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Wirtschaftlich gesehen versteht man unter Globalisierung, eine globale Vernetzung der Märkte und Volkswirtschaften.1 Für die meisten Menschen ist die Globalisierung jedoch nur ein schleichender und vor allem politischer Prozess, der nichts mit ihrer Lebensweise zu tun hat. Denkt man an die ganzjährige Fülle an Obst und Gemüse in unseren heimischen Supermärkten, wird schnell klar, dass dies nur mit Hilfe ferner Länder funktionieren kann. Aber was hat eine spanische Tomate auf meinem Teller mit einem afrikanischen Armutsflüchtling zu tun? Und warum beeinflusst das tägliche Brotangebot die Existenz eines österreichischen Landwirts?
WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL vom österreichischen Regisseur Erwin Wagenhofer ist ein Film über die Auswirkungen der Globalisierung auf unsere Ernährung – ein Film über die verschiedensten Formen der weltweiten Nahrungsmittelproduktion von der Massenproduktion bis hin zur Gentechnik. Ein Interview von Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter, zieht sich wie ein roter Faden durch die in sieben Sequenzen aufgeteilte Dokumentation.
Überschuss und Hunger in der Welt
Während in Wien täglich Unmengen an unverbrauchtem Brot vernichtet werden, mit denen Graz versorgt werden könnte, hungern 805 Millionen Menschen weltweit. Die Hungersnot ist auch in der heutigen Zeit noch ein ernst zunehmendes Problem in unserer Gesellschaft. Ebenso absurd ist auch der Gedanke das etwa 35% der weltweiten Getreideernte an Nutztiere verfüttert wird oder in Biogasanlagen landen, während Hunger immer noch die häufigste Todesursache weltweit darstellt.2, 3 Österreichische Landwirte und Kleinbauern kämpfen mit unzähligen Agrarsubventionen und deren Auswirkungen auf den regionalen Markt. Folgen für die heimische Landwirtschaft sind unteranderem der Kampf gegen die Industrialisierung, sowie die völlige Zerstörung der Existenz und somit das Aussterben gentechnikfreier Nahrungsmittel.
Das Ende des autonomen Fischfangs
Dominique Cleuziou, ein autonomer Kleinfischer aus Frankreich, lebt für die Natur und seinen Beruf. Der traditionelle Fischer profitiert von seinem Wissen über das Meer und seiner jahrelangen Erfahrung auf seinem kleinen Fischkutter. Die Fassade der heilen Welt bröckelt jedoch sehr schnell und zeigt ihr wahres Gesicht – die Industrialisierung des Fischfangs. Dominique Cleuziou prophezeit das Ende seiner Existenz. Aber bedeutet das auch das Ende der Weltmeere als Lebensraum? Bereits 47% der Fischbestände in europäischen Gewässern gelten als überfischt. Die Tendenz ist steigend.4
Warum Tomaten 3.000 Kilometer reisen
Die Subventionierte Ungerechtigkeit und die Zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft sind auf die stetig wachsende Globalisierung in der Nahrungsmittelproduktion zurückzuführen. Daraus entstand im südspanischen Almería die weltgrößte Gewächshauslandschaft, die Europa mit frischen Tomaten versorgen soll. Ein modernes Wasserkreislaufsystem, Unmengen an giftige Pestizide, Pflanzendünger, Pflanzsubstrate, Steinwolle, Plastikhüllen und die Ausbeutung afrikanischer Migranten ermöglichen uns den Genuss frischer Tomaten aus Spanien in unserem Salat.
Aber warum sollten wir auch auf den ganzjährigen Verzehr von Tomaten verzichten? Frisches Gemüse heimischer Landwirte ist schließlich nur saisonal verfügbar und teurer als eine Reise quer durch Europa.
Einfache Bauern und Hybridsamen
Das Ergebnis von Hybridsamen sieht man in jedem Supermarkt: bilderbuchähnliches Obst- und Gemüse. Aber was sind Hybridsamen eigentlich und wie haben sie es nach Rumänien geschafft? Ein Hybridsamen ist das industrielle Produkt einer Kreuzung zweier perfektionistisch gezüchteten Pflanzen, welche deren besten Eigenschaften in einem Samen vereinen. Die Einwegpflanzen sind für Landwirte jedoch Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite sichert es dem Landwirt eine ertragreiche Ernte, andererseits sind Hybridsamen Einwegpflanzen. Um die Existenz zu sichern, sind die Landwirte somit gezwungen, jährlich teures Saatgut von Agrarkonzernen wie DuPont zu kaufen.5
Nach staatlichen Subventionen von Hybridsaatgut in Rumänien bricht die traditionelle Landwirtschaft allmählich zusammen – jedoch nicht nur in Rumänien, sondern in ganz Europa. Konventionelles natürliches Obst und Gemüse ist auf den heimischen Märkten nun als teures Bioprodukt erhältlich.
Warum Hühner den Regenwald fressen
Brasilien zählt zu den größten Produzenten von genmanipuliertem Soja. Für die etwa 22 Millionen Hektar großen Anbauflächen wird der Urwald großflächig gerodet.6 Ausmaß der gerodeten Urwaldfläche in Brasilien seit 1975: Frankreich plus Portugal. Da sich der Boden in Brasilien nicht für die Sojaproduktion eignet sind Mengen an Pestizide und künstliche Nährstoffe notwendig.
Während der aufwendig produzierte Soja als Masttierfutter nach Europa exportiert wird und somit wieder auf unserem Teller landet, leidet der Nordosten Brasiliens an Wasser- und Nahrungsmangel. Ist der Preis den wir für unser Billigfleisch im Discounter zahlen am Ende doch teurer?
Stressfreie Fließbandhaltung
Tiere sind mittlerweile zur lieblosen Ware der Massenproduktion geworden. Als Ei auf dem Fließband, Vorbrüteranlage, geschlüpft in gestapelten Plastikkörben und anschließend verpack mit Hilfe einer vollautomatischen Maschine, ausgekippt auf engstem Raum und das ständige Warten auf Futter – so sieht der Alltag unserer glücklichen Hühner aus. Die Anforderungen an die industrialisierte Tierproduktion ist einfach: Den Handel interessiert nur der Preis, der Geschmack und die Tierrechte sind kein Kriterium.
Konzerne in der Nahrungsmittelproduktion
Peter Brabeck, der Chef des weltweit größten Nahrungsmittelkonzerns Nestlé, spricht über die Ziele und die Arbeit des Konzerns. Dabei präsentiert Brabeck einen perfekten Produktionsablauf auf einem Monitor – zu sehen ist eine menschenleere Fabrikhalle.
Die Zukunft? Ungewiss.
Wagenhofer zeigt in seinem Dokumentarfilm nicht nur Kritiker, sondern auch Befürworter der heutigen globalen und industrialisierten Tier- und Pflanzenproduktion. Dennoch geht es in WE FEED THE WORLD nicht um Schuldzuweisungen zwischen einfachen Landwirten und Konzernchefs – vielmehr steht das automatisierte Handeln der Menschen als Teil des globalen wirtschaftlichen Geflechts im Vordergrund.
WE FEED THE WORLD richtet sich somit nicht nur an unser Gewissen – vielmehr fördert der Film ein Umdenken und Handeln unserer Politiker. Nur Änderungen politischer Rahmenbedingungen könnten uns dabei helfen dem Fluch der Globalisierung zu entkommen.7
Anmerkung: Die dargelegten Zahlen und Fakten entstammen zu einem großen Teil vom Film „WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL“ von Erwin Wagenhofer.
Verfasst von Nicole Buchgraber
Quellen:
Film: Wagenhofer, Erwin: WE FEED THE WORLD – ESSEN GLOBAL
1 Fuchs Media Solutions: Wirtschaftliche Globalisierung Definition. Online im Internet: http://www.globalisierung-fakten.de/globalisierung-informationen/wirtschaftliche-globalisierung-definition/ (Zugriff am 16.04.2015)
2 World Food Programme: Hunger weltweit - Zahlen und Fakten. Online im Internet: http://de.wfp.org/hunger/hunger-statistik (Zugriff am 16.04.2015)
3 World Food Programme: Welternährung. Online im Internet: http://de.wfp.org/welternaehrung (Zugriff am 16.04.2015)
4 WWF Deutschland: Überfischung: Bald drohen uns leere Meere. Online im Internet: http://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/fischerei/ueberfischung/ (Zugriff am 16.04.2015)
5 Hallwachs, Judith: Fluch und Segen – Hybridsamen. Online im Internet: http://www.worldsoffood.de/specials/was-isst-deutschland/item/2179-fluch-und-segen-hybridsamen.html (Zugriff am 16.04.2015)
6 WWF Deutschland: Soja als Futtermittel. Online im Internet: http://www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/ernaehrung-konsum/fleisch/soja-als-futtermittel/ (Zugriff am 16.04.2015)
7 Schnötzinger, Arnold: We Feed The World. Die Fehler der Lebensmittelindustrie. Online im Internet: http://oe1.orf.at/artikel/205764 (Zugriff am 16.04.2015)
Bild: http://www.stuk.be/sites/default/files/images/event/main/we_feed_the_world_teaser.jpg