Konsumfreie Zeit

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Konsumfreie Zeit
Ein Semester ohne Konsumgüter - Der Versuch auf alternative Wirtschaftsformen zurück zu greifen

Ist es möglich auf Dinge zu verzichten, ohne Verlust an Lebensqualität? Es scheint als möchten wir auf Auswahl und das Gefühl zu jeder Zeit alles haben zu können nicht verzichten. Neue, bessere Produkte ersetzen die alten in immer kürzeren Abständen. Schließlich braucht unsere Wirtschaft "stetiges Wachstum". Nur wenn wir immer mehr verbrauchen steigt unser Bruttoinlandsprodukt. An diesem Glaubenssatz halten wir fest - auch wenn wir sehen dass wir zunehmend mit Problemen konfrontiert werden: Müllberge, Klimabelastung und Verschwendung von Ressourcen. Ist die Anhäufung von Waren wirklich ein guter Maßstab für Wohlstand und Glück? Oder verbauen wir uns mit wachsendem Konsum und zunehmender Mobilität die Chance auf ein gutes Leben auch in der Zukunft und für unsere Nachkommen? Wir leben in einem Wirtschaftssystem in dem unbegrenztes Wachstum im Zentrum steht, leben aber in einer begrenzten Welt. Wir stoßen an die Grenzen der natürlichen Ressourcen. Hinter dem Wachstumsmodell steht auch ein bestimmtes Menschenmodell: das Individuum wird als Wirtschaftsobjekt gesehen, also als Konsument oder Produzent dessen Glück und Wohlstand am Wachstum des BIP gemessen wird. (Dokumentation: "Weniger ist mehr! Die Grenzen des Wachstums und das bessere Leben")

Durch unseren Konsum steuern wir die Gestaltung der Welt. Wir bestimmen welche Unternehmen und Konzerne unseren Zuspruch erhalten, wo wir unser Geld hinfließen lassen und wen und welche Strukturen wir somit unterstützen. Wir können bestimmen, ob große Konzerne viel Umsatz machen oder ob regionale Unternehmen unterstützt werden. Kaufen wir bio, regionale, nachhaltige und langlebige Produkte so unterstützen wir die Unternehmen die diese produzieren und ihre Vorgangs- und Produktionsweisen. Produkte von schlechter Qualität die nur für einen kurzen Gebrauch bestimmt sind verursachen nur Müll. Wir können durch langanhaltende, hochwertige Produkte Geld und Nerven sparen. Vielleicht ist es auch einfach sinnvoller weniger zu konsumieren, dafür qualitativ hochwertiger. Dies gilt auch für Lebensmittel. Die Hälfte aller Lebensmittel landet im Müll - die Wertschätzung fehlt. Wenn wir alle Güter die wir besitzen wertschätzen würden, weil sie von hoher Qualität sind und somit auch einen gewissen Geldwert verkörpern, so würden wir nicht so rücksichtslos mit ihnen umgehen. Ständig Neues zu konsumieren und auf der anderen Seite entsorgen wir ständig noch brauchbare Güter. Das vorherrschende konsumfördernde System muss durch ein ressourcen-schonendes, nachhaltiges System ersetzt werden. Unternehmen die mit geplanter Obsoleszenz ihrer Produkte arbeiten und Lebensmittel die mit absichtlich kurzer Haltbarkeit erzeugt werden, um dadurch den Konsum anzukurbeln, gehören verboten. Ein weiterer Punkt ist auch die Werbemaschinerie. Den Konsumenten wird eingeredet dass sie möglichst viele Produkte, Pharmazeutika, Leistungen und Güter brauchen: vollkommen sinnfrei. Wir müssen weg vom Wohlstand durch Konsum Modell, hin zu einem genügsameren und zufriedenen Leben.

Als Ethikprojekt habe ich mich deshalb entschieden etwas für die Umwelt, für die Stärkung alternativer Wirtschaftsformen und letztendlich für mich selbst zu tun. Und zwar: Ein Semester ohne Konsumgüter zu leben. Das heisst: keine neuen Produkte einzukaufen. Erlaubt war tauschen, Gebrauchtes kaufen, Dinge selber machen und improvisieren. Ausgenommen waren natürlich Lebensmittel. Da wir in einer Welt leben, in der sich viele durch ihren Konsum definieren, und es eigentlich unmöglich ist nicht zu konsumieren, habe ich mich bewusst dafür entschieden, für diese Zeit einmal darauf zu achten wie viel man oft auch unbemerkt konsumiert. Wir leben in einem ständigen Konsumdruck - wir können alle erdenklichen Güter aus allen Teilen der Welt kaufen. Wir definieren uns auch durch unseren Konsum - das was wir besitzen macht uns zu dem was wir sind. Zudem konsumieren wir ständig. Wöchentlich. Täglich. Dadurch stärken wir meistens die großen Konzerne und machen unsere kleinen regionalen Wirtschaftsformen kaputt. Dabei gibt es viele Alternativen zum klassischen Konsum neuer Güter - Alternativen die regionale Strukturen unterstützen und von denen die Menschen selber profitieren können. Es muss nicht alles immer Neu gekauft werden. Alternativen sind etwa Dinge zu Tauschen, Second-hand zu kaufen, Dinge selber herzustellen oder Zeit anstatt etwas Materiellem zu verschenken. So werden Ressourcen(Wasser, umweltverschmutzende Materialien wie Plastik, seltene Erden und Metalle etc.) geschont da keine neuen Produkte hergestellt werden müssen, der oft sehr weite Transportweg der Güter fällt weg, es werden regionale Muster verstärkt - etwa durch den Kauf von einer Privatperson - und es entsteht weniger Müll, da der Andere das Produkt weggeworfen hätte wenn es ihm niemand abgenommen hätte. Was weggeworfen wird kann niemand mehr verwenden und es wird zum Umweltproblem. Außerdem fließt weniger Geld zu den großen Konzernen, und die Menschen können sich gegenseitig unterstützen, es entsteht ein Kreislauf. Oft besitzt man Dinge die man gar nicht verwendet, während jemand anderes diese viel besser gebrauchen können. Wenn man diese Dinge weiter verkauft entsteht für den Verkäufer ein monetärer Gewinn und für den Käufer ein Produkt das er günstiger erwerben konnte.
Bei meinem Projekt ein Semester lang bewusst ohne Konsum zu leben habe ich versucht mit Alternativen zum typischen Konsum zu finden.

Sämtliche Kleidungsstücke habe ich Second-Hand in Wohltätigkeits-Shops oder auf Flohmärkten gekauft. Einen neuen Wintermantel habe ich im Dachboden meiner Großmutter gefunden. Handschuhe für den Winter selbst gefilzt und genäht. An Weihnachten habe ich nur Zeit und selbstgenähte Handschuhe verschenkt. Kaputte Sachen werden repariert anstatt ersetzt. Da mir im Sommer mein Mobiltelefon und mein Rucksack abhanden gekommen ist musste ich diese ersetzen. So habe ich von einer Bekannten ihr altes Handy geschenkt bekommen, und meine Oma hat mir einen Rucksack geschenkt. Sämtliche Bücher habe ich in der Bibliothek ausgeliehen. Build more - buy less ist das Motto des Buches "Hartz 4 Möbel" (welches ich noch vor der konsumfreien Zeit gekauft habe) in dem verständliche Anleitungen zum Möbel selber bauen enthalten sind. Damit möchte ich im Sommer starten. Generell sind Aktivitäten wie "einkaufen gehen" gestrichen worden - habe ich sowieso nie gemocht. Wenn kurz mal der Gedanke aufgekommen ist dass ich etwas brauche, so konnte ich es meistens anders lösen: durch ausleihen oder einfach auch mal durch verzichten. Meine Erfahrungen mit der konsumfreien Zeit sind sehr positiv. Ich war überrascht wie problemlos es funktioniert hat. Am Anfang hätte ich ein paar mal fast etwas gekauft, musste mich dann selber an mein Projekt erinnern - weil man oft unbemerkt konsumiert, ganz ohne darüber nachzudenken. Oft war der Kauf dann eigentlich gar nicht nötig, und ich habe es einfach bleiben lassen. Es gibt generell viele Möglichkeiten ohne Konsum zu leben. Sehr entgegenkommend ist dabei der aktuelle Vintage Trend - alte Sachen sind modern.

Mein Projekt hat mir gezeigt, dass es überhaupt kein Problem darstellt das eigene Konsumlevel niedriger zu setzten. Klar ist es nicht unausweichlich zu konsumieren, aber wenn dann sollte dies gut überlegt sein und das Produkt den Kauf wert sein. Intelligenter Konsum eben. Außerdem habe ich festgestellt dass es ausgesprochen gut funktioniert auf alternative Wirtschaftsformen zurück zu greifen. Mir hat es in jedem Fall in dieser Zeit an nichts gefehlt!

Selina

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