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"The Economy of Abundance" ist ein derzeit viel besprochenes Buch zur Postwachstumsökonomie. Der Autor Wolfgang Höschele räumt erstmals mit einer Grundannahme der Wirtschaftswissenschaften auf, die bislang davon ausgeht, dass die menschlichen Bedürfnisse unendlich seien. Ihr Axiom bisher ist es, zu studieren, wie Menschen ihre limitierten Ressourcen organisieren können, um ihre unlimitierten Wünsche zu erreichen.
Wir sind als homo oeconomicus mittlerweile in einer selbst-erfüllten Prophezeiung verhaftet, indem immer neue Bedürfnisse von Produkten und Dienstleistungen kreiert werden, die mit viel Aufwand angepriesen werden müssen. Beispiele finden sich zuhauf. So betragen etwa die Aufwände der Pharma- oder Lebensmittelindustrie für Marketing ein vielfaches als jenes für die Forschung, sie werfen in immer kürzeren Intervallen immer ähnlichere Produkte auf den Markt, rechtfertigen aber die Patentierung und die hohen Preise mit dem grossen Entwicklungsaufwand.
Die Effekte sind hinlänglich bekannt: wir benötigen immer mehr Ressourcen um mehr vom selben zu haben und drehen uns im Hamsterrad, ohne dass wir wesentlich glücklicher sind oder die Welt gerechter wird. Diese Effekte sind sowohl in entwickelten als auch in aufstrebenden Regionen zu beobachten. Brigitte Kratzwald beschreibt in einem Blogbeitrag über das Buch anekdotisch mit Fröschen, wie wir offenbar stets versucht sind, Knappheit künstlich zu inszenieren, anstatt die Fülle wahrzunehmen und davon zu zehren. In der Natur gibt es immensen Reichtum an Lebewesen, Pflanzen oder Panoramen und dort funktioniert der Umgang ohne Verkünstlichung der Knappheit seit Jahrmillionen ohne größere Krisen.
Höschele schlägt vor, das bereits vorhandene als einen immensen Reichtum zu sehen, aus der wir nur zu schöpfen brauchen. Im ersten Teil des Buches analysiert er Institutionen und Unternehmen, wie sie künstliche Verknappung betreiben. Im zweitenTeil geht es dann um Lebensweisen, die Reichlichkeit wahrzunehmen und das, was schon da ist, neu schätzen zu lernen. Dabei soll auf Errungenes nicht verzichtet werden und es sind auch keine Dogmen nötig, wie wir zu leben haben. Als Modell gilt der Kreativschaffende, welcher aus Vorhandenem schöpft und Zustände der absoluten Vollkommenheit schafft. Die Künstlerin ist mit ihrem Werk irgendwann fertig und kann es so bewundern und stehen lassen - diese Fertigkeit müssen wir in den Alltag integrieren lernen, anstatt in jedem nächsten Moment wieder etwas neues zu wollen.
Die Errungenschaften der Moderne werden dabei bewahrt: individuelle Freiheit, das Recht zu hinterfragen, selbst auch zu antworten und einen eigenen Lebensstil zu wählen. Wenn wir das Leben als ein Kunstwerk versuchen, benötigt es keine moralische Perfektion, keine ständiges Nachkalkulieren oder die Selbstaufgabe in einer Revolution.
Die Parellelen zu Ethify Yourself sind unübersehbar, geht es auch hier um einen Lebensentwurf ohne absolute Ziele. Übungen bringen uns weiter und helfen das Leben zu ordnen, nicht nur unter ökonomische Ziele. Mit den vier Lebensbereichen Ewerb, Sorgearbeit, Kultur und Teilhabe erleben wir jene Fülle, die das Leben bieten kann. Und der Bereich der Kultur (der Bildung mit einschliesst) ist jener, in dem wir unendlich wachsen könnten, ohne anderen etwas wegzunehmen. Allenfalls pocht Ethify Yourself stärker auf Verbindlichkeit als auf ein libertäres "anything goes". Sowohl im täglichen Geschäftsleben oder mit Freunden zählt die Fähigkeit zur Kooperation, wobei das Einhalten von Vereinbarungen eine wichtige, vertrauensbildende Komponente darstellt. Ähnlich sind in beiden Büchern die Anleihen bei Kreativen, die als eine neue Avantgarde beschrieben werden, wenn es um deren Lebensstil und Passion geht, Innovationen zu schaffen, die nicht notwendigerweise auf Profitmaximierung zielen.
"Creating of Abundance und "Ethify Yourself" gehen Hand in Hand, können aber beide nur stets unfertige Projekte bleiben. Verknappende Institutionen verschwinden nicht plötzlich und der Weg zu einem ethischen Lebensstil ist unendlich weit.
1 Comment
Die Publikation hat leider
Submitted by ras on
Die Publikation hat leider einige Schönheitsfehler.
1. Das Buch ist bei einem Verlag erschienen ist, der alle Rechte zurückhält, auch Auszüge dürfen weder elektronisch noch auf Papier vervielfältigt werden. Da hätte es andere Verlage gegeben, die nicht zu den Verknappungsinstitutionen zu zählen sind und etwa den Creative Commons Weg gehen.
2. Der Autor lebt auf drei Kontinenten und hat vermutlich einen ziemlich schlechten Fussabdruck. Das sollte er transparent machen, wie er damit umgeht.
3. Die Ausblicke sind reichlich theoretisch und wenig bezogen auf reale Wirtschaftsabläufe. Nett, wenn wieder mal jemand Regionalgeldsysteme lobt, aber dass diese seit 30 Jahren nicht wirklich vom Fleck kommen und meist nur eine kleine Klientel bedienen übersehen Intellektuelle gerne. Im täglichen Geschäft geht es vielfach um Vertrauen, dass das was ein Anbieter verspricht auch eingehalten wird, da ist der Autor etwas realitätsfern, wenn es nur um die wahrgenomme Ganzheitlichkeit gehen soll.