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Soziale und ökologische Verantwortung einer Gemeinde – proforma oder gelebt?

Wo immer Menschen zusammenleben, muss dieses Zusammenleben durch ein gemeinsames Werteverständnis geregelt werden. Die gilt sowohl für Unternehmen als auch insbesondere für Kommunen.

Aufgabe der Abschlussarbeit „New Business Ethics“ war es, eine Organisation zu portraitieren und dabei aufzuzeigen, wie in dieser Organisation mit sozialer und ökologischer Verantwortung umgegangen wird. Als Beispiel für dieses Portrait wurde die Gemeinde Mäder ausgewählt.

„In den mederen” nennt eine Urkunde aus dem Jahre 1256 jenes Gebiet des Reichshofes Kriessern, welches in etwa die heutige Gemeinde Mäder darstellt.

Um den Rhein durchwegs als Staatsgrenze zu festigen, kaufte Kaiser Maximilian 1513 die Gerichts- und Grundherren-Rechte um 300,- Pfund Pfennig für das Haus Österreich. Besonders gezeichnet wurde das Schicksal von Mäder durch den Rhein. Allein von 1700 bis 1900 trat er zehnmal über die Ufer und hinterließ Verwüstung und Not. Bis zu 100 Tagen Frondienst mussten die Mäderer im Jahr leisten, um Dämme zu errichten. Armut und Elend waren die Folge, bis der Mäderer Vorsteher Johann Josef Ender namens aller österreichischen Rheingemeinden nach Wien ritt und vom Kaiser Hilfe erbat. Im Jahre 1824 sagte Kaiser Franz I dem Mäderer Vorsteher staatliche Hilfe zu. Diese Hilfe wurde bis zur gänzlichen Übernahme der Rheinregulierung 1892 geleistet.

In den Jahren danach wuchs die Bevölkerungszahl in Mäder stetig. Bei der Volkszählung 1951 hatte Mäder 786 EinwohnerInnen, 1991 waren es 2.724. Heute leben in Mäder mehr als 3.800 EinwohnerInnen.

Mäder hatte in seiner Entwicklung seit 1950 das große Glück nur drei Bürgermeister gehabt zu haben, welche die Entwicklung stets über Jahre hinaus planen und gestalten konnten. Anlehnend an das ethisch ökologische Leitbild „Erfolg mit Verantwortung“ von „respACT“ (www.respact.at) wurde die Gemeinde Mäder auf ihr ökologisch-ethisches Verhalten hin untersucht. Dabei wurden nachfolgende sechs Bereiche näher untersucht:

1. Führung und Verantwortung
2. Umwelt
3. Gesellschaft
4. Wirtschaft
5. Bevölkerung
6. Mitarbeiter

Während unserer Untersuchung zeigte sich, dass besonders Gemeinden verantwortungsvoll handeln und ein Vorbild für eine lebenswerte Welt sein müssen. Es folgt ein Auszug der für uns wichtigsten Punkte.

1. Führung und Verantwortung
Die Gemeinde Mäder, geprägt durch jahrelangen Zusammenhalt zur Bekämpfung der Überschwemmungskatastrophen, pflegt seit jeher eine sehr offene Kommunikation mit den Bewohnern. In den 1990er Jahren wurde in einem offenen Diskurs eine Strategie für Mäder entwickelt. Diese wurde in zwei kurzen Aussagen zusammengefasst:

„Mäder soll Umweltmustergemeinde werden“
„Mäder soll Dorf bleiben“

Diese Strategie wurde ergänzt um nachfolgende Leitsätze:

„Unsere Kinder – Unsere Jugendlichen – Unsere Familien“
„Wir leben miteinander – Wir brauchen einander“
„Lebensqualität, die sich lohnt“
„Älter werden in Mäder“
„Senioren- und Sozialzentrum“

Des Weiteren wurde festgelegt, dass in Mäder Raum für vielfältige Nutzungsansprüche bleiben soll. Treffpunkte und Kommunikationsräume, eine aktive Dorfgemeinschaft und die Identifikation der Bewohnerinnen und Bewohner mit der Gemeinde sollen dazu beitragen, dass Mäder ein lebenswertes Dorf bleibt und kein anonymes Wohnviertel im Ballungsraum Rheintal wird.

Die Strategie, sowie die Leitsätze werden bis heute strikt eingehalten und sind bei jeder Entscheidung innerhalb der Gemeinde präsent.

2. Umwelt
Frühzeitig wurde den Gemeindeverantwortlichen klar, dass die Umwelt ein hohes Gut darstellt, das es gilt für zukünftige Generationen zu schützen.

Der erste Schritt in Richtung Umweltschutz wurde bereits zu Beginn der 1970er gemacht. Im Zuge der Erneuerung der Rheinauen wurde ein Flurgehölzeplan erarbeitet und anschließend mehr als 70.000 Bäume und Sträucher gepflanzt, die bis heute einer Vielfalt von Lebewesen Schutz und Heimat geben, sowie Erholungsraum für die Bewohner darstellen.

Zehn Jahre danach wurde gemeinsam mit der Bevölkerung ein Grünordnungsplan für den Siedlungsraum erstellt, mit dem Ziel im Siedlungsgebiet eine größere Natur- und Erholungsanlage zu platzieren.

Der Grünordnungsplan hat drei Aufgaben:

1. Die Gestaltung des Ortsbildes im Zusammenwirken mit dem Flächenwidmungs- und Verkehrsplan.
2. Die Sicherung der Benutzbarkeit der Freiräume.
3. Die Stärkung des Naturhaushaltes im Siedlungsgebiet

Mit der strategischen Aussage „Mäder soll Umweltmustergemeinde werden” wurde eine Vielzahl ökologischer Maßnahmen eingeleitet. Dass sich die Gemeinde für die Umsetzung verantwortlich fühlt, zeigt die aktive Mitarbeit in nachfolgenden Umweltorganisationen bzw. –netzwerken:

- Klimabündnis – Beitritt 1993
- Gemeindenetzwerk Allianz in den Alpen – Beitritt 1998
- e5 – Beitritt 1999 als Startgemeinde (eine von drei Gemeinden österreichweit mit 5/5 „e“)

All diese Aktivitäten flossen 1997/1998 in den Bau der neuen Öko-Hauptschule ein. Die Schule wurde damals als Niedrig-Energiegebäude realisiert. Die Heizenergie wurde aus Biomasse gewonnen, der Materialeinsatz erfolgte nach ökologischen Gesichtspunkten. Daraus resultierende Mehrkosten wurden akzeptiert.

Beim Neubau der Volksschule in diesem Jahr wurde das nächste Zeichen gesetzt. Der Bau erfolgte wiederum trotz Mehrkosten im Passivhaus-Standard.

3. Gesellschaft
Mäder ist eine typische Zuzugsgemeinde, wie aus der Bevölkerungsentwicklungszahl

Jahr 1951 Einwohneranzahl = 786
Jahr 1991 Einwohneranzahl = 2.724
Jahr 2010 Einwohneranzahl = 3.850

abzulesen ist.

Unter den Zuzüglern sind überdurchschnittlich viele Jungfamilien. Daher liegt das Durchschnittsalter deutlich unter dem Landesschnitt. Aufgrund dessen stellt die Integration dieser Zuzügler für die Gemeinde eine große Herausforderung dar. Verschiedene Aktivitäten, wie zB spezielle Informationsveranstaltungen für Zuzügler sollen eine rasche Integration und einen Kennenlernen fördern.

Da es immer häufiger notwendig wird, dass beide Elternteile arbeiten müssen, wurde frühzeitig eine entsprechende Kinderbetreuung angeboten. So ist eine Betreuung von Kleinkindern bereits ab einem Jahr möglich. Die Gemeinde ist dabei maßgeblich beteiligt.

Ebenso wird die Kindergartenbetreuung in den letzten Jahren stetig ausgeweitet. Derzeit werden knapp 180 Kinder täglich von 07:30 Uhr bis 17:30 Uhr durchgehend betreut. Seit diesem Schuljahr auch in einem Waldkindergarten, bei dem sich die Kinder das ganze Jahr im Freien aufhalten.

Für Kindergarten und Volksschüler wird eine Mittagsbetreuung angeboten, welche in Zukunft auch für die Schüler der Öko-MS/HS angeboten wird.

Ein wichtiges Standbein einer Gemeinde sind ihre Vereine. Derzeit sind in Mäder 30 Vereine tätig. Insbesondere die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Vereinen wird von der Gemeinde erwünscht und auch entsprechend gefördert.

4. Wirtschaft
Selbstverständlich täte sich die Industrie leicht, wenn sie nicht auf die Umwelt Rücksicht nehmen müsste und auch die Natur würde sicher ganz gut ohne die Industrie auskommen. Der Mensch braucht aber in der derzeitigen Lebensform beides und es liegt an ihm, Umwelt und Industrie in einem vertretbaren Maße zusammen zu bringen.

Es ist den Verantwortlichen der Gemeinde Mäder schon lange ein Anliegen, Industrie und Umwelt gleichermaßen zu fördern und daran zu arbeiten, natürliche Gegensätze zu entschärfen.

Einige Betriebe arbeiten sehr intensiv an der Verknüpfung von Wirtschaft und Umwelt und sind Mitglied im ÖKOPROFIT©. Die Gemeinde versucht, soweit möglich, bei der Neuansiedelung von Betrieben auf eine nachhaltige Wirtschaftsform bzw. der Einhaltung entsprechender Vorgaben zu achten. In Zusammenarbeit mit Leitbetrieben in der Gemeinde wird versucht, auf andere Betriebe eine Vorbildwirkung zu erzielen.

5. Bevölkerung
Mit der Erarbeitung und Umsetzung des Sozialprofils „Mäder - Ein Leben lang” wurde ein wichtiger Schritt zum Einbezug der Bevölkerung in die Gemeinde getan. Zusammen mit über 300 Bürgern wurden die bereits genannten fünf Leitsätze (siehe Punkt Führung und Gestaltung) entwickelt. Daraus entstanden vier Arbeitsgruppen, die zusammen ein Programm mit rund 25 verschiedenen Ganzjahresaktiväten entwickelten und ehrenamtlich durchführen (zB Weihnachtsmarkt, Integrationsabende, Jugendtreff, Seniorentanz, Rastbänke, Familie-Aktiv, usw.).

Zudem wurde der „Dankeschönabend“ eingeführt.  Zu diesem werden Personen aus Mäder eingeladen, die sich für die Gemeinschaft einsetzen. Dieser soll den Dank der Gemeinde zeigen und zur Motivation zur ehrenamtlichen Mitarbeit fördern, sowie das gesellschaftliche Engagement und die Vernetzung von ehrenamtlich tätigen Menschen und deren Tätigkeiten sichtbar machen (zB Hauskrankenpflege und MOHI mit pflegenden Angehörigen).

Ein weiteres Projekt ist der Sozialfonds „Mir häband zämma”. In Mäder gab es bis zur Gründung des Sozialfonds keine Möglichkeit für Menschen, die durch das öffentlich-soziale Netz fallen, finanzielle Hilfe zu bekommen. Gleichzeitig schien es notwendig eine erste, möglichst niederschwellige Anlaufstelle für Menschen, die Hilfe brauchen und Beratung suchen, zu schaffen. Die Leistungen des Sozialfonds werden gerne und verantwortungsvoll von den Bewohnern in Anspruch genommen.

Das Projektteam „Betreubares Wohnen” hat ein Raumprogramm für ein „Betreubares Wohnen” in Mäder erarbeitet. Das Projekt „Betreubares Wohnen“ soll es älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern ermöglichen, solange als möglich eigenständig zu wohnen und externe Dienste Schritt für Schritt zu konsumieren.

6. Mitarbeiter
Die Gemeinde Mäder beschäftigt zurzeit 48 Mitarbeiter. Davon sind der Großteil Teilzeitbeschäftigte, da dadurch flexible und faire Anstellungsverhältnisse, besonders für Erziehende, sichergestellt werden soll. Drei Arbeitsplätze sind geschützt. Aus- und Weiterbildungswünsche für Gemeindebedienstete werden im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten unterstützt und gefördert.

Fazit
Die Gemeinde Mäder zeigt erfolgreich, dass eine konsequente Haltung gegenüber gesellschaftlichen und ökologischen Themen positive Auswirkungen auf die Bevölkerung haben kann. Auch wenn noch lange nicht alle Mäderer an den erwähnten Aktivitäten teilnehmen, hat sich durch viele Helfer, Förderer und Teilnehmer viel Positives entwickelt. Trotz vieler neu zugezogener Bewohner, ist das Gemeindeleben vollends intakt und gesellschaftliche Veranstaltungen stets gut besucht. Auch die Akzeptanz und Förderung von umwelt- und gesellschaftlichen Projekten, auch wenn sie etwas mehr kosten, werden von der Bevölkerung unterstützt. Die Bewohner sind stolz sagen zu können, dass ihre Gemeinde im Rahmen ihrer Möglichkeiten nachhaltig arbeitet. Während der Untersuchung hat sich aber auch gezeigt, dass man sich nicht auf den Erfolgen ausruhen darf, sondern stetig weiterarbeiten muss.

Wie in jeder Gemeinde gibt es auch in Mäder noch Verbesserungspotential. Insbesondere die Bevölkerungsbeteiligung hat sich in den letzten Jahren leicht abgeschwächt. Vielfach mit dem Hinweis, dass sich alles sehr gut entwickelt und die Gemeindeverantwortlichen wissen was zu tun ist. Das Bewusstsein, dass jeder dafür verantwortlich ist, wie sich seine Umwelt entwickelt, muss wieder in die Köpfe der Mädererinnen und Mäderer.

Diesbezüglich braucht es jede nur erdenkliche Unterstützung der Bewohner, besonders in ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es liegt also an jedem Einzelnen, sich auch in seiner Gemeinde einzubringen. In welcher Form auch immer, denn es gilt gemeinsam die Zukunft für nachfolgende Generationen zu gestalten …


(Autoren: Mario K. / Michael F.)

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