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Leistbares Wohnen in der Stadt ist für viele praktisch unmöglich. Immobilienspekulationen, Sozialwohnungen in Plattenbauten, betreute Altenheimkomplexe und Zersiedelung sind Gründe dafür, dass das Interesse an leistbaren, gemeinschaftlichen Wohnprojekten in Städten in ganz Europa steigt. Anhand bereits umgesetzter Projekte versuchen Vereine wie Vernetzt Wohnen und die ARGE Wohnprojekt Tirol das Interesse für alternative Wohnformen auch in Tirol zu stärken.
„Beziehungen entstehen aus Begegnungen", erläutert Projektgründer Anton Stabentheiner das Konzept vom Haus im Leben des Vereins ARGE. Das genossenschaftliche Wohnobjekt in Innsbruck bietet durch gemeinschaftlich genutzte Infrastruktur und generationsübergreifendes Wohnen eine Art Gemeinschaft durch die sich nicht nur die Lebensqualität aller Bewohner erhöht, sondern auch der Energieverbrauch verringert wird. Hier leben Familien, Kinder und Senioren, Paare und Singles auf einem Raum. Das „betreute“ Wohnkonzept Haus im Lebenunterscheidet sich von üblichen betreuten Seniorenwohnungen dadurch, dass alle Generationen unter einem Dach leben und in dieser modernen Wohnform die Vorteile einer Großfamilie genützt werden können, in der man sich gegenseitig unterstützt und trotzdem jeder seinen privaten Rückzugsort hat. „Alte Menschen wollen nicht nur mit alten Menschen zusammenleben. Das macht sie erst alt“, meint Anton Stabentheiner zu seinem generationsübergreifenden Wohnkonzept im Vergleich zu anderen Seniorenwohnheimen. Großzügige Gemeinschaftsräume, ein hauseigenes Café, ein Spielplatz im Hof und gemeinschaftliche Hochbeete im Garten stehen den Bewohnern neben ihren individuellen Wohnräumen zur Verfügung. Anonymes Wohnen weicht somit im Mehrgenerationenhaus integrativem Zusammenleben. Bewohnern mit besonderem Betreuungsbedarf steht zusätzlich eine Wohnbegleitung zur Verfügung, die sich auch um allgemeine Veranstaltungen für die Nachbarschaft kümmert. Die staatlich geförderten Wohnungen belaufen sich inklusive Strom, Betriebs- und Heizkosten auf 540 €/Monat und wurden in bisher fünf gemeinschaftlichen Wohnräumen der ARGE in Österreich realisiert.
Energieersparnis Wohngemeinschaft
Seit Anfang der 1970er Jahre hat sich die durchschnittliche Wohnfläche in Österreich fast verdoppelt, für die Energie und Ressourcen aufgewendet werden müssen. Durch alternative Wohnraumnutzungen wie dem Haus im Leben mit gemeinschaftlich genutzten Flächen wie Gästezimmern und Werkstätten werden Räume effizienter genutzt und Heizkosten dadurch verringert. Individuelle Nutzräume können durch Gemeinschaftsräume kompakter dimensioniert werden und ermöglichen dadurch eine größere Anzahl an Wohnräumen auf gleichem Raum. Durch die vielfältigen Angebote direkt im Haus wie Kinderbetreuung, Bio-Laden, Arztpraxis und Frisör werden zusätzlich viele alltägliche Wege verkürzt und somit wird das nachhaltige Ideal zur bequemsten Alternative. Darüber hinaus werden die Wohnräume mit Pellets geheizt und der Bau in Niedrigenergiestandard ausgeführt.
Bauträger und selbstverwaltete Wohnbauprojekte
Seit über 8 Jahren setzt sich auch der Verein Vernetzt Wohnen in Innsbruck für das gemeinschaftliche Wohnen im urbanen Raum ein. Auch ihr Fokus liegt auf einem generationsübergreifenden, sozial durchmischten und gemeinschaftlichen Leben in der Stadt. Die Ideen reichen von Privatwohnungen über WGs bis hin zu Clusterwohnungen und werden momentan in einem großen städtebaulichen Projekt in Innsbruck, der Campagne Reichenau, teilweise umgesetzt. Dafür sollen insgesamt sechzig Wohnungen in gemeinsam genutzte Flächen und Räume so eingebunden werden, dass im Sinne einer Smart City eine ökologische und technologisch fortschrittliche Lebensweise ermöglicht wird. Dafür werden Interessenten gesucht, die in einer Bau- bzw. Wohngruppe die nachhaltige Belebung im Stadtviertel mitgestalten möchten. In einer Baugruppe (im Englischen: co-housing) geht es um die individuellen Wohnbedürfnisse der Einzelnen und das gemeinsame Bedürfnis nach Beziehung. Es geht einerseits darum, die individuellen Wohnbedürfnisse zu entdecken und gemeinsam mit dem Architekten eine maßgeschneiderte Planung zu entwickeln. Andererseits gibt es die Möglichkeit, gemeinsam mit den zukünftigen Nachbarn die geeigneten Rahmenbedingungen für ein förderliches Zusammenleben zu gestalten.
Diese und weitere Projekte zeigen, warum vor allem urbanes Wohnen in Zeiten von Immobilienspekulation und steigenden Mietpreisen ein Umdenken alternative Wohnformen fordert. Wie kann leistbares Wohnen für alle erzielt und eine Gemeinschaft in der anonymisierten Stadtgesellschaft neu entdeckt werden? In diesem Zusammenhang ist der Dokumentationsfilm Der Stoff, aus dem Träume sind von der österreichischen Regisseurin Lotte Schreiber und Architekt Michael Rieper zu empfehlen, der sich anhand von sechs Meilensteinen selbstorganisierten und selbstverwalteten Wohnbaus in Österreich annähert und auf facettenreiche Art auf die unterschiedlichen Themen kooperativer Wohnprozesse von 1975 bis heute eingeht.
Text:
Anna Krepper
Quellen:
https://www.vernetztwohnen.at/index.php/news
https://www.tt.com/artikel/16127260/wohnen-fuer-alle-neu-denken-initiativen-auch-in-tirol
http://wohnprojekt.tirol
https://www.hausimleben.at/betreutes-wohnen/
https://www.tirol2050.at/de/bereits-erreicht/geschichten-des-gelingens/haus-im-leben/
http://www.derstoff.at
https://www.derstandard.at/story/2000105011521/selbstverwaltetes-wohnen-zwischen-schilf-und-sichtbeton
https://info-campagne.at/de/campagne-reichenau/campagne-reichenau/29-0.html