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Culture Jamming – Das Manifest der Anti-Werbung

 

Culture Jamming – Das Manifest der Anti-Werbung

Amerika ist kein Land mehr – es ist eine Multimillionendollarmarke. Aus dem Land der Freiheit, Demokratie und der unbegrenzten Möglichkeiten wurde AmerikaTM . Die Kultur wird nicht mehr von den Bürgern kreiert, sondern von Konzernen vorgegeben: Arbeiten, Shoppen, Konsumieren... 

Und The American Way setzt sich global durch. Der ökonomische Fortschritt bringt diesen Planeten um – langsam aber stetig geht ihm die Luft aus. Was tun? Kalle Lasn, Mitbegründer des Adbuster Magazine, schlägt in seinem Buch Culture Jamming vor, die Wut rauszulassen und nicht immer so verdammt zivilisiert zu sein. Aktiv zu werden, statt als pathologischer Konsument und Shopper weiterzujammern. Sein Buch ist ein Manifest der Anti – Werbung. Er sagt der Amerikanischen Coolness den Kampf an und zeigt in 4 Teilen auf, wie man durch Culture Jamming und Umdenken eine neue Welt mit nichtkommerzieler Seele erreichen könnte. 

Herbst – Bilanz des angerichteten Schadens 

Der amerikanische Mensch ist orientierungslos und erstickt an der Fülle. Der Fülle der Möglichkeiten, der Fülle der Reizüberflutungen. Psychologische Störungen nehmen seit den 50er Jahren dramatisch zu, Kinder schlucken Ritalin und Erwachsene Antidepressiva. Kalle Lasn spricht von einer mentalen Umweltverschmutzung. Lärm, Medienschocks, emotionale Hypes, manipulative Werbung und manipulierte Nachrichten... dies alles führt zu einer Datenüberlastung, Abstumpfung und zu einer mentalen Vergiftung. Wir weinen um Lady Di, schauen den sterbenden Kindern in Afrika zu und Sekunden später erfahren wir, dass Pink die Farbe des Frühlings sein wird.

Und was ist mit der freien Meinungsäusserung geschehen? Die Medienhäuser leben von den Werbeeinnahmen der zahlenden Unternehmen – und wollen diese nicht vergraulen. Erste Versuche von Kalle Lasn Sendeminuten für „Anti-Werbeclips“ zu kaufen scheiterten gnadenlos. Medienhauser scheinen sich den Konzernen zu unterwerfen und mit ihnen merkwürdige Synergien einzugehen. Denn auch im Netz sieht man einen ähnlichen Trend. Wir lesen einen Artikel über John Denver und können einen Click weiter bereits ein Album kaufen. Und kaum ein Film kommt mehr ohne Product Placement aus. Und da stellt sich die Frage, ob der Hauptdarsteller nun die Cola trinkt, weil das Teil seines Charakters ist, oder Teil der Werbestrategie von Coca Cola selbst. Die Schlange beisst sich selber in den Schwanz und auf der Strecke bleibt ein unauthentisches Ich, dass nicht mehr weiss, was es glauben soll und was es selber ist. Also zappen wir noch etwas durch die Sender, oder Klicken von Internetseite zu Internetseite und verlieren auf unserer Surf-Safari die Fähigkeit uns in Themen zu vertiefen. Alles wird irgendwie schal und oberflächlich. 

 

Winter – Die Welt in der Konsumtrance

Seit frühster Kindheit werden wir abgerichtet und verführt zum Konsum. Erst waren es die Auslagen der Süssigkeiten an der Kasse, wenige Jahre später ist es der BMW vor der Garage. Wir lernen was „cool“ ist und was wir essen, trinken und kaufen müssen. Jedes Alter bekommt vorgesetzt, was es haben will. Und der Traum, den wir alle träumen, ist stets der gleiche: mehr Geld. The American Dream verwandelt sich in eine bürokratische Gesellschaft, des kontrollierten Konsums. Konzerne kaufen und verkaufen sich gegenseitig die Aktien, machen Lobbyarbeit bei den Parlamentariern und finanzieren Wahlkampagnen. Sie managen Massenmedien und legen die industriellen, wirtschaftlichen und kulturellen Ziele der Gesellschaft fest. Und juristisch gesehen, haben amerikanische Konzerne heute mehr Freiheiten als der amerikanische Bürger.

Und wir selber geben täglich die Verantwortung für unseren Körper und unser Wohlbefinden an Konzerne ab. Wir essen, was uns in der Werbung empfohlen wird und kleiden uns in Kleidern die als cool gelten; die Unternehmen versprechen uns im Gegenzug Status, Bequemlichkeit und Schönheit. Es stellt sich die Frage, warum die Menschen trotzdem immer fetter und unsicherer werden.

Auch unser Planet leidet. Trotzdem halten die Expansionisten das Ideal des Wachstums hoch. Sie glauben sogar, dass die Probleme dieser Welt nur mit Wachstum gelöst werden können und dass der Wachstum keine Grenzen hat. Auf der anderen Seite stehen die Vertreter des ökologischen Lagers, die schwarz auf weiss belegen können, in was für einen katastrophalen Zustand wir unseren Planeten durch die Verschwendung von endlichen Ressourcen, durch Umweltverschmutzung und Ausbeutung bereits gebracht haben. Folgen wie der Klimawandel, das Dünnerwerden der Ozonschicht, die Verschlechterung der Bodenqualität, die Häufung der Naturkatastrophen - um nur ein paar zu nennen - sollten uns eigentlich in Alarmzustand versetzen. Schwarz auf weiss sind allerdings auch die Zahlen, die Belegen, dass das BIP mehr steigt, wenn wir Auto fahren, anstatt zu Fuss gehen, exotische Früchte einkaufen, anstatt selber Tomaten zu ziehen und auch Kriege und Katastrophen erhöhen das Bruttoinlandsprodukt.

So kaufen wir weiter Kredite, setzen auf Wunder und huldigen der amerikanischen Coolness. Wohin das führen kann, sahen wir bei der letzten Weltwirtschaftskrise. Doch was kann man tun?

 

Frühling – Wie startet man eine Revolution?

Kalle Lasn schlägt vor, sich die Situationisten der 60er Jahre als Vorbild zu nehmen und sich das Spektakel wieder zurückzuholen. Denn das Spektakel, die Show, die wir täglich zu erleben glauben, ist ein Instrument der sozialen Kontrolle, welches uns unendliche Auswahl vorgaukelt, aber nur mit vorgefertigten und vorselektierten Erlebnissen füttert. Promi-Klatsch, Sport, Mode, Lifestyle ... alles dient dem Zweck, uns für einen Folgekonsum zu konditionieren. Wir wurden dabei faul und träge.

Durch Culture-Jamming sollen wir aus der Lethargie aufwachen und uns die Show zurückholen. Anstatt der Storyline eines Konsum-Drehbuches zu folgen, sollen wir wieder spontan, aktiv und eigenverantwortlich handeln. 

Doch was meint Kalle Lasn genau mit Culture Jamming?

„Wir pinseln unsere eigenen Radwege auf den Apsphalt, (...) verwandeln die Gesichter der Calvin Klein Werbung in Totenköpfe und kleben VORSICHT-FETT- Aufkleber auf Tische und Tabletts in MC Donald`s Restaurants. Wir organisieren Tausch-Partys, verstellen die Ware in den Kaufhausregalen, machen unsere Software im Internet zugänglich und leisten andere wertvolle Beiträge, damit sich die Konsumkultur in den Schwanz beisst.“

Culture Jamming ist eine Schocktherapie, Cultur Jamming macht Anti-Werbung und versucht die Unternehmen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Dabei betont Kalle Lasn immer wieder, dass Wut gut ist, dass sie uns die Kraft gibt etwas zu verändern und dass es besser ist, die eigenen Wut gezielt rauszulassen, anstatt zynisch und ängstlich zu verharren. 

Sommer 

Ziel von Culture Jamming ist, das eigene Verhältnis zu den Unternehmen zu ändern. Lasn schlägt einen strategischen Weg vor:

  1. 1) „Cut the friendly shit“: sich Unternehmen gegenüber wehren, wenn diese einen verarschen.
  2. 2) Den Spiess umdrehen: den Unternehmen und ihren Angestellten den Spiegel vorhalten und sie mit Fragen konfrontieren. (Zum Beispiel wenn das nächste Mal ein freundlicher Versicherungsvertreter an der Türe klingelt.)
  3. 3) Sich für seine Rechte einsetzen – auch für andere. Wenn ich einen Etappensieg erreiche, mache ich auch meinen Nachfolgern das Leben leichter.
  4. 4) Konfrontation üben. Und sich in Gruppen zusammentun und gemeinsam vorgehen, dabei nicht einfach rebellieren, sondern lernen, grosse Fragen zu stellen und die Menschen zum Umdenken zu motivieren.
  5. 5) Die Debatten beeinflussen und neue Wege suchen. Versuchen starre Denkmuster zu durchbrechen und Themen anders darzustellen. Think around the corner.
  6. 6) Souveränität erhalten: anstatt kleine Nebenerscheinungen eines Unternehmens zu kritisieren, sollte man grundsätzlich die Legitimation und die Rechte des Unternehmens in Frage stellen. Auch hier gilt es, gross zu denken. 
  7. 7) Konsum weniger cool machen – Anti-Werbung machen und negative Folgen aufzeigen.
  8. 8) Downshifting: Sich mehr Zeit nehmen für sich selber und die Familie. Weniger Arbeiten. Das Ziel hierbei: Das Maximum an Wohlbefinden mit einem Minimum an Konsum zu erreichen.

 

Zwei Generationen des chronischen Überkonsums und der Dekadenz haben AmerikaTM geschwächt. Kalle Lasn glaubt, dass Amerikanische Coolness heute genauso anfällig ist, wie die Ideologie der Sowjetunion – niemand konnte sich davor eine Revolution vorstellen. Und doch hat sie stattgefunden. Kalle Lasn ruft mit diesem Buch sowie mit dem Adbuster Magazine und zahlreichen internationalen Kampagnen zu einer Revolution auf. 

Und auch wenn man bei der Lektüre des Buches immer wieder merkt, dass gewisse Themen merkwürdig veraltet daherkommen – das Buch ist bereits zehn Jahre alt – ist es umso spannender zu sehen, welche Punkte Lasn vorausgesehen hat, die genauso eingetroffen sind wie vorangekündigt. Als Beispiel hierfür, das Platzen der Kreditblase. Und auch wenn die Occupy-Wall-Street Bewegung wieder am verpuffen scheint und Goliath immer noch steht, war es doch ein erster Schritt in Richtung einer Revolution. 

Mich persönlich hat es zum Nachdenken angeregt und Erkenntnis ist ja bekanntlich der erste Schritt auf dem Weg zur Veränderung.

( Yves Roy )

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