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Wer sich gefunden hat, schwebt einige Zeit im siebten Himmel. Doch Liebe braucht mehrere Grundpfeiler, um nicht abzukühlen, rein platonisch oder eine Zweckgemeinschaft zu werden. Ein Pfeiler für eine gute Partnerschaft ist guter Sex. Was dazu gehört, und wie dieser geübt werden kann, darum geht es in diesem Kapitel des Online Buches Ethify Yourself.
Menschen sind sexuelle Wesen. Sie leben ihre Sexualität unterschiedlich aus, zelebrieren sie, halten sie für die wichtigste Nebensache der Welt oder unterdrücken oder ignorieren sie einfach. Letzteres provoziert mitunter Ersatzhandlungen: Gier nach Macht, Prestigedenken, Konsumrausch oder Resignation. Wer Berührung, Streicheln, Erregung, Lust und Orgasmen erleben darf, wird zufriedener im Leben sein. Dazu gibt es viele Wege und Variationen, mit und ohne Partner.
Wie wir unsere Sexualität erleben hat viel damit zu tun, wie wir unseren Körper wahrnehmen, als auch den des Partners oder der Partnerin. Da spielen Scham und Ängste, aber auch Mut und Offenheit eine grosse Rolle. Gibt es wen, mit dem ich darüber sprechen kann? Wie erlebe ich Intimität? Kenne ich meinen Körper wirklich? Ein Umfeld mit Freunden oder Freundinnnen beziehungsweise Eltern oder Lehrern, die dafür ein offenes Ohr haben, erleichtert die Auseinandersetzung damit. Auch gibt es professionelle Unterstützung bei Sexualberatern.
Was hat nun erfüllende Sexualität mit Ethik zu tun? Ginge es nach den Moralvorstellungen der christlichen Religionen, so diente der Sexualtrieb ausschliesslich der Fortpflanzung. Daher sei auch die Verhütung nicht angebracht, sie behindere eine göttliche Fügung und untergrabe - nebenbei - die so praktische Geschlechterhierarchie (erhellend dazu Yoko Ono/John Lennon "Woman is the Nigger of the World"). Denn das Machtgefälle zwischen den Geschlechtern konnte nur durch die Fesselung des einen durch ungebremste Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft gelingen. Mit dem Verteufeln der Verhütung - selbst des so praktischen Präservativs (das von kirchlichen Amtsträgern als "teilweise Sterilisation" verunglimpft wird) - ist viel Elend angerichtet worden. Warum nicht statt dem eine Regel aufstellen, dass Männer die Eichel vor und nach Gebrauch mit zurückgezogener Vorhaut waschen sollen? So wird bis heute unzeitgemäßen Praktiken Vorschub geleistet, wo Männer keine Gelegenheit haben oder unwissend oder zu stolz sind, ihren Penis regelmässig zu reinigen, und so leichter Krankheiten übertragen (wie Viren, die den Gebärmutterhalskrebs auslösen). Ein Kondom bietet also gleich mehrfachen Schutz und ist das Verhütungsmittel erster Wahl ohne Nebenwirkungen. Wenn Männer im Gummi nicht abspritzen wollen, lässt sich dieser Teil des Aktes ja auch anders erledigen. Wichtig ist die rechtzeitige Anwendung, denn in den Lusttropfen des Mannes (die bei entsprechender Stimulation die Prostata quasi als Gleitmittel bereitstellt) sind mitunter auch schon Spermien mit dabei, nicht nur im Ejakulat. Hormonpräparate wie die Pille haben Nebenwirkungen, nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Fischen und Fröschen, weil das Östrogen im Urin in den Wasserkreislauf gelangt.
Die 68er Generation enttabuisierte den Sex in der westlichen Welt. Während Joan Baez mit dem Bob Dylan Song "Love is just a Four-Letter-Word" und Janis Joplin mit "Piece of my Heart" noch die Liebe und das gebrochene Herz besangen, wurde nicht nur die Musik in den 70er immer direkter, wenn es um die eine Sache ging. Frank Zappa besingt in seinem 1986 erschienen Album "Jazz from Hell" den G-Spot und Mirja Boes alias Möhre 2001 die 20 Zentimeter.
Pornographisches Material zu konsumieren ist heute einfacher denn je. Doch YouPorn und das hintere Regal im Kiosk verraten nicht, wie guter Sex funktioniert. Auch Dr. Sommer bleibt im Bravo Heft bei der Frage nach der Tampongrösse stehen (unverblümt gesponsert von o.b.). Mutig ist die Doku-Serie "Make Love" des SWR, in der Ann-Marlene Henning als Sexologin mit Paaren, Experten, Passanten und dem Kameramann über Sexualität spricht, ganz konkrete Vorschläge macht und echte Aufklärung leistet. In der Folge 3 zum Beispiel geht es um die Klitoris, die mit 8000 Nervenenden dreimal so empfindsam ist wie die Eichelspitze und nicht nur aus einer Perle besteht, sondern ein 10 Zentimeter langes Organ ist, das sich hinten teilt und mit allen empfindsamen Teilen des weiblichen Geschlechtsorgans vernetzt ist. Frauen ejakulieren mit ihrer (weitgehend unbekannten aber immerhin von Zappa besungenen) Prostatadrüse, dem G-Spot, der aber eher Gelände ist als Punkt. Doch während der Penis einfach da und sichtbar ist, bedarf es zur Entdeckung der eingebauten Organe der Frauen der Erkundungslust. Spiegel und Tastsinn ermöglichen Frauen ebenso wie ihren Partnern und ihren Partnerinnen die Entdeckung des ganzen Organs.
Das um und auf guter sexueller Erlebnisse ist es, den eigenen Körper zu kennen und zu erforschen. Egal welche Figur man oder frau hat, jeder Körper ist empfindsam und erregbar. Buben spielen mit ihrem Glied und Mädchen mit ihrer Klitoris (und haben nur ein schlechtes Gewissen dabei, wenn es ihnen verboten wird). Aus ersten Erfahrungen über Empfindsamkeit und Lust werden Abläufe eingeübt, die zu Erregung und später zum Orgasmus führen. Die feminsitische Wissenschaftlerin Shere Hite förderte in ihren Reports übrigens zu Tage, dass Frauen wesentlich öfter masturbieren, als gemeinhin angenommen wurde. Hingegen kommen Weit-Wichs Wettbewerbe wohl öfter in Erzählungen als im echten Leben vor. Ann-Marianne Henning ist in ihren Therapiegesprächen immer wieder erstaunt, wie viele Halbwahrheiten und Unwissen vorhanden sind. Folgendes Video behandelt einige davon, etwa nach der Frisur im Genitalbereich, die wie auch die Kopffrisur modischen Trends unterliegt.
Damit Sexualität in der Partnerschaft gelingt und auch interessant bleibt, braucht es nicht nur die passenden Momente, die sich mit einem leichten Menü und Kerzenlicht inszenieren lassen. Wichtig ist auch das offene mit einander Sprechen: Was wünschst du dir? Was wünsch ich mir? Was mag ich? Was mag ich (noch) nicht ausprobieren? Warum? Darüber muss man oder frau sich vielleicht noch nicht in den ersten Wochen des Verliebtseins ausführlich unterhalten, solange behutsam miteinander umgegangen wird. Sexuelle Wünsche auszuleben erfordert Konsens der Beteiligten. Und der ist über Körpersprache nur beschränkt erreichbar, da ist es angebracht, darüber zu sprechen und sich sich einen Plan zu machen, wie etwas Neues ausprobiert werden kann. Wenn in jedem zweiten Pornovideo Analsex vorkommt heisst dies noch lange nicht, dass dies auch alle wollen. Intimität heißt nicht, dass individuelle Privatheit vollständig aufgehoben ist. Wenn es die Beteiligten wollen ist alles erlaubt, aber eine Überschreitung von abgesteckten Grenzen kann zu seelischen und körperlichen Verletzungen führen, und dies ist strafbar.
Es gibt unzählige Varianten, sich selbst und dem Partner oder der Partnerin Lust zu bereiten. Und es muss nicht immer der eingeübte Ablauf sein. Spontan kann ziemlich erquicklich sein. Oder in der Natur, an einem Baum, bei einem Felsen oder Bach. Wer eine Decke im Rucksack dabei hat, kann alleine oder mit Partner/in unvergessliche Erlebnisse an einsamen Orten sammeln. Andere mögen's unter der Dusche, im Heustadl, im Liegewagen, mit Zuschauern oder auch zu mehreren. Sobald Werkzeuge wie Dildos oder Fesseln ins Spiel kommen, wird klar, dass unbedingtes Vertrauen notwendig ist. Vertrauen ist die Basis einer anhaltenden, guten sexuellen Beziehung - auch wenn das "Wagnis" Erregung zu erzeugen vermag. Nicht nur in der BDSM Szene ist "Consensual Sex" eine Regel: also vorher drüber reden was man oder frau sich so vorstellt und wünscht. Ratsam ist es, ein Codewort wie "Mayday" auszumachen, wenn es für einen Partner zu unangenehm oder zu gefährlich wird.
Das gegenseitige Eindringen und die Art der Verhütung sind vorab zu besprechen. Eine sichere Verhütung gibt es nicht, das Kondom schneidet noch am besten ab. Die Penetration ist aber nur eine von vielen Möglichkeiten, Sex zu haben. Auch mit Händen und oral sind viele Variationen möglich. Ein betagter Herr hat dies beim Heurigenbesuch unüberhörbar so ausgedrückt: "So lange ein Mann eine Zunge und zehn Finger hat, ist er nicht impotent".
Ist eine Schwangerschaft nicht geplant, passiert es aber doch, gilt es Entscheidungen zu treffen, die in ethische Dilemmata führen können. Denn ein Kind verändert das Leben seiner Eltern, jedenfalls jenes der Mutter. Die katholische Kirche und andere religiöse Einrichtungen sprechen einer befruchteten Eizelle ein "Recht auf Leben" zu (konsequenterweise ohne sich um die Rechte der schwangeren Frauen zu kümmern). Rechtsperson nach dem dem geltenden Gesetz kann aber erst ein geborener Mensch sein. Als Kompromiss hat der Gesetzgeber die Fristenlösung eingeführt, nach der bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche ein Schwangerschaftsabbruch straffrei ist. Falls ein Kondom platzt, was sehr selten vorkommt, ist die Pille danach eine Option, auch wenn die Hormone die Frau ziemlich durcheinander bringen kann.
Heute ist es kein Tabu mehr, mit einer Person gleichen Geschlechts schöne Stunden zu verbringen. Ein Bekenntnis zu hetero, schwul oder lesbisch sollte nicht nötig sein, denn oft sind die Grenzen und Vorlieben fliessend oder ändern sich. Mal was anderes ausprobieren kann bei der Selbstfindung helfen, das muss aber nicht immer so bleiben. Leider ist es so, dass Homosexuelle in den wenigsten Ländern die gleichen Rechte haben wie Heteros. In einem halben Dutzend Länder ist es sogar bei Tode verboten, sich offen schwul oder lesbisch zu bekennen.
Homosexualität legal
Homosexualität illegal/Einschränkungen
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:World_homosexuality_laws.svg
Oft wird statt von Homosexuellen von der LGBT* Community gesprochen, da der Begriff homosexuell nicht alle einschließt, die in unserer Gesellschaft Unterdrückung erfahren. Lesbische, Schwule, Bisexuelle und Transgender werden so gemeinsam angesprochen. Der Stern wiederum steht für all jene, die sich keiner der gennanten Gruppen zugehörig fühlen.
Vor allem als Jungendlicher ist es schwierig, den eigenen Platz in der Gesellschaft und einen guten Zugang zur eigenen Sexualität zu finden. Es ist wenig verwunderlich, wie viele Menschen sich unwohl fühlen im eigenen Körper oder sich unsicher sind, wie sie mit ihrer Sexualtität umgehen sollen, wenn uns die Gesellschaft, in der wir aufwachsen, immerzu vermittelt, dass hetero die Norm ist. Wichtig ist, immer eine Person zu haben, mit der gut und offen geredet werden kann - ob das jetzt die Tante, der beste Freund oder eine Psychotherapeutin ist.
Wer in einer Beziehung ist und einen Seitensprung wagt, muss mit Kamalitäten rechnen, denn die Eifersucht kann unberechenbar sein, auch wenn der Partner oder die Partnerin meint, einverstanden zu sein. Mit einem neuen Partner kann sich auch die Liebe drehen, und wer frisch verliebt ist wird dies schwer verheimlichen können. Wenn eine Auffrischung nötig scheint sollte diese gemeinsam geplant werden, eine Variante kann auch sein, gemeinsam Abwechslung hereinzuholen.
Wenn ein Partner müde ist oder keine Lust hat, darf der andere auch mal selbst Hand anlegen. Das darf auch im selben Raum oder Bett passieren, inklusive Lustgrapschen und Voyeurismus. Auch muss nicht jede sexuelle Handlung zum Orgasmus führen, vielleicht passt ein Massieren, Liebkosen oder Streicheln besser in dem Moment. Nach einem Orgasmus sind Muskeln gut entspannt, und so ist Sex auch ein probates Schlafmittel, aber es kann auch anregend wirken. Ohne Höhepunkt sind erotische Träume wahrscheinlich, die dann Tags darauf vielleicht erst recht ausgelebt werden wollen. Wenn die Ursache für einen Lustabfall Stress oder Überlastung ist, dann ist es wichtig, Auszeiten, Bewegung und eventuell auch Sex fix einzuplanen. Wie und wann Sex gut funktioniert und ob dieser ausgemacht sein soll, müssen Paare selbst heraus finden. (In der dänischen Polit-Serie "Borgen" wird für Dienstag und Samstag Sex mit der Premierministerin eingeplant, doch das klappt dann terminlich doch nicht so gut). Wer seinen Körper nicht regelmässig erlebt, lebt bald ausserhalb. Und da kann Mann oder Frau leicht unerträglich oder gar zum Monster werden.
Sexuelle Kontakte sind in Österreich etwa ab dem 14. Lebensjahr erlaubt und Menschen haben bis ins hohe Alter Sex. Es mag Lebensabschnitte geben, wo das Bedürfnis nach sexuellem Erleben in den Hintergrund tritt, bei Krankheit, Stress, Trauer oder nach einer Geburt. Ein Baby schläft am besten ausserhalb des elterlichen Schlafgemachs und auch Kleinkinder sollten nur am Morgen kuscheln kommen dürfen, ansonst bleibt wenig Intimität übrig. Da kaum eine Frau während der Stillzeit einen Eisprung hat, können Paare diese Zeit (und natürlich auch die Zeit der Schwangerschaft) nutzen, um auch wieder (sicheren!) Sex zu haben.
Wer pornographisches Material konsumiert oder verwendet, sollte darauf achten, dass dies unter fairen Bedingungen produziert worden ist. Hier ein Beispiel für einen eher "klassischen" Ablauf eines Paares, wo Darsteller und Produzenten auch genannt sind (nicht jugendfrei). Eine andere Variante des Sexfilms ist, sich selbst zu filmen. Da ist zwar die Ausleuchtung selten perfekt, aber der erotische Kick mindestens so gut. Eines ist jedoch gewiss: Wer als Pornodarsteller im Netz landet, der oder die wird diesen Ruf nicht mehr los. Denn das Internet vergisst nie. Und wenn schon, dann zumindest für einen guten Zweck: FuckForForest ist ein bizarrer Film, in dem selbst gedrehte Pornos verkauft und deren Erlöse an Umwelt-NGOs gehen sollen. Weil bei den meisten Pornos die Darstellerinnen (schlecht) bezahlt sind, gibt es erotische Dramaturgien mit Konsens eher selten zu sehen. Eine gute Beziehung braucht einen Austausch auf gleicher Augen - oder sollen wir sagen - Genitalhöhe? Da dürfen verschiedene Rollen gespielt werden, aber alle Beteiligten müssen damit einverstanden sein, ohne Druckmittel und Abhängigkeiten. Ein Beispiel hierfür ist xConfessions, eine online Platform für feministischen Porno. In einem Forum können Userinnen und User von ihren sexuellen Fantasien oder erotischen Geschehnissen erzählen. Erika Lust, die Regisseurin hinter xConfessions wählt dann jeden Monat zwei Geschichten um daraus Pornos zu drehen. Hier stehen Frauen und Männer auf gleicher Augen- sowie Genitalhöhe: dreckiger Sex ist erlaubt, die Werte müssen jedoch sauber bleiben.
Aufklärungsvideos gibt es zu Hauf, hier ein ziemlich gut gemachtes aus Großbritannien (in Englisch).
Das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch bietet im Internet Videos, dokumentiert erschütternde Schicksale etwa von Hebammen, die einen Abbruch verantworten mussten oder Informationen zur Vasektomie und wo sich Samen einspeichern lassen, wenn sich Mann zum Schnitt entscheidet und doch für den Fall der Fälle eine Reserve anlegen möchte. Das Museum kann in Wien auch besucht werden.