Das Straßenbahn-Problem: Ein ethisch-moralisches Dilemma

Darf man wenige Menschen opfern, um viele zu retten? Diese Grundsatzfrage ist Gegenstand der so genannten Reihe von Trolley (engl. Straßenbahn)-Problemen, die als Gedankenexperiment ein ethisch-moralisches Dilemma präsentieren, in denen sich eine Person zwischen zwei sich ausschliessenden und ungewollten alternativen Ausgängen entscheiden muss. Die Philosophin Philippa Foot formulierte das Problem so:

Ein Straßenbahnwagen ist außer Kontrolle geraten und rast auf 5 nichtsahnende Bahnarbeiter zu. Sie stehen an einer Weiche und können den Wagen auf ein anderes Gleis leiten, auf dem aber ein Bahnarbeiter steht. Entscheiden Sie sich, die Weiche umzulegen, oder unterlassen Sie es, zu handeln?

Judith Jarvis Thomson griff das Problem auf und verschärfte das Problem weiter -- in der aktuellen Literatur werden das Originalszenario und diese Erweiterung oft zusammen genannt, um Unterschiede zwischen den ethischen Theorien erkenntlich zu machen. Die Verschärfung stellt diese Frage:

Es ist ebenfalls wieder ein Straßenbahnwagen außer Kontrolle. Anstelle an der Weiche stehen Sie nun auf eine Brücke, unter der der Straßenbahnwagen passieren wird. Neben Ihnen steht ein dicker Mann, dessen Körperfülle den Straßenbahnwagen aufhalten würde. Dürfen Sie den Mann hinunter stossen, um den Wagen auzuhalten und damit das Leben der fünf Bahnarbeiter retten?

Augenscheinlich handelt es sich im ersten Moment beide Male um die selben Probleme, da sie die gleiche Anzahl von Lebenden/Toten bei den Entscheidungsmöglichkeiten, einzugreifen oder das Handeln zu unterlassen, haben. Nach der ethischen Theorie des Konsequentialismus, die allein die Folgen bzw. Konsequenzen einer Handlung moralisch beurteilt, darf in beiden Fällen der Einzelne geopfert werden, um die fünf Arbeiter zu retten, da fünf Leben mehr zählen als eines.

Hingegen ist es nach dem "Prinzip der Doppelwirkung" der deontologischen Ethik, die das Wesen einer Handlung selbst moralisch beurteilt, erlaubt, die Weiche umzustellen, nicht jedoch den Mann von der Brücke zu stossen: Im ersten Fall ist der Tot des einzelnen Arbeiters ein ungewollter Nebeneffekt, d.h. die Handlung kann an sich gute Absichten haben; im zweiten Fall verboten, da dem Mann gewollt direkt Schaden hinzugefügt und so gegen den Wert des absoluten Tötungsverbotes verstösst.

Diese Art von Problemen ist ebenfalls Gegenstand des Gebietes der Neuroethik, die Ethik und Moral im Hinblick auf das Gehirn untersucht. So vermutet der Neurowissenschaftlicher Joshua Greene, dass es im Gehirn mindestens zwei verschiedene moralische Bewertungssysteme gibt, die unterschiedliche Gehirnbereiche einbeziehen: ein unemotionales, rationales System für moralisch-unpersönliche Probleme, wie im Beispiel mit der Weiche (stärkere Hirnaktivität im Bereich der kognitiven Funktionen). Dazu ein emotionales System (größere Aktivität in den Hirnbereichen zur Emotionsverarbeitung) für moral-persönliche Probleme, ähnlich zum Fall mit dem Mann auf der Brücke. Die meisten Leute würden intuitiv die Weiche umlegen, nicht aber den Mann von der Brücke stossen, da dies zu einer negativen Emotion ("Du darfst nicht töten!") führt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Trolley-Probleme sehr interessante Gedankenexperimente darstellen und einen Anstoss geben, moralische und ethische Grundsätze zu diskutieren. Darüber hinaus lassen sie sich einfach auf die Spitze treiben: Zum Beispiel könnte das Verhältnis von den 5 Arbeitern zum 1 Arbeiter auch auf 1000:1 erhöht und die Szenarien von Neuem betrachtet werden.

 

Literatur
[1] Schleim, Stephan und Walter, Henrik: Neuroethik - Erst das Gefühl, dann die Moral? In: Gehirn & Geist (Spektrum Verlag), 2008, Nr. 1-2, S. 44-48
[2] Wikipedia, Stichwort “Trolley problem”. URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Trolley_problem (Stand: 10.03.2010)
[3] Greene, Joshua: “Moral Dilemmas and the ‘Trolley Problem’”. URL: http://www.wjh.harvard.edu/~jgreene/ (Stand: 10.03.2010)
[4] Autor unbekannt: “A Solution to the Trolley Problem”. URL:http://tomkow.typepad.com/tomkowcom/2008/06/a-solution-to-t.html "> http://tomkow.typepad.com/tomkowcom/2008/06/a-solution-to-t.html (Stand: 10.03.2010)
[5] Clark, Josh: “How the Trolley Problem Works”. URL: http://health.howstuffworks.com/human-nature/emotions/other/trolley-problem.htm (Stand: 10.03.2010)

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