Permanente Kostenreduktion - Selbstmord auf Raten?

Nach der Krise ist vor der Krise. Dieser Satz trifft sicherlich für viele heimische Unternehmen zu, die Krise scheint überstanden und die Auftragsbücher der Industriebetriebe zeigen ein Niveau auf, welches dem vor der Krise entspricht. Doch was wurde aus der Krise und den Folgen daraus gelernt? Wohl nicht viel, sieht man den Tatsachen ins Auge:

Im Vorfeld der Krise waren Rohstoffe für die Industrie knapp und teuer, durch die massiven Einbrüche während der Krise wurden massiv Kapazitäten am Markt unwiederbringlich abgebaut und nun, nach der Krise, sehen wir uns mit einer zunehmenden Rohstoffverknappung konfrontiert, welche mitunter auch dafür sorgt, dass die Preise wieder massiv steigen. Diese Situation belastet die Industriebetriebe, drückt auf die Marge und gefährdet gerade die in der Krise gebeutelten Unternehmen in ihrer Existenz, können die Kostensteigerungen nicht abgewälzt oder kompensiert werden.

Ein weiterer Belastungseffekt der Realwirtschaft sind die nach wie vor sehr umfangreichen Finanzmarktgeschäfte auf Realgüter und Rohstoffe, welche, verstärkt durch den Währungswettkampf der wirtschaftlich bedeutenden Währungen Euro, US-Dollar, Yen und Yuan, die Kurse der Commodities in die Höhe treiben und zu einer Überbewertung führen, die jedoch kaum eine Rechtfertigung im realen Gegenwert hat. Somit nimmt erneut der Finanzmarkt Einfluss auf die Kostensituation in der Realwirtschaft, durch Spekulationsgeschäfte hervorgerufen, die jeglicher Grundlage entbehrt.

Die in der Vergangenheit und noch heute konsequent betriebene Verlagerung von Produktionen nach Asien hat zudem zu einer Abhängigkeit geführt, die sich nun ebenfalls auf die heimische Realwirtschaft auswirkt - die Quittung für die jahrelange Kostenreduktion. Das Wirtschaftswachstum in Asien steigert den Bedarf in deren Binnenmärkten drastisch, die Versorgung Europas steht dann an nachrangiger Stelle und ist nicht mehr gesichert. Durch die Verlagerung ganzer Technologien nach Asien geht oder ging bereits technologisches Know-How verloren, dessen Wiedererlangen mit Zeit, Aufwand und massiven Kosten verbunden ist. Berücksichtigt man auch diese Kosten stellt sich die Frage, ob sich die umfangreichen Verlagerungsbestrebungen wirklich gelohnt haben.

 

Doch wo führt uns diese Entwicklung hin? Wie sieht mittel- bis langfristig die Wirtschaftsstruktur aus, wenn die Wertschöpfung mehr und mehr in den asiatischen Raum verlagert wird? Wer soll die europäischen Produkte noch kaufen und sich noch leisten können, wenn die permanente heimische Kostenreduktion durch Verlagerungen nach Asien geschieht? In welchen Bereichen sollen unsere Kinder dann noch arbeiten, wenn nur noch wenige spezialisierte und hoch technische und automatisierte Unternehmen das Bild der heimischen Wirtschaft prägen? Für die örtlich ungebundenen und hoch qualifizierten Fachkräfte wird dieses Zukunftsszenario sicher nur eine geringe Bedrohung darstellen, doch was geschieht mit denjenigen Personen, die nicht zu diesem Personenkreis zählen?

Aus meiner Sicht sind auch derartige Überlegungen anzustellen, wenn es darum geht, heute eine Entscheidung zu treffen. Und nicht die gesamte Wirtschaft, die Politik oder die „Umstände“ treffen diese Entscheidungen, sondern Personen, einzelne Menschen, deren Verantwortung auch darin bestehen sollte, sich über die Auswirkungen der eigenen Handlungen für die Zukunft im Klaren zu sein.