hält 1 Prozent der Gesamtbevölkerung in Haft, 2008 waren es 2,3 Millionen US-Amerikaner. In China sitzen schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen im Gefängnis, in Russland 890.000.8 Überwachung erscheint dabei als Voraussetzung der derzeit laufenden massiven Umverteilung von Reichtum von unten nach oben. Der durch videotechnische Überwachung gestellte Einbrecher, der durch Computerabgleich bei der Leistungserschleichung erwischte Hartz IV-Empfänger und die bei StudiVZ in einer Kunden-Profiling-Datenbank erfasste Studentin sind aus dieser Perspektive alle Opfer eines in seiner Logik zusammenhängenden gesellschaftlichen Degenerationsprozesses.
Unsere Gesellschaft wird zunehmend durch Medien, vor allem Netzmedien, geprägt. Freiheitsrechte, Selbstbestimmung und die Demokratie, die uns diese garantieren soll, stehen dabei immer öfter auf dem Spiel. Die durch die Technologie des Computers ermöglichte „Wissens- und Informationsgesellschaft“ scheint derzeit eher in Richtung auf Orwells Anti-Utopie der totalen Überwachung hinzulaufen, als in ein Schlaraffenland der Medien und der Wissensbestände. Überwachung erzeugt Angst und diszipliniert die Menschen, so dass ihre Widerstandskraft gegen Ausweitung der Überwachung abnimmt. Aus Angst, möglicherweise auch geködert von einer Vielfalt medialer Wege in den Eskapismus, in Welten der Sicherheit und Bequemlichkeit, wenden sich viele von politischem Engagement ab. Der Flucht ins private Glück steht aber zunehmend die Macht der ökonomisch Herrschenden entgegen, die ihre so gewonnene Kontrolle zur Maximierung ihres Reichtums auf Kosten der Allgemeinheit nutzen. Ausplünderung öffentlicher Güter, Verteufelung und Abbau des Sozialstaates, beschränkter Zugang erst zur Bildung, dann vielleicht zur Gesundheitsversorgung, zu Wohnraum, Wasser, Nahrung, letztlich die Möglichkeiten einer totalitären Gesellschaft neuen Typs sind gross.
So lange die Bürger der auf dem Papier immer noch alle Freiheitsrechte garantierenden westlichen Demokratien sich in der Wahlkabine noch unbeobachtet glauben, ist eine politische Korrektur der gefährlichen Fehlentwicklungen immer weiterhin möglich. Ob bei einer flächendeckenden Einführung elektronischer Abstimmungsverfahren diese Freiheitsrechte noch so wahrgenommen würden? Die schon angesprochenen Protagonisten der demokratisierenden Aspekte der Netzmedien, die Subkultur der Computer-Hacker, hat sich –ihrer ansonsten kaum zu entmutigenden Technikbegeisterung zum Trotz– in den letzten Jahren schwerpunktmässig mit der Verhinderung einer Einführung der Computer-Wahlverfahren eingesetzt und es sich nicht nehmen lassen, die entsprechenden Computer-Wahlautomaten einen um den anderen zu „knacken“9. Die technologische Avantgarde fordert mit Nachdruck das Festhalten an Papier und Feder. Das sollte selbst Konservative von der Möglichkeit einer die Bürgerrechte achtenden Gesellschaft der Netzmedien überzeugen.
Ohne einen zähen politischen Kampf gegen die „alten Mächte“ kann dies selbstverständlich nicht geschehen. Denn mit ihren gewaltigen globalen Konzernen, vor allem den uns manipulierenden Medienkonzernen, ihren Verbindungen zu Think Tanks, Regierungen, internationalen Organisationen und Geheimdiensten haben sich diese Mächte bereits mit allen Mitteln in diesen Kampf um die Netzmedien geworfen. Die Forderung nach mehr Medienkompetenz ist demnach weit mehr als nur ein pädagogisches Programm, es ist ein Aufruf zu einer zweiten Aufklärung, zu der Befreiung des Menschen aus seiner medialen Unmündigkeit. Die Netzmedien sind zu wichtig, um sie unreflektiert zu konsumieren oder nur für den eigenen Vorteil zu nutzen. Blogger müssen versuchen, sich mit anderen Medien zu verbünden und eine Sprache zu finden, die Menschen unterschiedlicher Milieus anspricht.
In der Folge beschreiben oder entwerfen wir einige Medien, welche den Diskurs und das Bewusstsein um Ethik auffrischen sollen.
Im Internet organisieren, berichten und eingreifen
Im Netz gibt es mittlerweile einige Plattformen, die einladen, über kleine oder grosse Taten zu berichten oder mit denen Kampagnen organisiert werden können. Diese sind meist mit Social Media Plattformen oder Mailing Listen verbunden, worüber Gruppen und Unterstützer effizient erreicht werden können.
We are what we do
We Are What We Do ist eine internationale Bewegung, die durch ein unabhängiges Not-For-Profit-Unternehmen mit Hauptsitz in London, Grossbritannien organisiert wird. Dieses will Menschen inspirieren mit einfachen, alltäglichen Dingen die Welt zu verbessern. Sie ist bestimmt durch die Überzeugung, dass jeder durch kleine Veränderungen in seiner Einstellung und seinem täglichen Leben etwas bewirken kann und so gemeinsam die Welt verändert werden kann.
Die Basis der Bewegung ist das Buch "Einfach die Welt verändern", das im Herbst 2004 in Grossbritannien ("Change the World for a Fiver") und im Februar 2006 in Deutschland erschienen ist. Das Buch wurde schnell zum internationalen Bestseller: weltweit wurden bisher über 500.000 Exemplare verkauft, in Deutschland alleine mehr als 100.000 und inzwischen ist schon der zweite Band "Einfach die Welt verändern im Job" erschienen. We Are What We Do finanziert sich über den Verkauf dieser Bücher. Langfristig soll die Bewegung als soziales Unternehmen in verschiedenen Ländern gegründet werden.
Einfache Taten auf WeAreWhatWeDo.org berichten
Ausgangspunkt der Bewegung ist der Ausspruch von Gandhi: "Sei die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst" und die Aktionen in den Bücher sind entstanden, indem Bürger gefragt wurden: "Welche einfachen Aktionen können du und eine Million Menschen durchführen, um die Welt zu verändern?". Die langfristige Zielsetzung ist, We Are What We Do als eine weltweit agierende, soziale Marke zu etablieren. Die geschützte Marke "We are What We Do" steht hierbei für positive gesellschaftliche Veränderung und soziale Verantwortung und verfolgt einen sozialen Zweck. Das Unternehmen ist in Grossbritannien als Community Interest Company eingetragen und verpflichtet sich damit, allfällige Gewinne für gemeinnützige Zwecke zu verwenden.19
Taten sammeln und zeigen
Kampagne von Greenpeace mit Klimaschutz - Vorschlägen
Als internationale Umweltorganisation lag Greenpeace im Jahr 2009 den Schwerpunkt seiner Arbeit auf den globalen Klimaschutz. Bis zur Klimakonferenz in Kopenhagen sollte auch den Menschen in Österreich die Möglichkeit geben werden, selbst aktiv einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Greenpeace startete in Österreich die Kampagne „1.000.000 Taten für den Klimaschutz“ mit einem Internet-Portal (www.1000000taten.at) wo Besucher ihre individuelle Klima-Tat setzen können – vom Überprüfen des Reifendrucks beim Auto bis hin zur Installation eines Solarpanels – um so Energie, CO2 und nicht zuletzt Geld zu sparen. Der Effekt wird in gespartem CO2 Austoss berechnet.
Campact organisiert Bürgerwille
Campact startet Kampagnen, wenn brisante Themen auf die politische Agenda kommen und Entscheidungen anstehen. Campact ist keine Fachorganisation für ein spezielles Thema, sondern eine Art Agentur, die als Verein in Deutschland organisiert ist. Campact arbeitet wir mit Partnerorganisationen zusammen, etwa mit der Deutschen Umwelthilfe, dem NABU, Attac, Oxfam, LobbyControl und Mehr Demokratie zusammen.
campact.de als Aktionsplattform
Apps ausprobieren und empfehlen
Jede Woche zwei Herausforderungen annehmen. Im Forschungsprojekt EcoViz entwickelten das Interaction Design Lab der Fachhochschule Potsdam und die Raureif GmbH ein einfaches Spiel, das einen durch die Herausforderungen für ein besseres Leben führt.
Wöchentlich wechselnde Inhalte zum Thema Nachhaltigkeit wecken kontinuierlich das Interesse des Nutzers. Viele kleine Maßnahmen können für große Veränderungen sorgen. Mit Themen wie Regionales Essen oder Sauberes Licht werden viele kleine, wirksame Maßnahmen behandelt. Im integrierten Kalkulator kann der Nutzer seine persönlichen Lebensgewohnheiten überprüfen und mit dem bundesdeutschen Durchschnitt vergleichen.
Die Anwendung Eco-Challenge ist derzeit nur für iOS im iTunes Store erhältlich. Der Quellcode ist jedoch offen, das heisst die Anwendung kann auch mit anderen Inhalten befüllt werden.
Die App Skeptical Science listet die Argumente der Klimaforscher auf, die auf deren gleichnamigen Homepage wissenschaftliche Arbeiten zum Klimawandel vergleichen.
Die App Climate Change simuliert Annahmen eines Spielers.
Für Regionalblogs schreiben
Journalismus ist die vierte Säule einer Demokratie. Legislative, Exekutive und Justiz müssen unter öffentlicher Beobachtung stehen, damit eine Republik funktioniert. Es kann nicht alleine die Aufgabe der Opposition und des Rechnungshofes sein, der Politik auf die Finger zu schauen. Daher haben viele Staaten einen öffentlichen Rundfunk sowie Presseförderung eingerichtet. In Österreich erhält der ORF mehr als 500 Millionen Euro an Gebühren pro Jahr20, kämpft jedoch mit einem steten Schwund an Hörern und Sehern. Und die Presseförderung war in Österreich mit 14 Millionen Euro21 immer nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Schweiz hat 2006 ein Gebührensplitting eingeführt: 4% der SRG-Gebühren gehen an andere Anstalten. In einer Volksabstimmung stimmten die Schweizer 2018 auch mit 71,6% Mehrheit für eine Beibehaltung des öffenlich-rechtlichen Rundfunksystems.
Doch der Berufsstand der Journalistinnen ist überall gefährdet: Redaktionen werden aufgelöst und Inhalte werden von Content-Lieferanten bereit gestellt. Schnelle Informationen sind heute billig, doch Qualität bleibt aufwändig. Ob ein Beitrag gut recherchiert oder von einem PR Artikel abgeschrieben wird, ist den Medienproduzenten zunehmend egal. Qualitätsjournalismus heisst aber, hinter die Kulissen zu schauen, investigativ vorzugehen, sich für eine Geschichte Zeit nehmen zu können und zum rechtzeitigen Moment aufzudecken. Das ist mitunter unangenehm für die Politik, aber das Elixier einer lebendigen Demokratie.
Die Medienlandschaft befindet sich nicht nur auf der Seite der Produzenten, sondern vor allem auch bei jungen Nutzern in einem rasanten Umbruch. Wenn sich 2009 eine halbe Million Österreicher in Social Networks wie Facebook tummeln oder einen eigenen Blog schreiben, dreht sich der Selektionsmechanismus um. Nicht mehr die Medien bestimmen, was relevant ist, sondern wir vertrauen zunehmend unseren Freunden, die als soziale Filter auch im Internet für uns auswählen, was lesenswert ist.
Wenn nun den Journalisten ihr Status abhanden kommt, dann sollen sie ihre Produktionsmittel selbst in die Hand nehmen und Anbietergemeinschaften formieren. Über Ausschreibungen an Medienförderungen könnten sie wenigstens teilweise ihre Autonomie zurückerhalten. Die Abwicklung könnte sich an das Modell der Forschungsförderung anlehnen, wo ebenfalls Themen zur Bearbeitung ausgeschrieben werden: Die Teams würden sich nicht nur über öffentliche Ausschreibungen finanzieren, sondern könnten auch mit Medienhäusern Abnahmekontingente vereinbaren oder Inhalte frei unter einer Creative Commons Lizenz im Internet zur Verfügung stellen. Verlage, Privatradios oder öffentliches Fernsehen würden sich so auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, nämlich Marketing und Vertrieb. Journalisten könnten so Kooperationen etwa mit Dokumentarfilmern eingehen und Kino, TV, Radio, Web und Print im In- und Ausland zugleich betreuen. Mit einer teilweisen Umverteilung der Rundfunkabgaben wäre sichergestellt, dass die Gebühren auch dort ankommen, wo sie den höchsten Impact haben: in der Vielfalt der Aufbereitung qualitativer Inhalte in allen geeigneten Medien.
Im Bundesland Vorarlberg herrscht eine absolute Medienkonzentration, wo ein Medienhaus zwei Tageszeitungen, eine Gratiszeitung und eine Radiostation kontrolliert. Von 2007 bis 2010 syndizierten 30 Blogger auf „vorarlblog.at“ ihre Berichte. Dieses Zero-Budget Projekt trug wesentlich dazu bei, dass heikle Themen hinter dem Berg hervorgeholt und sichtbar wurden. Solche Gemeinschafts-Blogs mit Lokalbezug finden auch in anderen Regionen ihre Nachahmer. Die empfohlene Strategie ist heute, mit abgesprochenen Hashtags in Sozialen Medien zu arbeiten und diese wieder einzusammeln. Das kann jede/r über die Scuhfunktion von Instagram oder Twitter, oder man stellt eine Social Media Wall auf und verlinkt diese. So macht es auch die Region Vorderland, die damit die Gemeindekommunikation ins 21. Jahrhundert führen möchte.
Treibhausgase online kompensieren
Gegen den Einwurf von Münzen lässt sich mittlerweile das schlechte Gewissen vertreiben. Flugpassagiere können etwa freiwillig für die von ihnen verursachten Klimagase bezahlen. atmosfair ist eine gemeinnützige GmbH, die die Kompensation organisiert. Das Geld wird in Solar-, Wasserkraft-, Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert, um dort jene Menge Treibhausgase einzusparen, die eine vergleichbare Klimawirkung haben wie die Emissionen des Flugs. Projekte nach CDM (Clean Development Mechanism) werden so ausgewählt, dass sie Aussichten darauf haben, als Gold Standard22 deklariert zu werden. Die Betreiber sind der Meinung, dass „sich der Schaden, der für die Umwelt durch einen Flug entsteht, nicht ungeschehen machen – genauso wenig wie eine Plombe einen kranken Zahn heilen kann. Doch in beiden Fällen ist ein Reparaturversuch ohne Zweifel besser als die Hoffnung, durch Aussitzen werde sich das Problem schon irgendwie von selbst lösen.“23
Atmosfair finanziert sich hauptsächlich aus Spenden. Weitere Einnahmequellen sind Zinseinnahmen aus Rücklagen sowie Erträge aus dem Verkauf von CO2-Bilanzierungssoftware. Atmosfair verspricht, mindestens 80 Prozent der eingegangenen Spenden direkt in CO2-Reduktionsmassnahmen zu investieren.
Kritiker bezeichnen die Emissionskompensation als Greenwashing oder modernen Ablasshandel, weil die im Flugverkehr ausgestossenen Treibhausgase durch atmosfair nicht reduziert werden. Tatsächlich steigt weiterhin die Anzahl der Fluggäste in Europa, auch trotz Finanzkrise und Aschewolke. Greenpeace kritisiert an der Emissionskompensation, es entstehe der Eindruck, man könne so weitermachen wie bisher und brauche lediglich die Flüge zu kompensieren.24
Auf Portalen und mit Social Media kommentieren
Was früher der Leserbrief war, sind heute Kommentare im Internet. Mit einer pfiffigen Anmerkung sind bei einem wichtigen Ereignis in einem Online Medium viele Menschen erreichbar. Hierbei können zwei Strategien verfolgt werden. Erstens, dort zu kommentieren, wo man schon bekannt ist und die eigene Kompetenz zeigen will. Oder zweitens, bewusst sich in Medien einzubringen, welche Zielgruppen ansprechen, die nicht die eigene repräsentieren. Beides kann Spass machen. Ersteres trägt zum Ausbau einer Community und Kultur bei, Fachleute meinen sogar, dass das Internet eine neue Welle der kulturellen Urbanisierung auslöst, sich also Milieus bilden, die gerne unter sich bleiben. Die zweite Strategie ist eine Intervention im öffentlichen Raum oder einfach Überzeugungsarbeit. In einem sozialen Medium wie Facebook heisst dies etwa, eine Identität aufzubauen, welche nicht notwendigerwesie den eigenen Interessen entspricht, sondern jener der Zielgruppen, die man bearbeiten möchte. Bei einer Diskussion über Elektroautos ist etwa klarzustellen, dass allein die Produktion eines Autos bereits die Hälfte des Energieverbrauchs mit allen Füllungen bis zur Verschrottung ausmacht. Oder in einem Online Shop für Auto - Zubehör Aufkleber anbieten, die vor den Gefahren des Autos warnen.
Kim und Roland bringen Argumente gegen den Kauf eines geförderten Elektroautos
Warnvierecke verteilen
Das Kunstprojekt "Warnviereck" bietet eine Gestaltungsvorlage für Interventionen im öffentlichen Raum. Abgeleitet von Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen, kommuniziert das angewandte Format Ernsthaftigkeit und Betroffenheit. Mit einem emotionalen Statement und ergänzenden Fakten sollen Tabus angesprochen werden, die in anderen Medien wenig Raum finden. Die Verbreitung erfolgt viral durch Betroffene, indem sie die Hinweise spontan auf Objekten im öffentlichen Raum reversibel anbringen.
Einfachste Handhabbarkeit ohne Investitionen tätigen zu müssen bestimmt das Produktionsverfahren. Die Vervielfältigung der Blätter, die einfach in der Tasche transportiert werden können, erfordert lediglich einen PC mit A4 Drucker. Die Vorlage wurde mit der Freien Software "OpenOffice Impress" umgesetzt, als Font kommt FreeSans zum Einsatz und die Vorlage selbst ist "Creative Commons" lizensiert. Eine Bearbeitung der Gestaltungsvorlage ist somit ohne weitere lizenzrechtlichen Abklärungen möglich.
In der konkreten Serie "Warnviereck.org" liegt der Schwerpunkt auf verkehrspolitischen Problemzonen des motorisierten Individualverkehrs in Österreich. Das Auto geniesst nach wie vor einen hohen Stellenwert quer durch alle Bevölkerungsschichten. Wie die Zigarette ist auch das Auto emotional stark besetzt - rationale Appelle etwa von Umweltschützern, die Nutzung zu reduzieren, stossen meist auf taube Ohren.
Auch wenn Warnhinweise auf Rauchwaren anfangs belächelt worden waren, ist der Effekt nachhaltig sichtbar. Die rigiden Einschränkungen in vielen europäischen Staaten finden überraschenderweise - bis auf wenige Ausnahmen - auch in der Bevölkerung Akzeptanz. Erklärtes Ziel des "Warnvierecks" ist es, dass die Autoindustrie die Auflage erhält, entsprechende Warnhinweise bei ihrer Werbung, an und in Autos anzubringen.
Selbst in den hoch entwickelten deutschsprachigen Ländern besitzt noch immer weniger als die Hälfte der Bevölkerung ein Auto, doch diese Mehrheit hat kein Sprachrohr. Die Gestaltungsvorlage "Warnviereck" samt Handlungsanleitung gibt jedem Betroffenen ein Medium in die Hand, bei Schieflagen und Problemzonen einer Auto - fixierten Gesellschaft eine aktiv Rolle einzunehmen. Der offene Gestaltungsansatz lässt eine Erweiterung in viele Richtungen zu, etwa um auf lokalpolitische Verkehrsanliegen aufmerksam zu machen. Der Siegeszug des Automobils ist ein Pyrrhussieg. Die Entstellung des öffentlichen Raums durch Fahr- und Stehzeuge, der Lärm oder der Klimawandel sind Anlass genug für umfassende Interventionen. Die Gestaltungsvorlage soll dazu anregen, tätig zu werden, anstatt ständig auszuweichen. Das Leben lässt sich auch ohne Auto meistern. In Europa ist der öffentliche Verkehr gut ausgebaut und das Fahrrad bietet sich für Kurzstrecken an. Mit einem Fahrradanhänger lassen sich Einkäufe erledigen und Kinder transportieren. Freilich ist ein Umstieg nicht jedem zumutbar. Doch eine Bewusstmachung und Abkopplung der emotionalen Komponente soll dazu beitragen, zu einem überlegten Umgang mit der eigenen Mobilität zu gelangen.
Verkehr(t) in Liechtenstein. Eine Reportage mit Warnvierecken von Tobias Mattner und Markus Buhl
Einen guten Tag anpeilen
Wie viel CO2 Ausstoss können wir der Erde uns uns zumuten? Während der ökologische Fussabdruck die Anzahl der Erden misst, die wir benötigen würden, wenn alle den selben Lebensstil wählen, so lassen sich hier Punkte sammeln. Weniger ist mehr, 100 sollte nicht überschritten werden. Martin Strele, der Initiator des Projektes, erklärt im Interview mit Thomas Weber im biorama: "Wir brauchen im Moment im Schnitt täglich 450 Punkte für unseren Lebensstil. Damit leben wir ordentlich auf Kredit. Auch wenn wir in unseren Breiten bislang nur wenig davon merken, die Auswirkungen unseres Lebensstils haben in anderen Regionen auf der Welt bereits verheerende Spuren hinterlassen." Die Punkte können als Aufkleber bestellt und auf Produkten angebracht werden. Das Konzept ist Creative Commons lizensiert, darf also erweitert werden. Kriterien der Fairness etwa bei der Produktion könnten bei einer Weiterentwicklung mit eingebaut werden.
Pro Tag nicht mehr als 100 Punkte sammeln: www.eingutertag.org
Regierung, Bauer oder Koch spielen
Auf dem Flohmarkt erwarb ich das kybernetische Umweltspiel von Frederic Vester, das legendäre Ökopoly aus 1987. Die Kinder lieben es, auf dem Spielbrett für die Lebensqualität der Bevölkerung oder die Produktion in der Wirtschaft an den Rädchen am Spielbrett zu drehen oder mit einer Ereigniskarte eine Region zu sanieren. Mittlerweile gibt es zahlreiche Spiele für den PC, Konsolen und den Browser, mit denen Staaten und Wirtschaftsweisen simuliert werden können, um ethische Fragen oder Dilemma zu lösen. Hier folgen einige Beispiele, die unkompliziert im Web ausprobiert werden können.
Ars Regendi
Jeder Spieler gründet einen Staat, mit den Parametern eines Musterstaates und zusätzlichen Angaben. Anschliessend werden Zitate berühmter Personen bewertet, um einen Kurs für den jungen Staat zu bestimmen. Dann müssen verschiedene politische Aufgaben erledigt und Entscheidungen gefällt werden. Ein Tag entspricht einem Quartal, im Winterquartal wird der Haushalt gemacht. Mit Einfluss und Bündnissen sind Reformen leichter umsetzbar. Andere Spieler helfen bei den oftmals schwierigen Entscheidungen, um das Volk zu Glück und Wohlstand zu führen - und/oder um möglichst lange an der Macht zu bleiben. Webseite: http://de.ars-regendi.com/
Politik- und Wirtschaftssimulation Ars Regendi
My Free Farm
Beim Browsergame My Free Farm werden Pflanzen angebaut und Tiere versorgt. Die Spielerin erhält Produkte, Gebäude und Level und kann durch Quests neue Features freispielen. Begonnen wird mit einem Acker, der voll mit Unkraut, Feldsteinen, alten Baumstämmen und anderen Hindernissen ist sowie mit einem kleinen Hühnerstall und drei Hühnern. Ins Dorf führt ein Bus, dort können noch mehr Hühner gekauft werden. Farmis sind interessierte Mitmenschen, die gerne biologisch angebaute Produkte direkt vom Bauern kaufen, auch wenn sie dort in der Schlange stehen müssen. Die Währung dieses Spiels heisst "Kartoffel-Taler" und wird mit kT abgekürzt, die mit einem Premium Account auch gekauft werden können. Damit sind weitere Ausbaustufen bei Gebäuden möglich. Webseite: http://www.myfreefarm.de/
Simulationsspiel MyFreeFarm
Civilization
Civilization ist eine erfolgreiche Spieleserie, die vom gleichnamigen Brettspiel als Computerspiel entwickelt und in der aktuellen Version IV mit zahlreichen Funktion erweitert worden ist. Das Spiel startet in der Grundversion um 3500 vor Christus und hat als Ziel (das nicht hinterfragt wird), einen Flug zum Planeten Alpha Centauri zu organisieren. Mit einer Globalstrategie kann die Spielerin wissenschaftliche Forschungen anstrengen, Städte bauen, Diplomatie mit anderen Völkern betreiben und Forschung ermöglichen. Dabei muss das eigene Imperium grösser, mächtiger, fortschrittlicher und reicher werden, um letztlich ins All fliegen zu können. Je nach Art des Terrains werden drei unterschiedliche Arten von Grundressourcen erwirtschaftet. Nahrung ist notwendig, um eine Stadt zu ernähren, und erhöht bei einem Nahrungsüberschuss die Zuwachsrate der Bevölkerung. Produktion beeinflusst die Geschwindigkeit, mit der neue Einheiten oder Gebäude fertiggestellt werden. Handel bringt Geld ein, treibt die Forschung voran und erhöht den Wohlstand. Art und Umfang dieser Ressourcen können durch Modernisierung des Terrains, beispielsweise Strassen- und Bergbau, beeinflusst werden. Städte können von feindlichen Einheiten eingenommen werden, wodurch sie in die Kontrolle einer anderen Zivilisation fallen. Daher sei es ratsam, Militäreinheiten in Städten zu stationieren, falls die Diplomatie nicht klappt.25
Civilization II als Browserspiel mit Freeciv
Ethan Kennerly hat mit einer Modifikation von Civilization IV eine Neubewertung des Spiele-Ethos vorgestellt, welches die Lebensqualität der Bevölkerung vor die Ziele des Herrschers stellt.26 Die freie Software Version Freeciv lässt sich auch im Browser spielen, jedoch mit einfacher Grafik und konventionellen Spielregeln.27
McDonald Game
Der Spieler im „McDonald´s Bowsergame“ schlüpft gleich in mehrere Rollen, die zum Betrieb einer Fast-Food-Kette gehören. Um alle Abläufe zu optimieren, steuert der Spieler die Rinderzucht, die Schlachterei, den Verkauf sowie Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Neben strategischem Geschick lernt die Nutzerin, dass es bei dem erfolgreichen Betrieb einer Fast-Food-Kette nicht ohne Umweltbelastung, Bestechung und Verbrauchertäuschung geht. Bei einseitiger Landausbeute, Medikamenten als Futterbeimischung, Dumpinglöhnen und Schmiergelder für Umwelt- und Gesundheitsorganisationen sollte einem der Appetit auf Fast Food ordentlich vergehen. Das Spiel stammt aus der italienischen Werkstatt "Molleindustria", die nach eigener Definition "Radical games against the dictatorship of entertainment" entwickelt.
Drauf klicken und gleich Chef in der Filiale sein
Ethify Your Buddies
Das Browsergame aus der Ethify Werkstatt ist ein einfach gehaltenes Serious Game mit neun Stufen. Hier geht es darum, eine Mindestanzahl an Leuten anzusprechen um mit ihnen über Werte zu reden, die einem wichtig sind. Das Ethify Game läuft dank HTML5 Technologie ohne Installation auf allen modernen Browsern und auf den meisten Smartphones und Tablets.
Ethify Your Buddies: Das minimalistische Browserspiel, das auch ohne Internetverbindung zu Ende gespielt werden kann. Erreichbar unter der Subdomain game.ethify.org oder einfach Screenshot anklicken
Fotoserien publizieren
Erste Fotografien zum Thema "Intelligente Reduktion" wurden von Studierenden der FH Vorarlberg im Frühjahr 2010 entwickelt. Weitere Vorschläge sind in der Galerie auf ethify.org willkommen, dort als Inhaltstyp "Bild" abspeichern. Die besten Beiträge wurden auf ein Plakat gedruckt und kann bestellt werden.
Aus der Fotoserie "Intelligente Reduktion", von userin christine, IMB09 FH Vorarlberg
Kampagnen gegen Marken umsetzen
In den 80er und 90er Jahren entwickelte der in Kanada lebende Medienaktivist Kalle Lasn kritische Plakatserien und Fernsehspots. Sie greifen ethische Problemzonen auf, etwa „Malboro Country“, wo frierend Raucher im Freien stehen müssen. Ebenso schockierte Benetton Fotograf Oliviero Toscani die Öffentlichkeit mit magersüchtigen Models oder blutverschmierter Militärkleidung. Culture Jamming ist eine Kunstform, die sich selbst als gegen die herkömmliche Werbung gerichtet versteht. Dabei werden Strategien und Formen, aber auch konkrete Beispiele aus der herkömmlichen Produktwerbung übernommen, karikiert und teils ins Absurde geführt. Es werden aber auch bewusst Inhalte mit einbezogen, die in der eigentlichen Werbung nicht vorkommen oder sogar von ihr überdeckt werden sollen. Ziel ist dabei meist eine Kritik der durch Werbung erzeugten Bilder und Meinungen, aber auch grundsätzlich der manipulativen Seite von Werbung.
Der aus Estland stammende Kalle Lasn prägte den Begriff „Culture Jamming“ mit De-Marketing-Kampagnen, die sich gegen amerikanische Konsumgewohnheiten richten. Allerdings wurden seine Fernseh-Spots von den grossen Sendeanstalten stets abgelehnt, obwohl die AdBusters Media Foundation genügend Spenden gesammelt hatte, um die Werbezeit im Fernsehen zu bezahlen. Denn klassische Werbeträger wollen es sich mit ihren Kunden nicht verscherzen, wenn sie konsumkritische Einschaltungen bringen. Wie können ähnliche Kampagnen heute gestaltet werden und Wirkung entfalten? Einerseits können wir auch positive Kampagnen setzen, also für bestimmte Werthaltungen eintreten und müssen nicht notwendigerweise gegen Marken arbeiten, andererseits können wir heute wesentlich subtiler im Internet agieren. Einzelne Kampagnen könnten heute mit etwas Spendengeld auch Online geschalten werden und so Zielgruppen erreichen, die üblicherweise als Suchworte „Formel 1“, „Bauer sucht Frau“, oder „Billigflüge“ eingeben. Heute werden neben parodistischen Kurzvideos gerne Werbesujets und Logos verfremdet, online gestellt oder über Soziale Medien verbreitet. Kritik an Adbusters kommt von Markengegnern, da auch eine verfremdete Präsenz den Marken zusätzliche Aufmerksamkeit bringt.
Auf ethify.org haben Studierende der FH Vorarlberg einige frische AdBuster in eine Galerie eingestellt.
Lob austeilen
Von einem schönen Beispiel, wie wir mit wenig Aufwand Menschen darin bestärken können, nachhaltiger zu leben, berichtet der KarmaKonsum Blog: Die australische Künstlerin Hong Yi aka Red verteilte in Melbourne die positive und einfache Botschaft “Thank you for saving the world with one less car.” an Fahrrädern.Wertschätzend und einfach!
Love Guerilla Aktion an Fahrrädern
Ablass – Bar inszenieren
Viele Theater reagieren im Spielplan oder mit Zusatzveranstaltungen auf aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen. Das Theater am Kirchplatz in Schaan in Liechtenstein bot zur Adventszeit 2009 die Gelegenheit, für Konsumsünden die Absolution zu erhalten. Hier der Text aus dem Programm:
„Was haben wir nicht alles angesammelt an Konsumsünden und Fehlkäufen. Das gehört gebüsst! Daher bitten wir für unsere Konsumsünden um Abbitte und beichten unsere absurdesten Verschwendungen. In der Selbsthilfegruppe lösen wir uns von schmerzhaften Erfahrungen und wachsen daran. Und wir suchen nach der Erlösung vom Mammon, denn Wirtschaft ging auch mal ohne Geld. Damals sagte man zum Shopping noch «Tauschen». Wahnsinn!! Mal sehen, ob wir das noch können. Jeder/jede bringe, was er nicht mehr mag. Immer gern genommen: Kleidungsstücke, Schmuck, Bücher, CDs und was sonst noch alles von Wert ist und seit einem Jahr nicht mehr angefasst wurde. Wers gut macht, macht sich reich, indem er/sie andere reich macht. Mit Ablass-Briefen, lecture-performance über das liebe böse Geld und einer «wall of shame» für die überflüssigsten Gebrauchsgüter der Konsumgeschichte.“30Spontan bauten junge Leute des lokalen Club Benefactum31 im Theater eine Teufelsstiege, einen Beichtstuhl, einen Höllengang und die Himmelsleiter. Nach dem Kriechgang und der Erteilung der Absolution bekamen alle Besucher Engelsflügel montiert und durften ihre Gaben zum Tausch ablegen und ein Getränk konsumieren. Ähnliche Inszenierungen liessen sich auf jedem Weihnachtsmarkt umsetzen und sollten für Betreiber von Konsumtempeln eigentlich verpflichtend sein!
Trockenbrot schenken
Knäckebrot oder getrocknete Fladen symbolisieren alle Werte im Ethify Wertekanon. Trockenbrot eignet sich daher gut als Geschenk, um damit diese Werthaltungen zum Ausdruck zu bringen.
Hier wären noch folgende Zutaten zu ergänzen:
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Beispiele für Sprüche, die man auf die Packung schreiben kann, wenn ich sie weiter schenke
(„Trocken Brot mit Freuden schmeckt besser als Gebratenes mit Kummer“) -
Empfehlungen für Trockenbrote und Bestellmöglichkeiten
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Knäckebrot mit Olivenöl: Bäckerei Brunhilde Weidlitsch, A-9121 Tainach 3, Telefon +43 4239 2633
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Dinkel Cracker von der Montfort Bäckerei, Feldkirch, Telefon +43 5522 84880
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Rezepte zum Selber machen
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Anforderungen für Bäcker, die Knäckebrot oder Fladen nach Ethify Kriterien herstellen (gentechnikfreie Zutaten, fairer Preis, etc.), dafür darf das Ethify Logo verwendet werden.
Origninal Schwedisches Rundknäcke
Glockengeläute umdeuten
In Westösterreich oder Bayern gibt der Kirchturm den Takt an. Da läuten laut die Glocken, um zum Gottesdienst aufzurufen, zum Geleit eines Verstorbenen oder um zum Gebet zu erinnern. Die Läuteordnung bestimmt, wann welche Glocke wie lange und zu welchem Zeitpunkt läuten darf. Diese Ziele spiegelt bereits die mittelalterliche Glockeninschrift wider: „Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango“ - die Lebenden rufe ich, die Toten beklage ich, Blitze breche ich. Den Kirchenglocken werden also auch verschiedene Schutzwirkungen zugeschrieben, insbesondere der Schutz vor Unwetter und anderen Katastrophen.32 In einigen Regionen der Schweiz ist es üblich, am Aschermittwoch um Mitternacht die Fastenzeit mit der grössten vorhandenen Glocke einzuläuten.
Wer Glocken hört, darf sich auch die Ethify – Werte in Erinnerung rufen. War ich heute schon achtsam? Bin ich diese Woche in Balance? Habe ich schon jemandem Anerkennung gegeben? Insbesondere das Gedächtnisläuten am Morgen, am Mittag und am Abend eignen sich für eine kurze Besinnung. Die evangelischen Kirchen üben ein Betläuten mit neun Schlägen aus, für sieben Bitten inklusive Anfang und Ende. Eine Erinnerung an die neun Werte Gerechtigkeit, Umsicht, Balance, Selbstbestimmung, Kooperation, Güte, Zufriedenheit, Fairness und Geduld bietet sich hier an. Ich persönlich halte Besinnung beim Geläute am Freitag um 15 Uhr.
Zeitgleich mit den UN-Klimaverhandlungen in Kopenhagen läuteten am 13. Dezember 2009 in ganz Europa, Nordamerika sowie einigen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens Kirchenglocken. Mit diesem Symbol wurde von den Verhandlern Klimagerechtigkeit und Fairness eingefordert. Solange die Ziele nicht erreicht sind, dürfen die Kirchenglocken uns gerne öfter daran erinnern, dass sich jede und jeder für eine bessere Welt einsetzen soll und muss.
Kruzifixe frei deuten
In katholischen Ländern sind Kreuze Sinnbild für das Opfer Christi, das dieser nach christlichem Glauben zur Erlösung der Menschheit gebracht hat. Wir begegnen ihnen in Klassenzimmern, auf Berggipfeln oder am Wegesrand. Manche Leute bleiben bei Flurkreuzen kurz stehen bleiben um sich selbst zu bekreuzigen.
Ob Kruzifixe in Klassenzimmern hängen dürfen oder nicht, ist laut einem Urteil des Europäischen Menschengerichtshof aus 2011 nationale Angelegenheit. Der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof verbietet die in einem Urteil aus 1995 in Bayern gültige Praxis, jedoch wird diese Entscheidung weitestgehend ignoriert.
Das christliche Kreuz ist weder ein kulturelles oder überreligiöses Symbol für Humanität oder Barmherzigkeit, sondern das Symbol einer spezifischen Religion, mancherorts allgegenwärtig. Das Kreuz ist ein sehr erfolgreiches, globales Markensymbol der Christen, würde ein Branding - Spezialist sagen.
Wer nicht an das ewige Leben und einen Erlöser glauben mag, kann ein Kuzifix ja einfach für sich neu interpretieren. Zum Beispiel als Erinnerung an die Endlichkeit unseres Daseins auf Erden und das Bewusstsein, dass wir hier nur Gast sind. Nachdem ein Kreuz eine Fäche in vier Teile einteilt, darf es auch ein Symbol für die Vier-in-Einem Perspektive sein. Jeder Quadrant steht für einen Bereich im Leben: Erwerb, Sorge, Kultur und Engagement. Vor einem Kreuz können wir uns überlegen, ob wir jedem Bereich ähnlich viel Aufmerksamkeit widmen.
Die Begegnung mit einem Kreuz können wir auch umdeuten mit einem Impuls, vielleicht eine alte Gewohnheit heute aufzugeben und es morgen anders zu machen oder es zumindest mal auszuprobieren. Zum Beispiel das Auto stehen lassen oder es zu verkaufen, vegetarisch zu essen oder eine Erzählstunde für Kinder anbieten. Wer weitere Beispiele sucht, die es Wert sind, diese mit oder ohne Kreuz zu Grabe zu tragen, findet solche im Kapitel Ethify your Life oder nach einem Ethify Journal.
Frevel am Kreuz? Ein Bayer kommt wegen des Fluches "Kruzifix no amal" auch nicht gleich in die Hölle. Symbole im öffentlichen Raum sind stets unterschiedlichen Interpretationen ausgesetzt, damit müssen auch Kreuze leben, spätestens seitdem es auch Andersgläubige oder Atheisten in einer christlichen Region gibt. Und die gab es immer schon vor der Missionierung.
Regelmässig nichts kaufen
Der Buy Nothing Day wurde 1992 von Kalle Lasn und seiner kanadischen Medien- und Werbeagentur Adbusters Media Foundation erfunden. Mittlerweile wird diese Provokation für alle Konsumgläubigen in 80 Ländern organisiert, in Nordamerika am letzten Freitag und in Europa am letzten Samstag im November. Durch einen 24-stündigen Konsumverzicht soll gegen „ausbeuterische Produktions- und Handelsstrategien internationaler Konzerne und Finanzgruppen“ protestiert werden. Ausserdem soll zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten und die weltweiten Auswirkungen angeregt werden. Ein bewusstes, auf Nachhaltigkeit abzielendes Kaufverhalten jedes Einzelnen soll somit gefördert und gegen umweltschädliche und unmenschliche Herstellungsbedingungen protestiert werden.33 Doch der Kauf-Nix-Tag soll nicht nur an einem Tag unsere Kaufgewohnheiten in Frage stellen, sondern auch anregen, mit der gewonnenen Zeit etwas anderes zu tun, etwa Zeit zu schenken und sich um Freunde und Familie kümmern. Kauf-nix-Tage lassen sich natürlich auch in die eigene Konsumplanung integrieren, etwa an bestimmten Wochentagen, zum Beispiel Dienstags und Sonntags, keine Geschäfte zu besuchen oder Dienstleistungen zu bestellen.
Die Erde feiern
Die Pacha ist die Erde in der Quechua-Sprache, Pachamama steht für die Biospäre, das Leben, Nahrung und Schutz34. In Ecuador wurde 2008 die Verfassung ergänzt, welche die Rechte Pachamamas schützt. Als erste Nation, die offiziell andere Rechte als jene der Menschen anerkennt, ist Ecuador Vorreiter für die rechtliche Absicherung eines intakten Ökosystems.35
Andenbewohner nehmen Bedacht darauf, ein ständiges Gleichgewicht zwischen Gegensätzen zu schaffen. Arbeit, Gebete, Feste und Riten haben zum Ziel, stets ein Gleichgewicht wieder herzustellen. Jeden ersten Freitag im Monat wird in vielen Andenstaaten, wie in Cochabamba/Bolivien, ein Fest zu Ehren der Pachamama veranstaltet. Überall riecht es nach geräucherten Kräutern; die Leute treffen sich, musizieren gemeinsam und tanzen der Pachamama, auf dass sie im nächsten Monat gütig und friedlich ist.
Die Musik besteht in Bolivien aus Gesang, Flöten und Trommeln; da aber in unseren Breitengraden auch keine Kokasträucher wachsen, die auf diesen Festen in rauen Mengen „gekaut“ werden und wir keine Chicha (ein fermentiertes Maisgetränk) herstellen, können wir das Konzept auch ein bisschen verändern. Es sind alle autochthonen Instrumente erlaubt, und mit einem mitgebrachten Getränk befriedigst du auch den Durst der Pachmama, denn der erste Schluck wird geopfert und auf den Boden geleert. Beliebte Orte für das Pachamama Fest sind markante Felsen oder Steine oder andere historische Kultstätten. Für jede Gemeinde oder Region könnte ein solcher Ort identifiziert werden, wo sich Leute zum Trommeln, Singen oder Reden am ersten Freitag des Monats treffen.
Bei Ethify mitmachen
Beim Ethify Projekt geht es aus Sicht der Kommunikation um die Etablierung einer Marke für ethisches leben und handeln. Ein Online Buch liefert Hintergrundwissen, einen Wertekanon, Argumente und Berichte, Zeichen helfen bei der Orientierung, ein Journal erlaubt eine Selbstbestimmung. Darauf aufbauend werden weitere Medien entwickelt und Kooperationen aufgebaut.
Ethify Zeichen
Sebastian Nagel entwickelte Ende 2009 das Ethify Zeichen.
Der Buchstabe E bringt zum Ausdruck, dass wir uns aktiv um Ethik kümmern wollen. Die neun Elemente korrellieren zum Ethify Wertekanon und bilden gemeinsam einen geschlossenen Kreis, der auch als „Sonne“ interpretiert werden kann.
Kombiniert mit dem Begriff „ethify“ oder „ethify.org“ kann das Zeichen als Logo eingesetzt werden (download), zusätzlich kann der Claim "einfach besser leben" verwendet werden.
Eine erweiterte Variante, die die 9 Werte verbal mit einbezieht, kann illustrativ oder als Informationsgrafik Verwendung finden.
Das Zeichen eignet sich auch, um damit ein Informationssiegel zu erstellen. Hier nehmen die einzelnen Elemente verschiedene Farbtönungen von Grau bis Gelb in mehreren Abstufungen, abhängig vom Bewertungswert für den einzelnen Aspekt. Ein Widget sowie Regeln zum Einbinden in andere Webseiten oder auf Produkte befindet sich in Entwicklung.
Ethify Buch
Im vorliegenden Text wird der Ethify Ansatz von verschiedenen ethischen Grundhaltungen hergeleitet und in praktischen Anwendungsbereichen erläutert. Das Buch liegt einerseits online vor und kann auf ethify.org ergänzt werden.
Die Buchversion vom März 2010 ist auch als eBook im Format A5 erhältlich. Für den eBook Reader oder einen selbst gemachten Ausdruck soll der Text mit zwei Seiten nebeneinander dargestellt werden. Wie kann ein eigener Ausdruck des eBooks gebunden werden? Für die DIY10-Version empfiehlt sich zur Heftung auf der linken Querseite eine Metall-Spirale zu nehmen und das Buch hinten mit einem Karton zu verstärken. Wenn kein Spiral-Locher zur Verfügung steht, kann ein normaler Locher verwendet und das Buch mit einer Schnur oder zwei Kabelbindern gebunden werden. Etwas schöner ist die Variante, zwei Wellpapp-Kartons als Buchdeckel zuzuschneiden, die 30 mm breiter als A4 sind und links einen 10 mm breiten Streifen dazwischen einzukleben. Dann die Blätter von rechts einschieben, drei Löcher bohren und das Papier links mit drei kurzen Schrauben mit Muttern befestigen oder drei Ösen verwenden. Alternativ kann das Buch auch selbst mit Bindfaden genäht werden. Ausführliche Anleitungen gibt’s auch im Wikibook „Buchbinden“11.
Das von Birgit Hofer gestaltete Buch ist als Lesebuch konzipiert. Als Font im Fliesstext kommt der freie Font Ubuntu zum Einsatz, welcher eine gute Lesbarkeit gewährleisten soll. Das Ethify Buch wurde mit Open Office12 geschrieben, einer freien Software, die von einer weltweiten Programmierergemeinschaft stetig weiterentwickelt wird. Eine doppelseitige Darstellung im PDF kann in jedem PDF Reader ausgewählt werden. Für einen Ausdruck von 2 Seiten auf A4 eignet sich zum Beispiel das Linux Programm Okular. Dort lässt sich im Doppelseitenmodus ein A4 mit zwei nebeneinander liegenden Seiten generieren13.
Die Open Office Exportfunktion für das Wikimedia Format erleichterte die Publikation als Online Buch im Drupal Content Management System. Über ethify.org kann das Buch weitergeschrieben werden von all jenen, die die Inhalte verbessern und ergänzen wollen.
Das Buch wird unter der Creative Commons Lizenz CC-by-sa-AT-3.014 herausgegeben, womit eine weitere Nutzung, Übersetzung oder Bearbeitung gestattet wird, unter der Bedingung der Namensnennung und der Anwendung derselben Lizenz auf alle Derivate.
Ethify.org Online Community
Zum Ethify Yourself Buch gibt es auch eine Webseite, wo Fotos, Texte, Plakate oder Videos zu einzelnen Werthaltungen in Form eines Blogs eingespielt werden können. Hier ist auch Raum, um über Taten zu berichten oder Bewertungen vorzunehmen. Nutzer können sich anmelden und ein eigenes Profil entwickeln. Auch kann das Buch Ethify Yourself dort kommentiert und weitergeschrieben werden.
Start des Community Portals ethify.org zum Buch Ethify Yourself im März 2010
Hashtag #ethify
In Blogs oder in sozialen Medien wir Facebook, Twitter oder identica hat sich eine einfache Form etabliert, Querverweise herzustellen. Ein Hashtag am Ende einer Nachricht ermöglicht das Wiederfinden von Kurznachrichten zu ähnlichen Themen. Wir schlagen vor, Beiträge im Internet mit einem Bezug zur Ethik mit dem Hashtag #ethify zu kennzeichnen. So lassen sich Aktivitäten und Hinweise zu ethischem Handeln über verschiedenste Plattformen einfach finden. Zusätzlich gibt es einen eigenen @ethify Tweet.
Ethify Journal
Ethik müssen wir selbst in die Hand nehmen, wir können sie nicht an die Politik delegieren, diese kann nicht für uns ein besseres Leben leben. Ich muss regelmässig die Position bestimmen und überlegen, was eigene Ziele sind, wohin die Reise gehen soll, und was ich dafür tun kann. Jeder muss selbst etwas tun, damit die Welt ein Stück gerechter, achtsamer oder kollegialer wird. Letztlich sind es die persönlichen Entscheidungen, die nicht nur uns weiterbringen, sondern worüber wir auch Anerkennung erhalten und Vorbild sein können. Und mit etwas politischem Engagement können wir versuchen, die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Otto Scharmer lehrt am MIT und hat die „Theory U“ entwickelt. Diese wird gerne von Unternehmensberatern eingesetzt, um in grossen Unternehmen oder Organisationen schwierige Veränderungsprozesse umzusetzen.15 Ich durfte 2009 bei einer Veranstaltung des Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur als Experte der creativwirtschaft austria dabei sein16, als Herr Scharmer mit 220 anwesenden Fachleuten, Lehrerinnen und Schülern versuchte, konkrete Innovationsschritte für das österreichische Schulsystem zu entwickeln. Hierbei wendete er die Methode des Journaling an: Auf verschiedene Fragen mussten die Teilnehmer in freier Assoziation in jeweils einer Minute Antworten auf Papier schreiben, um diese dann in den Diskussionsprozess wieder einzubringen, zunächst in einer kleinen Tischgruppe, und dann im Plenum. In weniger als einer Stunde waren sehr konkrete Aktionen nicht nur formuliert, sondern auch im Bewusstsein der Akteure als Vorhaben verankert.
Solche intensive Übungen, die mit einer Besinnung einhergehen, werden auch als Exerzitien bezeichnet. Diese können alleine, zu zweit oder in einer Gruppe durchgeführt werden, einmalig, jährlich, wöchentlich oder täglich. Man benötigt dazu eine ruhige Umgebung und einen Stift. Zweck des Ethify - Journals soll es sein, herauszufinden, worum es im Leben geht, wie ich mein Tun und Handeln mit ethischen Grundsätzen verbinden und welche konkreten Schritte ich alleine oder in einer Gemeinschaft setzen kann. In Anlehnung an die Theory U von Otto Scharmer werden im Folgenden verschiedene Ethify - Perspektiven eingenommen: aus der Sichtweise des Individuums, als Gruppe und global. Folgende Fragen sollen ohne viel nachzudenken assoziativ und rasch auf einem Arbeitsblatt oder online beantwortet werden:
Mein Ethify Journal Datum: Name:
Was sind die wichtigsten Herausforderungen und Aufgaben in meinem Leben?
Was frustriert mich und was liebe ich? Betrachte die vier Lebensbereichen Politik, Sorge, Kultur und Erwerb. Schreib Stichworte und ein + oder - dazu, je nachdem ob Energie dazukommt oder abfliesst.
Welche neuen Fragen und Themen beschäftigen mich in letzter Zeit?
Hubschrauberperspektive: wo bewege ich mich gerade in den vier Bereichen?
Welche Werte sind mir in den nächsten Jahren wichtig? Markiere sie in der Wertesonne.
Was möchte ich am Ende meines Lebens erreicht haben? Welchen Fussabruck hinterlasse ich?
Welchen Rat würde mir eine andere Person geben, um meine Ziele zu erreichen?
Wovon muss ich mich befreien?
Wer kann mir helfen, meine Visionen zu realisieren?
Welche konkreten Schritte kann ich in den nächsten 3-4 Tagen tun?
Wer diese Übung ernsthaft durchläuft, alleine oder in Gemeinschaft, wird bald Ansätze für Veränderungen finden. Konkrete Schritte können sodann folgen, um die Voraussetzungen zu schaffen, dass diese Veränderungen auch umgesetzt werden. Sich im Team darüber auszutauschen wird mehr Energien freisetzen als nur alleine Aktionen zu planen. Um den Schwung nicht zu verlieren ist es sinnvoll, sich nach ein paar Wochen oder Monaten wieder mit Leuten zu treffen, um die Übungen erneut durchzugehen und sich über Fortschritte oder neue innere oder externe Barrieren auszutauschen.
Das Journaling kann auch im Rahmen einer grösseren Veranstaltung angeboten werden, etwa bei einer Konferenz, einer Weiterbildung, einem Open Space17 oder bei einem BarCamp18.
Eine Transition Gruppe gründen
In der Transition Bewegung geht es darum, lokale Gruppen zu gründen, die klimafreundliche Aktionen setzen und die region auf mehr Resilienz, also Widerstandsfähigkeit vorbereiten. Rob Hopkins gestaltete das Handbuch Transition Town (pdf leider ohne Abbildungen) dazu. Ein Film dokumentiert Transition Gruppen in Großbritannien und was diese alles tun (Untertitel vorhanden) und wen sie schaffen, zu mobilisieren. Die Transition Gruppen in Österreich organisieren sich etwa hier.
Medium sein
Bisher haben wir Medien als Werkzeuge betrachtet, um ethisches Verhalten zu kommunizieren. Mit dem Ethify Journal haben wir eine Methode kennengelernt, um unsere aktuelle Position zu erfahren und neue Ziele zu bestimmen. Eine Orientierung für unser ethisches Verhalten schöpfen wir aus Wissen und im Gespräch mit anderen im Dialog. Mach den ersten Schritt und gehe auch auf andere Leute zu und frage sie, nach welchen Prinzipien sie ihr Leben gestalten. Du wirst erstaunt sein, wieviel Gemeinsamkeiten du etwa bei der Nachbarin findest. Da gibt es freilich auch Widersprüchlichkeiten, bei dir und bei den anderen. Schau sie an und mach einen Plan, diese aufzulösen.
Ein Beispiel für einen nachbarschaftlichen Dialog: Sprich mit deinem Nachbarn mal, was er heute kocht und woher die Lebensmittel kommen. Regionale Produkte zieht ihr vor, aber der Nachbar fährt zweimal in der Woche mit dem Auto zum Supermarkt. Erkläre, dass die privaten Fahrten schlecht für die Ökobilanz sind, ja es dann eigentlich egal ist, ob er Tomaten im Winter aus Algerien kauft oder nicht, weil die Autofahrt ungleich mehr CO2 verursacht als der Transport mit dem LKW. Schlage vor, auch mal zu Fuss bei einem lokalen Geschäft oder mit dem Fahrrad beim Bauernmarkt einzukaufen oder nimm seine Bestellung auf und bring es von dort mit.
Damit ich auf Leute zugehen kann, muss ich selbst eine klare Haltung entwickeln. Werte wie Zufriedenheit oder Geduld können wir nur dann erfüllen, wenn wir uns auch selbst mögen. Dabei geht es keineswegs um eine Anerkennung aller Missstände durch ein laissez-faire, sondern um die Entwicklung einer positiven Grundstimmung, aus der wir eine Haltung entwickeln und festigen.
Wie kann ich einer inneren Zufriedenheit näher kommen? Um authentisch zu wirken, muss das eigene ethische Verhalten vor unserem inneren Spiegel stimmig sein. Dazu gehört auch ein gutes Verhältnis zum eigenen Körper, auch wenn dieser nicht perfekt oder völlig gesund ist. Wer den Körper annimmt und als Zentrum der eigenen Werte versteht, wird diese auch gut vermitteln können, egal ob bei der Arbeit, in der Schule, im Bus oder in der Familie. Hier einige Ideen für Übungen dazu:
- Körper wahrnehmen: Augen schliessen, ruhig atmen und durch den Körper wandern, vom Kopf bis zu den Zehen und wieder retour. Eine solche Kurzmeditation lässt sich fast überall machen: im Bus, nach der Mittagspause im Büro oder in der Natur auf einem Baumstamm sitzend.
- Bewusst abschalten: mal einen Tag oder ein Wochenende lang sich zurückziehen und keine sozialen Kontakte pflegen, auch nicht über facebook und Co, dafür ein Buch lesen, für sich selber kochen, Musik hören, bewusst mal nichts tun.
- Körper in Schwung halten: Rad fahren, wandern gehen (es muss ja nicht gleich der Jakobsweg oder eine Alpenüberquerung sein), wieder mal etwas Gymnastik machen.
- Altern annehmen: graue Härchen oder Fältchen im Gesicht machen dich nicht zum alten Eisen, sondern zeigen, dass du Lebenserfahrung hast - nimm sie an und gib sie weiter!
Ein gutes Verhältnis zum eigenen Körper ist eine gute Voraussetzung für eine gute Liebesbeziehung. Darum geht es im nächsten Kapitel.
1:http://de.wikipedia.org/wiki/Sinus-Milieu
2:http://www.sociovision.de/loesungen/sinus-milieus.html
2b: Kathrin Hartmann, Ende der Märchenstunde, München 2009, S.332f
3: vgl. Möller, Erik, Die heimliche Medienrevolution. Wie Weblogs, Wikis und freie Software die Welt verändern, Hannover 2005, S.115 ff.
4: vgl. Alton-Scheidl, R. u. Barth, T., Wem gehören die Beziehungen im Netz? Über Individualisierung, Ökonomie und Herrschaft im Web2.0, in: Fraueneder, H., Mairitsch, K. und Ries, M. (Hrsg.), dating.21: Liebesorganisation und Verabredungskulturen, transcript: Bielefeld 2007, S.225-242.
5: Vgl. Capurro, Rafael, Leben im Informationszeitalter, Berlin 1995, S.10 ff.
6: vgl. Krzysmanski, H.J., Die Privatisierung der Macht, in: Altvater, Elmar u.a., Privatisierung und Korruption: Zur Kriminologie von Globalisierung, Neoliberalismus und Finanzkrise, Hamburg 2009, S.25-37.
7: vgl. Whitaker:, Reg, Das Ende der Privatheit, München 1999, S.103 ff.
8:http://www.dw-world.de/dw/article/0,,3158281,00.html
9: Die Hackerethik des Chaos Computer Club umfasst auch die Blossstellung von Sicherheitslücken in Computersystemen, siehe auch www.ccc.de
10:http://de.wikipedia.org/wiki/DIY
11:http://de.wikibooks.org/wiki/Buchbinden
13: Druckeinstellung: A4 hoch, 2 Seiten auf ein Blatt, das mit pdftk nochmal gedreht werden muss
14:http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/at/
15:http://www.presencing.com/presencing-theoryu/
16:http://www.kreativinnovativ09.at/netzwerktreffen/
17:http://de.wikipedia.org/wiki/Open_Space
18:http://de.wikipedia.org/wiki/Barcamp
19:http://de.wikipedia.org/wiki/We_Are_What_We_Do
20:http://de.wikipedia.org/wiki/Gebühren_Info_Service
21:http://de.wikipedia.org/wiki/Österreichische_Presseförderung
22:http://www.cdmgoldstandard.org/
23:https://www.atmosfair.de/index.php?id=18
24:http://de.wikipedia.org/wiki/Atmosfair
25:http://de.wikipedia.org/wiki/Sid_Meier%E2%80%99s_Civilization
26:http://finegamedesign.com/qualityoflife/
27:http://freeciv.wikia.com . Vielleicht werden hierzu künftig Varianten programmiert, die ethisches Verhalten stärker belohnen.
27b:Wiener Zeitung Online Ausgabe vom 26.08.2011
28: Ein spannendes Projekt hierzu ist Flowplace, welches ein p2p-Geldsystem zum testen bereithält: http://flowplace.webnode.com/alpha/
29: Einen guten Überblick zum Stand der Forschungen bietet Michel Bauwens auf http://p2pfoundation.net/Category:Money. Ihn durfte Roland Alton mit Creative Commons Austria und den net culture labs mit Unterstützung der Telekom Austria TA AG schon zweimal nach Östereich einladen.
30:http://tak.li/?page=2&fid=690&vid=1340&sid=
32:http://de.wikipedia.org/wiki/Glocke
33:http://de.wikipedia.org/wiki/Kauf-Nix-Tag
34:http://de.wikipedia.org/wiki/Pachamama
35: Adbusters Journal March/April 2009
36: vgl. Barth, Thomas, Finanzkrise, Medienmacht und Corporate Governance: Korruptionsbekämpfung in der Europäischen Union. Kriminologische, gesellschaftsrechtliche und ethische Perspektiven, Saarbrücken 2009, S.83 ff.
37: vgl. Barth, Thomas, Finanzkrise, Medien und dezentrale Korruption, in: Altvater, Elmar u.a., Privatisierung und Korruption: Zur Kriminologie von Globalisierung, Neoliberalismus und Finanzkrise, Hamburg 2009, S.S.68-97.
37: vgl. Miller, Laura, Verdeckte Einflussnahmen und PR-Kampagnen entlarven, in: Müller, U.u.a. (Hg.), gesteuerte Demokratie? Wie neoliberale Elite Politik und Öffentlichkeit beeinflussen, Hamburg 2004, S.121-131, S.124f.
38: vgl. Peter, C., Astroturf und andere Tricks der Konzerne, in: Müller, U.u.a. (Hg.), gesteuerte Demokratie? Wie neoliberale Elite Politik und Öffentlichkeit beeinflussen, Hamburg 2004, S.102-110, S.108 f.
39: vgl. Barth, Thomas, Dehumanisierung als Bertelsmann-Effekt, in: Rügemer, Werner (Hg.), Arbeitsunrecht: Anklagen und Alternativen, Münster 2009, S.146-152.